Full Force Festival 2022 vom 24.06. bis 26.06.2022 in Ferropolis

Die Industrieinsel erwacht für ein lautes Spektakel erneut zum Leben

Eventname: Full Force 2022

Bands: Anti-Flag, As Everything Unfolds, Beartooth, Blackout Problems, Bleed From Within, Bob Vylan, Boston Manor, Boysetfire, Bullet For My Valentine, Bury Tomorrow, Comeback Kid, Counterparts, Creeper, Crossfaith, Dead Poet Society, Dragged Under, Drain, Dropout Kings, Emil Bulls, Equilibrium, Frog Leap, From Fall To Spring, Future Palace, Gatecreeper, Get The Shot, Ghostkid, Gutalax, Heaven Shall Burn, Holding Absence, Imminence, Infected Rain, Knocked Loose, Konvent, Kvelertak, Landmvrks, Malevolence, Me & That Man, Moscow Death Brigade, Nasty, Neck Deeo, Oceans, One Step Closer, Orbit Culture, Paleface, Portraval Of Guuilt, Raised Fist, Rolo Tomassi, Rotting Christ, Scowl, Seeyouspacecowboy, Setoursails, Siamese, Silverstein, Skynd, Soilwork, Stick To Your Guns, Suicide Silence, Swiss & Die Anderen, Sylosis, The Rumjacks, The Ghost Inside, Thrash Boat, Ven.FM, Venom Prison, Venues, Wargasm, Zeal & Ardor, Zomiez

Ort: Gräfenhainichen, Ferropolis

Datum: 24.06. – 26.06.2022

Kosten: 149,95 € Festival Ticket, weitere Buchungsoptionen möglich (https://full-force.de/tickets)

Genre: Metal, Rock, Hardcore

Link: https://full-force.de/

Bereits die Tage zuvor war es glühend heiß und das bleibt auch während des Full Force auf dem Ferriopolis Nähe Leipzig so. Das Festival mit knapp 20.000 Besuchern liegt im oberen Sektor, wenn man über die großen Mainstream Events, dem Summer Breeze und Wacken hinwegsieht. Dieses Jahr serviert das Open Air in der traumhaften Kulisse wieder eins der stärksten Line-Ups überhaupt. Wer auf Metalcore oder Post-Hardcore steht, kommt voll auf seine Kosten. Große Namen wie Beartooth, Heaven Shall Burn, Bury Tomorrow und The Ghost Inside stehen im Billing, aber auch Durchstarter der letzten Jahre wie Landmvrks, Imminence, Orbit Culture oder Knocked Loose zerlegen mit ihrer Show die Idylle. Der angrenzende See wird von Besuchern wie auch Künstlern sehr gerne als Abkühlung in Anspruch genommen und das sowieso schon imposante Gelände hätte nicht besser zur donnernden Musik passen können. Die kulinarische Auswahl geht erfreulicherweise sehr breit gefächert auf die einzelnen Interessen der Besucher ein. Mit einer breiten Auswahl an veganen Speisen, der Erdbeerbowle, die wie jedes Jahr an der Medusa Stage erhältlich ist und mit direktem Seezugang das perfekte Sommergetränk bildet, punktet das Full Force durch die wirklich sehr gute Organisation. Die Bilder, die ihr weiter oben in der Galerie und im Bericht findet, stammen von Faye S.

Im gesamten Infield werden vier Bühnen aufgebaut, die große Mad Max Stage inmitten der alten Baugeräte, die Medusa am See, eine kleinere Tent Stage welche dieses Jahr aber offen ist sowie die Backyard Stage, die einem das Berlin-Feeling direkt ans Full Force bringt. Kleiner Kritikpunkt ist der Shuttle-Service, der teilweise Wartezeiten zur Folge hat, ansonsten funktioniert dieser einwandfrei. Zwischen Campingplatz und den Bühnen muss man aufgrund der Entfernung des Öfteren auf die angebotenen Beförderungsmittel zurückgreifen, da ansonsten längere Spaziergänge die Folge wären.

Freitag

Zu Beginn gibt es leider eine enttäuschende Nachricht – Wargasm UK müssen ihren Auftritt aufgrund des Flughafenchaos in Deutschland absagen. Kurze Zeit später heizen Comeback Kid die Main Stage ordentlich auf und bringen mit ihren drei Krachern False Idols Fall, Do Yourself A Favor und Heavy Steps ein wenig Nostalgie in die Arena. Obwohl zu Beginn noch etwas spärlich besucht, füllt es sich dann doch ordentlich und es gibt eine tolle wie simple Show, die den perfekten Start in das Wochenende bildet. Neben der Hauptbühne werden auch die anderen Bretter gut beackert.

So zocken Konvent ganz unaufgeregt ihre Show oder Creeper aus Southampton in England lassen Be My End und Down Below aus den Boxen dringen. Selbst wenn man möchte, kann man aufgrund des engen Zeitplans gar nicht alle 24 Bands des ersten Festivaltages erleben. Wir nehmen mit, was geht und bilden für euch einen groben Querschnitt. Die Bühnenbelegung spielt teilweise nicht allen Gruppen in die Karten, so kommt es, dass Neck Deep auf der Hauptbühne vor einem Minipublikum spielen, obwohl sie anderswo Stadien füllen können. An Songs wie Don’t Make Good Sailors, When You Know und She’s a God kann es nicht liegen. Gleiches gilt für die Protagonisten, die alles geben. Ganz vorne mit dabei Ben Barlow, der dem Pop Punk Strudel mit December und A Part Of Me den Stöpsel zieht, um mehr Publikum zu binden. Das gute Feeling, was die Jungs vermitteln können, gepaart mit feinstem Pop Punk, hätte auf der Tent oder Backyard Stage vermutlich mehr Platz für eine Party geboten.

Unten am See füllten die schwedischen Newcomer Orbit Culture die Medusa Stage komplett bis nach oben hin aus, während Boston Manor im Hardbowl zum Tanzen auffordern. Mit im Set Carbon Mono oder auch ihre Nummer Foxglove. Zurück zu Orbit Culture, bei denen vor der Show die Fans völlig aus dem Häuschen und auf dem ganzen Gelände lautstark zu hören sind. Ohne enttäuscht zu werden, legt die melodische Death Metal Band eine sehr starke Show auf dem Full Force ab. Sänger und Gitarrist Niklas Karlsson hat alles im Griff. Die Nummern Nensha, Strangler und A Sailor’s Tale haben Potenzial, was ihre Fans schon längst erkannt haben. Wer bislang noch nicht mit den Skandinaviern in Kontakt kam, wird den Auftritt nicht vergessen und auch in der Zukunft die Jungs auf dem Zettel haben.

Zeal & Ardor bleiben in Europa diesen Sommer weiter gefragt. Die Schweizer Avantgarde bzw. Black Metal Combo um Manuel Gagneux hat einen rasanten Aufstieg trotz der letzten zwei schweren Jahre hingelegt. Interessiert werden die Köpfe zu Church Burns, Götterdämmerung oder Ship On Fire genickt. Zwischen den Industrieruinen brettern die modernen Riffs, die keinem Genrezwang unterliegen. Da, wo die Männer aus den Alpen auftreten, bleiben viele Fragezeichen stehen, die jedoch das Publikum nicht verprellen, sondern eher noch anziehen. Mit dem Blick von der Bühne über den Platz wird das angemessene Interesse deutlich, während Devil Is Fine die nahende Dämmerung beiseiteschiebt.

Landmvrks führen dann zu einer Völkerwanderung übers Gelände zur Tentstage, die dann komplett überfüllt die etwas unglückliche Band/Stage Verteilung aufzeigt. Die Franzosen sind die Überflieger der letzten Jahre und ein absolutes Highlight des Tages, welches bei den vielen Gesichtern vor der Stage deutlich den Status der fünf Metalcore Haudegen aufzeigt. Nach dem Motto „wie man es macht, macht man es falsch“ ist es in manchen Konstellationen wirklich überraschend, welche Acts wie viele Besucher ziehen. Auf Landmvrks abfahrend wird die Meute bei Lost In A Wave und Rainfall geil und fressen Sänger Florent Salfati förmlich aus der Hand.

Vor dem letzten großen Act und Headliner wollen es gleich drei Bands wissen. Amaranthe, die skandinavischen Melodic Death Metal Heros, angeführt von Elize Ryd, ziehen im Dunklen bei einer gut durchdachten Show überraschend viele Jünger an die Boxen. Frisch, modern und mit dem Hang zum Radiorock locken sie mit einem wilden Mix aus tiefen Growls, lieblichen Vocals und wilden Breaks, die jede Party positiv beeinflussen kann. Für alle Metalheads mit heidnischen Gedanken pflügen die Deutschen Equilibrium durch die Nacht. Robert „Robse“ Dahn, der nun seit zwölf Jahren das Sprachrohr bildet, zaubert neben Born To Be Epic und Heimat das immer gelungene Cover Johnny B aus dem Ärmel. Fehlen darf bei dem abwechslungsreichen Set Blut Im Auge nicht, dafür kommen ältere Nummern etwas zu kurz. Bei nur 50 Minuten Stagetime eine sehr zufriedene Auswahl, bevor es zu Bullet For My Valentine geht.

Der Headliner des Tages betritt mit Bullet For My Valentine das Schlachtfeld. Die permanent beschäftigten Musiker aus Wales pilgern diesen Sommer von einem Open Air zum Nächsten. Mit im Gepäck zum Beispiel Your Betrayal und Waking The Demon, die ohne Überraschungen lautstark die Nacht begrüßen. Die gewöhnlich starke Show mit Pyrotechnik und diversen feurigen Einlagen kann man jedoch nicht oft genug sehen. Das großzügige Gelände lässt auch beim Top-Act immer noch genug Platz vor der Bühne zum Atmen. Ein gutes Durchkommen in die ersten Reihen lässt Fans die Möglichkeit, in die Pits abzutauchen oder ganz gemütlich bei kaltem Bier in sicherer Entfernung das Spektakel zu betrachten. Gut gestimmt lassen Matthew Tuck und Michael Paget die Gitarrensaiten fliegen, um gemeinsam gesanglich bei Tears Don’t Fall und Scream Aim Fire allen Mondanbetern den Gnadenstoß für den ersten Festivaltag zu geben.

Samstag

Am Samstag gibt es auf der Tent Stage gleich zu Beginn eine ordentliche Portion Frauenpower in Form von Sängerin Charlie Rolfe, die mit As Everything Unfolds gegen 16:25 Uhr alles gibt. Anders als bei anderen Open Airs beginnt das Festival erst in der späten Mittagszeit bzw. am frühen Nachmittag. Dadurch bleibt allen genug Zeit zum Regenerieren. Kurz vor den Engländern zieht es Oceans oder auch Siamese auf ihre Slots. Wie schon am Vortag kann eine Person rein logistisch nicht alles erblicken. Dafür gibt es immer genug Auswahl, um die persönlichen Höhepunkte abzugehen. Zurück zu As Everything Unfolds und zwei Nummern, die im Kopf bleiben: Take Me There und Grayscale. Etwas schüchtern gestartet, platzt nach wenigen Minuten der Knoten. Die Nervosität von Charlie Rolfe weicht mit jedem weiteren Song, bis die junge Musikerin mit jeder Faser ihres Körpers in den Mix aus Alternative Rock, Post-Punk und Progressive Metal taucht, um explosiv alle Besucher zu erreichen.

Emil Bulls auf der Main Stage spielen vor vielen gespannten Gesichtern. Die Münchener Alternative und Nu-Metal Band zählt längst zu einer der größten unserer Republik und wirbelt überall, wo sie auftaucht, ohne Probleme selbst den Staub vom Vortag noch auf. Spätestens mit The Age Of Revolution, Euphoria und The Ninth Wave verfliegt die Müdigkeit aus den Knochen. Christoph von Freydorf bringt eine beruhigende, dennoch anstachelnde Attitüde mit nach Ferropolis. Emil Bulls in Gräfenhainichen funktionieren, egal ob mit Josephine oder Hearteater – die Crowd hat Bock auf James Richardson, Stephan Karl, Andreas Bock und Klaus „Kanone“ Kössinger. Moscow Death Brigade bespielen die Seebühne, während zeitgleich Bleed From Within ihren melodischen Metalcore im Hardbowl anrühren. Hier wollen wir einmal erwähnen, dass die immer beliebte Knüppelnacht nicht mehr zum Programm des Full Force gehört. Schade finden das viele langjährigen Besucher und wünschen sich die Knüppelnacht zurück. Gespannt darf man auf die nächste Auflage blicken und schauen, ob der Wunsch offene Ohren getroffen hat.

Einen der besten Auftritte des Wochenendes legen die Norweger Kvelertak hin. Der unglaubliche Cocktail aus Hardcore Punk, Rock ’n‘ Roll und Extreme Metal hat Explosionspotenzial. Sänger Ivar Nikolaisen, der die Position von Erlend Hjelvik vor vier Jahren übernahm, passt gesanglich und optisch perfekt ins Bild der sechs Mann starken Truppe. Aus Stavanger mit Rogaland, Crack Of Doom und Bruane Brenn einmal um den Globus. Auf Platte gut, live noch besser – das dürften alle Anwesenden bestätigen. Die Temperaturen darf man fast als mörderisch bezeichnen. Das hat zur Folge, dass nachmittags und am frühen Abend einige Besucher noch das Infield meiden, um abends ordentlich auf die Kacke hauen zu können, ohne vorher einen Sonnenstich bekommen zu haben.

Ex-Electric Callboy Frontmann Sushi präsentiert das neue Projekt Ghostkid, welches während der Pandemie vor zwei Jahren gegründet wurde, kurz darauf auf der Hardbowl Bühne. Parallel dazu zocken die griechischen Altmeister von Rotting Christ, die keinen Stein auf dem anderen lassen. Eine Gothic-angehauchte Show mit viel Interaktionen wird mit den Songs wie Fool und Crown gefüllt. Fette Screams, dunkle Vocals und alles fein säuberlich auf Sushi zugeschnitten, zieht den Frontmann in den Mittelpunkt von Ghostkid. Der wilde Pit bestätigt die fünf Musiker, die nicht als billiger Abklatsch oder Ähnliches abgetan werden. Härter schlagen Rotting Christ an. Der See bebt, als Sakis Tolis die Griechen zur Messe führt. Seit 1987 lebt die düstere Black bzw. Extreme Metal Band von seinem Charisma. Fire, God And Fear dröhnt, während 666 nichts als verbrannte Erde hinterlässt. Für die Metalheads des Full Force, die nicht auf Core und alternative Atmosphären stehen, eine der besten Möglichkeiten, Dampf abzulassen.

Für die Ruhe vor dem Sturm stehen die nächsten vier Gruppen. Malevolence zünden mit ihrem Bastard aus diversen Genres noch das größte Feuerwerk. Die Protagonisten aus Sheffield haben Life Sentence und Slave To Satisfaction mit nach Deutschland gebracht. Zudem wirft das neue Album Malicious Intent seine Schatten auf die Festivaltour der Engländer. Gut ausbalanciert hat Alex Taylor keine Mühe, die einzelnen Sequenzen wie tödliche Torpedos ins Publikum zu feuern.

Kurz nach Sonnenuntergang kommen dann Beartooth an die Reihe. Passend zum zehnten Geburtstag reißen die Amerikaner ein Set ab, das einer Naturgewalt gleicht. Mit The Lines und Devastation von null auf hundert. Below heißt der Silberling vom letzten Jahr und bekommt genug Platz in den nächsten 50 Minuten. Die Wahl der wahrscheinlich besten Show vieler Besucher fällt tatsächlich auf Beartooth, die in den letzten Jahren beachtlich nachlegen konnten. Damit ist nicht nur der aufgepumpte Body von Sänger Caleb Shomo gemeint, sondern das gesamte Konzept, das stimmig überzeugt und viel Energie freisetzt. Sehr gut gefüllt, trällern die Anhänger Body Bag und Dominate mit. Schade, dass der melodische Hardcore viel zu schnell aus den Boxen weichen muss. Es bleibt nur noch The Past Is Dead und The Last Riff zu genießen. Karten für die kommende Tour im nächsten Frühjahr dürften noch begehrter werden, wer was anderes sagt, hat eine andere Show gesehen. Die Lichteffekte passen und heben ganz vorsichtig Beartooth in Richtung Metalcore Superlative.

Zwei ungleiche Acts in Form von Soilwork und Nasty wollen es dem Headliner schwer machen. Die Schweden um Sänger Björn „Speed“ Strid präsentieren ihre neuen Songs des kommenden Albums Övergivenheten, welches am 19.08.2022 über Nuclear Blast veröffentlicht wird. Neben dem Titeltrack der neuen Platte drängen Full Moon Shoals und Stabbing The Drama in den Fokus. Neben dem Stammkorsett schnüren die Sessionmusiker Bastian Thusgaard und David Andersson tödliche wie melodische Muster. Kraftvoll, atmosphärisch und spielerisch bringen Soilwork ihre harten Vocals in die Köpfe der Headbanger. Neben Rotting Christ die einzige Extreme Metal Band, die es auf die Seebühne zieht. Mit dem Tauchsieder brühen sie Nerve im klaren See auf, der im Dunklen schimmert. Würden die Riffs nicht wie Rasierklingen durch die Nacht schneiden, wäre im wechselnden Licht gar romantische Stimmung aufgekommen. Was machen die Männer einen guten Job und werden ihrer Rolle als hoch gehandelte Liveband gerecht. Brutaler geht es bei Nasty zur Sache. Die Knarren bis zum Anschlag geladen, lässt Matthias „Matthi“ Tarnath keinen Stein auf dem anderen. Die Belgier kommen nicht, um Gefangene zu nehmen. Tiefe Beatdowns, thrashiger Hardcore Punk lässt die Zeltplane nach außen drücken.

Das lang ersehnte Highlight The Ghost Inside darf die Tür schließen. The Ghost Inside spielen nach ihrem tragischen Unfall 2015 ihr erstes Deutschlandkonzert. Schlagzeuger Tkaczyk verlor als Folge des verheerenden Unfalls ein Bein, Gitarrist Johnson zwei Zehen. Die beiden Fahrer der Unfallfahrzeuge verstarben. Die Szene wurde zusammengeschweißt. Ihr Label Epitaph Records spendete alle Einnahmen von verkauften Tonträgern an ihre Schützlinge, die heute gemeinsam auf den Brettern stehen. Mit dabei auch Bassist Jim Riley, der kurzzeitig wegen Rassismusvorwürfen hinausgeworfen wurde. Wilde Zeiten für die Hardcore und Metalcore Combo, die herzlich begrüßt wird. Jonathan Vigil stimmt Avalanche und The Outcast an. Jeden, der noch auf dem Gelände ein kühles Getränk konsumiert, ziehen die Klänge zur Main Stage. Mit wenig Drumherum überzeugen die Giganten mit Dark Horse und Move Me. Ein starkes Set, was einiges zu bieten hat, setzt den Schlusspunkt unter einen turbulenten Tag.

Sonntag

Der letzte Tag verspricht noch mal einiges. Die Schweden Imminence eröffnen mit ihrem Post-Metalcore die Hauptbühne. Die brütende Hitze bringt die meisten Zuschauer dazu, im Schatten Zuflucht vor der Sonne zu suchen, als Eddie Berg die ersten Songs anstimmt. Material aus den ersten vier Alben rollen langsam über den Platz. Leider etwas leer, müssen die Skandinavier nicht nur mit dem Opener Slot kämpfen, sondern auch mit dem Wettergott, der die Temperatur nach oben treibt. Mit ihrem melodischen Mix aus Geige und Metalcore können sie musikalisch punkten, ohne ein ganz großes Feuerwerk zu zünden. Definitiv ein Act, der auch einmal einen Abendslot verdient hätte. Rolo Tomassi und Ten56 wiederum schließen die Brücke zu Silverstein.

Ohne große Änderungen können Silverstein seit ihrer Gründung 2000 in Kanada auf das gleiche Team setzen. In der Szene klettern sie langsam die berühmte Erfolgsleiter empor und schreiten heute auf die Full Force Main Stage. Sänger Josh Bradford schmiedet eine heiße Emo / Post-Hardcore Klinge, die in der erhitzten Umgebung zu glühen beginnt. Kleine Circle Pits nehmen Fahrt auf und werden immer größer, während das Publikum gesanglich dem Frontmann beisteht. Das Nachsehen haben die Briten von Blood Youth, die auf der Medusa Stage nur eine solide Show ohne wirkliche Höhepunkte abliefern. Mit neuem Sänger Harry Rule im Schlepptau, mussten die melodischen Nu-Metal / Hardcore Jünger einen größeren Umbruch während der Pandemie vollziehen. Ebenfalls neu mit dabei ist Schlagzeuger Brad Ratcliffe. Die Selbstfindungsphase spült Blood Youth an den Sandstrand und spuckt Hate und Spineless aus. 45 Minuten müssen für die Kostprobe reichen.

Nicht missen möchte man Bury Tomorrow, die ebenfalls die Ehre der Mad Max Stage bekommen, auf der zuvor Silverstein gut weggekommen sind. Deutlich mehr Interesse zieht die meisten Zuschauer bisher am Sonntag vor die bebenden Balken. Die Hardcore Fans singen fleißig die Texte mit Daniel Winter-Bates, der immer wieder zwischen hohem Gesang und wüsten Growls wechselt. Gemeinsam Arm im Arm hüpfend pushen sie die Engländer, die zur Höchstform hochfahren können. Beflügelt vom deutschen Publikum, geben die sechs Musiker aus Southampton alles. Im Fotograben bekommt die Security viel Besuch. Die getragenen Körper gleiten sanft in die Arme der Aufpasser, die auch am dritten Tag noch einen guten Job machen. Der Asphalt glüht, die Pits drücken ihre Spuren in den schwarzen Untergrund, während Choke und Death (Ever Colder) alle Dämme brechen lassen.

Ganz hinten auf der Backyard Stage, die wir tatsächlich in diesem Jahr etwas stiefmütterlich behandeln, spielen Future Palace ihren ersten Festivalgig und bekommen zum Track Paradise sogar eine Wall of Death in den Staub gezaubert. Die Berliner Alternative Post Hardcore Newcomer, die Großes vorhaben, zeigen kaum Nervosität. Erstaunlich viele Leute finden sich ein, was wiederum an der Nähe zu ihrer Heimat Berlin liegen kann. Wie dem auch sei, das bunte Programm mit einer euphorischen Ansprache der Sängerin Maria lässt die Deutschen nicht als graue Maus verkommen. Härter rühren Counterparts eine Melodic Hardcore Suppe zusammen. Ohne Aufreger steht die Musik im Mittelpunkt. Love Me, Wings Of Nightmares und Unwavering Vow zwingen manche Knie auf den Boden. Sänger Brendan Murphy ist angeschlagen – gut, dass heute die Tour für die Nordamerikaner endet. Kleine Moshpits, rasselnde Monument und No Servant Of Mine Hooks und fertig ist das Counterparts Grundgerüst.

Zurück auf der Backyard Stage stehen Dead Poet Society parat und zocken einen unkonventionellen Nu-Metal, der in typisch amerikanischen Rock Riffs gipfelt. Zu Beginn vor fast leeren Reihen kommen, je länger die motivierten Künstler in die Saiten hauen, mehr Besucher zu Dead Poet Society. Etwas auf Genre-Abwegen, eine gelungene Abwechslung für die Hardcore durchtriebenen Gehörgänge. Auf ganzer Linie überzeugend, machen die Amerikaner aus Los Angeles Werbung in eigener Sache und beweisen, dass auch ihre Klänge eine Daseinsberechtigung auf Ferropolis haben.

Noch stehen sieben Bands mit ihren Auftritten bevor. Einen kompletten Ausraster erlebt man mit Knocked Loose, die ohne zu fragen die ganze Bühne vor dem Ende auseinandernehmen. Where Light Divides The Holler und Trapped In The Grasp Of A Memory brechen Knochen und Bände. Tiefe Beats knallen als Maschinengewehrfeuer in den Abend. Die Sonne geht bereits langsam bei Billy No Mates unter, weshalb alle so langsam ihre letzten Energiereserven mobilisieren und zum Ausbruch bringen. Frontmann Bryan Garris eskaliert. Schnell alle Register gezogen, kommen die Jungs an den Instrumenten kaum hinterher. Feuer frei, Deadringer sucht eure Kehle. Ein letztes Mal ganz hinten auf der kleinsten Bühne spielen dann die Jungs von Holding Absence aus Wales, welche während der Corona-Zeit deutlich Aufschwung erhalten haben. Eine ambitionierte junge Band mit viel Potenzial, die auch live überzeugen kann. Mit diversen Auftritten diesen Sommer an vielen Erfahrungen reicher, darf man den Namen ruhig ins persönliche Notizbuch kritzeln.

Skynd und Anti-Flag schließen die einzelnen Kapitel der Medusa wie Tentstage. Für uns heißt es noch einmal die Zähne zusammenbeißen und durchschnaufen. Zu guter Letzt beenden die Heroes der Nation Heaven Shall Burn das Full Force. Die erfolgreichste deutsche Band des Genres lässt rein gar nichts anbrennen. Marcus Bischoff am Mikrofon haut alles raus, was geht. Verschwitzt mit unendlich viel Pyrotechnik und Feuerwerk kann nur das absolute Armageddon das Ziel von Heaven Shall Burn sein. My Heart And The Ocean und das Edge Of Sanity Cover Black Tears dürfen bei der Sause nicht fehlen. Welche Version von Black Tears nun besser ist, soll kein Thema werden. Mir gefallen beide und auch Heaven Shall Burn machen aus dem Kracher immer wieder ein Highlight. Alle Sitz- und Stehplätze mit dem Opener zu belegen, das haben bislang nicht viele Bands geschafft. Das Maß aller Dinge formt tatsächlich der glänzende Abschluss. Übermacht und Voice Of The Voiceless krachen aus der Anlage. Der nächste Sturm zieht mit Behind A Wall Of Silence auf. Ohne Endzeit geht es nicht, der als Ohrwurm noch auf der Rückfahrt die Synopsen kitzelt. Ein gelungener Abschluss eines durchweg tollen Festivals mit einem beeindruckenden Line-Up und einer absolut spannenden Kulisse.