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Pic by Toni B. Gunner
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Interview mit Jörg Uken vom Soundlodge Studio

"Power entsteht durch Kontrolle – nicht durch Tempo."

Artist: Jörg Uken

Herkunft: Rhauderfehn

Link: https://www.soundlodge.de

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Ende November hatte ich das Glück, mit Jörg Uken vom Soundlodge Studio vor seinem Gig mit Temple Of Dread in Bielefeld zu quatschen.

Was Jörg von den aktuellen Entwicklungen, auch im Bereich KI, hält und warum schneller nicht immer besser ist, könnt ihr hier nachlesen.

Time For Metal / Lommer:
Ich freue mich, heute mit Jörg Uken vom Soundlodge Studio zu sprechen – vielen bekannt als Produzent und natürlich als Drummer diverser Bands. Da sind Weckörhead, Temple Of Dread … Wo bist du aktuell noch regelmäßig unterwegs?

Jörg Uken:
Eigentlich nur noch bei Temple Of Dread. Bei Weckörhead spiele ich noch einen Abschiedsgig, aber das war’s. Ansonsten habe ich keine festen Bands mehr. Ich spiele viel für andere im Studio ein. Und ich habe noch ein kleines Fun-Country-Projekt auf Plattdeutsch mit einem Freund. Aber Temple Of Dread ist die einzige Band, die wirklich dauerhaft läuft.

Lommer:
Du machst neben deinen eigenen Bands ja auch einiges an Session-Drums, oder?

Jörg Uken:
Genau. Das hat sich über die Jahre ziemlich entwickelt. The Infernal Deceit zum Beispiel, oder Adversum – eher düsteres Black- und Doom-Zeug. Solche Sachen mache ich relativ häufig.

Lommer:
Spannend, weil man oft hört, dass du eher aus dem Punkrock kommst – aber das stimmt so gar nicht, oder?

Jörg Uken:
Nee, ich komme ganz klassisch aus dem Hardrock. Maiden, Priest, Accept, Kiss, dazu Deep Purple. Als ich angefangen habe zu trommeln, gab’s weder Death noch Thrash Metal. Punkrock mag ich auch, aber das kam später.

Lommer:
Wenn man auf deine Webseite schaut, sieht man ja: 1997 hast du Soundlodge Studio gegründet und damals noch unter dem Dach aufgenommen. Ab 2000 dann offiziell in Rhauderfehn, da, wo du auch jetzt bist. Und über die Jahre hast du eine unglaubliche Menge an Bands produziert – u.a. Defeated Sanity, Gorezone, Cliteater, Prostitute Disfigurement, Anvil oder Carnivore AD. Was sind die ungewöhnlichsten Produktionen gewesen, die bei dir im Studio gelandet sind?

Jörg Uken:
Da war wirklich alles dabei: christliche Gitarrenchöre, Klaus & Klaus, Corvus Corax … Also weit mehr als nur Death Metal. Das Klischee hält sich hartnäckig, aber ich mache viele verschiedene Sachen. Mir ist das Genre egal – entscheidend ist, wie realistisch die Band sich selbst einschätzt. Ob sie weiß, was möglich ist und was nicht.

Manchmal bekomme ich auch sehr skurrile Anfragen – gerade aus dem Rap-Bereich. Da sage ich aber ehrlich: „Ihr seid hier falsch.“ Ich habe dafür weder das passende Know-how noch die richtigen Sounds.

Lommer:
Wie kam es überhaupt dazu, dass du angefangen hast, aufzunehmen? 1997 ist ja inzwischen fast drei Jahrzehnte her.

Jörg Uken:
Eigentlich habe ich noch früher angefangen. Ich war selber schon mit 16 regelmäßig im Studio. Und als ich mit 22 bei Rumble Militia eingestiegen bin und wir im Morrisound aufgenommen haben, war klar: Das ist mein Weg. Vorher wollte ich nur Musik machen und Rockstarsachen – aber da fiel der Groschen.
Natürlich war Morrisound als Vorbild unerreichbar. Die hatten Millionen an Equipment. Aber es war die Richtung.

Mein erstes eigenes Studio war 1994 in Emden, im Bunker – zusammen mit drei anderen. Viel Halbwissen, viele Meinungen, das hat nicht funktioniert. Also bin ich irgendwann allein weitergegangen. Learning by Doing.
Damals war die Technik völlig anders: Bandmaschine, später ADAT, teures Equipment. Heute reichen ein Rechner und ein paar Mikros.

Lommer:
Hast du dir bei anderen Toningenieuren viel abgeschaut?

Jörg Uken:
Anfangs ja, vor allem bei Leuten, bei denen ich als Drummer aufgenommen habe. Um mal ein paar Namen zu nennen: Georg Albrecht, Erwin Wilken, Tom Morris und Yenz Leonhardt.

Mittlerweile mache ich das aber nicht mehr. Ich will meinen eigenen Weg gehen. Keine Tutorials, kein ständiges Vergleichen. Mikro hinstellen, drehen, hören. Fertig.

Lommer:
Also ein sehr eigenständiger Ansatz.

Jörg Uken:
Total. Ich glaube, das ist auch wichtig. Der Trend geht heute stark in Richtung „alles perfekt“, und das finde ich schrecklich. Diese Plastikproduktionen, bei denen man kaum noch echte Menschen hört.
Eine Sabaton-Produktion kann heute jeder am Computer bauen – du brauchst nicht mal eine Band. Für mich hat das nichts mehr mit Metal zu tun. Auch viele moderne Produktionen großer Bands klingen extrem künstlich.

Lommer:
Ich kenne deine Arbeitsweise aus eigener Erfahrung – man hat bei dir wirklich Musik gemacht. Lernst du nach über 30 Jahren noch Neues?

Jörg Uken:
Ständig. Jede Produktion bringt neue Ideen, neue Fehler, neue Lösungen. Und die Technik entwickelt sich permanent. Ich habe zum Glück einen guten Freund, der sich technisch um mein Pro Tools kümmert und mich immer auf dem Laufenden hält.

Lommer:
Hast du für dich die perfekte Platte schon gemacht?

Jörg Uken:
Nein. Ich habe rund 750 Produktionen gemacht, und vielleicht 10–20 davon würde ich wirklich als „top“ bezeichnen. Und selbst das liegt oft daran, dass einfach alles perfekt zusammengepasst hat – Band, Equipment, Tagesform, Energie.

Ich höre meine eigenen Sachen kaum. Bei 750 wäre das auch seltsam.

Lommer:
Die Digitalisierung hat das Produzieren bestimmt stark verändert. Bei dir auch?

Jörg Uken:
Unfassbar. Früher hattest du eine Produktion zur Zeit. Heute mache ich fünf, sechs gleichzeitig, ständig kommen Listen mit Änderungswünschen. Niemand akzeptiert mehr einen ersten Mix. Kommunikation läuft über zig Kanäle. Das ist anstrengend.

Lommer:
Machst du trotzdem noch komplette Albumproduktionen von Grund auf?

Jörg Uken:
Ja, immer noch. Viele Bands kommen auch erst zu mir, nachdem sie sich daheim verrannt haben.
Gerade viele holländische Bands jammen ihre Songs live ein – das ist oft frischer.
Der typische Metal-Workflow dagegen: Klickspur, quantisierte Drums, Gitarren zu Hause aufgenommen, Reamping. Dabei sind Intonation und Timing riesige Baustellen.

Lommer:
Kannst du kurz erklären, was Intonation bedeutet?

Jörg Uken:
Die Gitarre muss in allen Lagen sauber klingen – nicht nur in den Leersaiten. Und der Spieler darf die Saiten nicht so hart ziehen, dass die Töne verzogen werden. Zwei Gitarristen klingen fast nie gleich. Deswegen sind große Produktionen bei Rhythmusgitarren fast immer „eine Hand“. Zwei Spieler bringen immer leichte Unterschiede – das ist dann eher Rock’n’Roll als sterile Präzision.

Lommer:
Man merkt das auch beim Songwriting: Viele schreiben inzwischen zu ihren Plugins, statt echte Riffs in der Band zu entwickeln.

Jörg Uken:
Ja. Und dann kommt der Drummer ins Studio und merkt: Das Tempo ist eigentlich gar nicht spielbar. Das darf nicht passieren. Der Drummer bestimmt das Tempo – er ist der Kapellmeister. Man muss Songs zusammen erspüren, nicht in Einzelteilen.

Lommer:
Wie siehst du generell die Zukunft von Recording?

Jörg Uken:
KI wird riesig. Ist es teilweise schon. Ich habe Kunden, die komplette KI-Songfragmente mitbringen und nur noch drübersingen wollen. Ich bin Dienstleister – aber manchmal weiß ich nicht, was ich davon halten soll.

Lommer:
Was würdest du Metalbands raten, die zum ersten Mal ins Studio gehen?

Jörg Uken:
Spielt eure Songs vorher als Band durch – nicht jeder für sich.
Bands wie High On Fire arbeiten so: zusammen im Raum, Energie spüren.
Und: Spielt zehn Prozent unter eurer Grenze. Wer permanent am Limit spielt, klingt verkrampft.
Power entsteht durch Kontrolle – nicht durch Tempo.
Ich messe Drumming an Leuten wie Dave Lombardo: Energie, Wucht, Präsenz.

Lommer:
Das ist ein starkes Schlusswort. Danke dir.

Jörg Uken:
Gerne.