Hulder am 26.06.2024 im Feierwerk München (Kranhalle)

Geisterstunde im Backofen – Hulder live im Feierwerk München

Eventname: Verses In Oath – Album Release  European Tour 2024

Headliner: Hulder

Vorband: Modfälld

Ort: Feierwerk München (Kranhalle)

Datum: 26.06.2024

Kosten: 20,00 € VVK / 25,00 € AK

Genre: Black Metal

Besucher: ca. 150 Besucher

Veranstalter: Feierwerk München

Link: https://www.feierwerk.de

Dem sich verändernden Klima sei Dank gerät jeder neue Sommer mehr und mehr zu einer schweißtreibenden Angelegenheit, und auch an diesem Mittwochabend Ende Juni läuft die Suppe auch ohne viel Bewegung von ganz allein. Gewitter sind angekündigt, und die schwül-warme Luft lässt die Klamotten am Körper kleben. Was kann man tun, um sich abzukühlen? Neben Klimaanlage und dem Ausharren im Kellerverlies hat das Feierwerk München eine weitere Alternative parat: eisiger Black Metal aus der Neuen Welt, unterstützt von einer schwäbischen Newcomer-Kapelle.

Modfälld – 26.06.2024 -München

Ursprünglich in Belgien geboren, hat One-Woman-Show Marliese Osborne unter dem Namen Hulder die internationale Black-Metal-Szene in den letzten sechs Jahren ordentlich aufgemischt, und während die maskuline Variante durchaus häufiger anzutreffen ist (man denke nur an Projekte wie Leviathan oder Xasthur), muss ich mich schon anstrengen, um vergleichbare Projekte mit nur einer einzigen Dame in der Bio zu finden. Thematisch in Naturmystik und Okkultismus verortet, ist die Musik der Neu-Amerikanerin ein Spektakel aus verträumt-kalter Melodik und schwarzmetallischer Raserei, die auf abwechslungsreiche Weise klassische Elemente des nordeuropäischen Second-Wave-Black-Metals mit moderneren, teils symphonischen Momenten kombiniert. Die sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzten Synths transportieren die beklemmende Atmosphäre ganz ausgezeichnet, nicht umsonst wurde der aktuelle Longplayer Verses In Oath mit Lob geradezu überschüttet.

Doch bevor Hulder die Bühne entern, steht noch ein absoluter Newcomer auf dem Programm. Aus dem bayerischen Neu-Ulm stammend, ist mir der Name Modfälld bisher nicht über den Weg gelaufen, kein Wunder, die erste und einzige EP Ättestupa ist erst in diesem Jahr erschienen. Bandname wie auch die Titel der Songs sind in Schwedisch gehalten, und Übersetzungen wie „Todeswunsch“ oder „Verachtung“ lassen erahnen, dass hier wenig good vibrations zu erwarten sind. Passt – wir sind schließlich auf einem Black-Metal-Konzert und nicht bei einem Kindergeburtstag.

In der Kranhalle kann man die Luft inzwischen schneiden, bei gefühlten 200 Prozent Luftfeuchtigkeit wird nur wenig später auch die Kamera an ihre Grenzen kommen. Zunächst aber beginnt der Auftritt von Modfälld mit viel Nebel und roten Scheinwerfern. Die Reihen vor der Bühne sind noch licht, und so kann ich problemlos umherwandeln, um mich der Band durch den Sucher zu nähern. Soundtechnisch scheint es anfangs ein paar Probleme zu geben, die Stimme des Fronters, der inbrünstig in sein Mikro kreischt, verschwimmt hinter einer massiven Gitarrenwand. Erst im Laufe des Auftritts ahnt man, dass das wahrscheinlich nicht ganz so gedacht war, der Sound bessert sich zunehmend, und man erkennt auf einmal Songstrukturen.

Hulder – 26.06.2024 -München

Was Modfälld abliefern, ist primitiv (im besten schwarzmetallischen Sinne), repetitiv und in seiner doomigen Schwere geradezu hypnotisch anziehend. Simple Riffs und infernalisches Geschrei – ein gelungener Einstand. Das Publikum jedenfalls ist sichtlich angetan und lässt das die Band spüren, auch wenn selbstredend allzu emotionale Beifallsbekundungen – dem Genre geschuldet – ausbleiben. Zum Ende hin fällt dem Lichtmann glücklicherweise ein, dass man auch einmal mehr als Funzelstärke ausprobieren könnte, und so bekomme ich noch ein paar Schüsse mit mehr Details. Wenig überraschend wird die gesamte EP Ättestupa abgefackelt, aufgeteilt auf die ersten beiden und die zwei letzten Songs. Dazwischen gibt‘s noch zwei weitere Stücke, ob es sich dabei um Demos, neue Stücke oder Cover handelt, bleibt im Dunkeln, wortlos wie der Auftritt begann, so endet er auch.

Hulder – 26.06.2024 -München

In der Pause lerne ich zwei sympathische Berliner kennen, die bereits zwei Tage zuvor in der Hauptstadt das gleiche Setting genießen konnten und aus reiner Begeisterung den Feierabend nach einer Dienstreise zur Wiederholung des Gesehenen nutzen. Ein Bier später betritt dann Hulder zusammen mit ihrer musikalischen Live-Besatzung die Bühne, stilecht blass geschminkt, die blonde Mähne über einer schwarzen Robe mit Kampfstiefeln. Wahrscheinlich kochen die Musiker in der Montur bereits, ohne auch nur eine Note gespielt zu haben, aber eine Show ohne stimmungsvolle Outfits ist eben keine Show. Mich beeindruckt, wie mühelos Hulder ihren Sound auf die Bühne bringen. Die zarte Gestalt am Mikrofon knurrt mit einer Inbrunst ins Mikrofon, dass einem ganz kalt ums Herz wird. Immer wieder fliegen die langen, blonden Haare, und auch der Mann am Bass schüttelt fleißig, was ihm auf dem Kopfe sprießt.

Unbesetzte Räume vor der Bühne gibt es zu diesem Zeitpunkt keine mehr, die Band hat das Münchner Publikum im Griff, und es wird ausgiebig gefeiert. Hochgereckte Fäuste und gutturale Sympathiebekundungen feuern die Stimmung an. Sinn und Zweck der Tour ist die Vorstellung des im Februar erschienenen zweiten Longplayers Verses In Oath, und es verwundert daher kaum, dass die meisten der dargebotenen Stücke von eben jener Scheibe stammen. Ihre Live-Qualitäten hatte die Band bereits mit dem 2022er-Auftritt in Baltimore unter dem Titel Benighted In Blood eindrucksvoll dokumentiert, und auch die neuen Songs strotzen nur so von abwechslungsreichen Riffs, packender Melodie und infernalischer Aggression. Eine Hommage an alte Vorbilder, ohne den Hauch billiger Kopie, sondern mit einer guten Portion frischen Blutes und viel kreativem Willen.

Der Jubel ist dann nach sieben intensiven und mitreißenden Songs mehr als nur verhalten, dennoch – wie schon in Berlin – gibt es keine Zugabe. Nichtsdestotrotz – ein durch und durch großartiger Abend.