Mystery: das Geheimnis um die Band ist gelüftet

Erste offizielle Wiederveröffentlichung des einzigartigen Albums von 1988

1988 machte sich ein Mitarbeiter der Firma Noise Records selbstständig und gründete TRC (The Record Company). Neben Battlefield (EP We Came To Fight), den Dirty Strangers (mit Mitgliedern der Rolling Stones) und der spanischen Hardrockband Helpless, gab es diese seltsame Platte mit dem futuristischen Auge auf dem Cover: Mystery. Schon bei Veröffentlichung im Jahr 1988 hat die LP gnadenlos polarisiert. Während man sich im deutschen Metal Hammer mit drei Punkten und einer etwas hilflos wirkenden Kritik zufriedengeben musste, erntete man im englischen Kerrang eine Vier-K-Wertung und Aussagen wie „Was wir hier haben ist der interessanteste Progressive-Thrash-Crossover, den ich seit Langem gehört habe“. Rückblickend ist dennoch klar: Für dieses Album war die Welt 1988 noch nicht bereit!

Hört man sich die hochgradig eigenwilligen und definitiv auch einzigartigen Stücke von Mystery an, dann kann man bereits vermuten, dass hier keine jungen Heavy Metal Fans am Werke waren, die auf den Pfaden ihrer Idole wanderten. Die Songs stecken voller Ideen, die die meisten Metalmusiker niemals in dieser Form gehabt hätten. Und auch die Umsetzung ließ schon immer den Verdacht aufkommen, dass hier Profimusiker aus einem anderen Genre beauftragt wurden, ein Heavy Metal Album zu schreiben und aufzunehmen – natürlich standesgemäß mit Künstlernamen wie The Lion oder Mike Battista. Genau dies hat sich nun nach Jahren der Nachforschungen bewahrheitet und wird nun erstmals enthüllt. Daher dürfte die Scheibe auch bei einer anderen Zielgruppe (Krautrock, 70s, Deutschrock) zu einem Objekt der Begierde werden…

Hier nun erstmals das Line-Up dieser Metalband, die eigentlich keine war:
Leo LehrInterzone, Pudelko
Hansi WallbaumInterzone, Curly Curve, Hamburg Blues Band, Stoppok, Pudelko
Ingo BischofKraan, Lake, Karthago, Guru Guru, Atlantis, Birth Control
Gert LangeHamburg Blues Band, Mike Harrison

Das Booklet enthält Liner Notes von Sänger „Gerald L.“, die die Hintergründe (inklusive Namen und Orten) erzählen. Dazu gesellt sich Neudi (Manilla Road, Trance, A&R bei Golden Core), der als großer Fan der LP seit den Neunzigern an der „Aufklärung des Falles Mystery gearbeitet hat und erst 2022 damit Erfolg gehabt hat. Dies hat zeitgleich zur Wiederveröffentlichung geführt, nachdem die Rechteverhältnisse (es gibt nur noch einen lebenden Musiker der Mystery-Besetzung: Gert Lange) geklärt werden konnten.

Auch heute wird nicht jeder Metalfan in die Welt von Mystery hineinfinden, doch wer es schafft, hat ein Album fürs Leben gefunden und muss sich der Suchtgefahr hingeben. Gleichförmige Metalalben gab es in den letzten 40 Jahren schon genug und gerade heute gilt es die Platten zu entdecken, die bei Release keine Chance hatten, weil sie ihrer Zeit voraus waren, oder eben schlichtweg zu ungewöhnlich und einzigartig. Das neue Wissen, dass hier auch wirklich Koryphäen aus einem anderen Stilbereich am Werke waren, liefert lediglich den endgültigen Beweis für die Qualität dieses Albums…welches es garantiert nur einmal auf der Welt gibt!

Die „Platte mit dem Auge drauf“ wird sie in Szene- und Sammlerkreisen gerne genannt. Metal Forces (USA) und Kerrang (UK) gaben dem seltsamen Album mehr als positive Wertungen, während der deutsche Metal Hammer regelrecht hilflos erschien. 1988 gab es zwar schon Subgenres, doch das Korsett saß noch ziemlich fest, so dass Mystery für viele Fans und Presseleute einfach seiner Zeit voraus war. Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn das Album klingt auch heute noch kauziger und einfach anders als 99% der Neuveröffentlichungen. „Diesen Sound gibt es nur einmal und das ist eben auf dieser Platte“, sagt Golden Core A&R und Mystery-Fan Andreas „Neudi“ Neuderth. „Mir war immer klar, dass es sich hier nicht um eine normale oder echte Band handelt, denn Metalmusiker würden weder auf diese Weise komponieren, noch spielen. Aber man hört auch die hohe Qualität der Beteiligten, die sich hinter Pseudonymen versteckten. Mystery hatten die Nase einige Längen vor vielen der echten Metalbands“, führt er aus. Seit über 20 Jahren versucht er herauszubekommen, wer denn genau auf Mystery spielt und singt. Immer wieder führten die Forschungen ins Nichts oder zu anderen Acts mit gleichem Namen. Erst 2022 konnte der Kontakt zu Gerald L., dem Sänger, hergestellt werden und man landete bei der renommierten Hamburg Blues Band. Deren Vokalist Gert Lange ist Gerald L., der letztendlich auch die Wiederveröffentlichung auf Golden Core/ZYX (gerade erschienen!) möglich gemacht hat. Leider sind die restlichen Mysteries nicht mehr am Leben, gelten aber in Rock-. und Krautrockkreisen als Legenden.

Diese gestandenen Musiker wurden vom Inhaber der kurzlebigen Plattenfirma TRC Records (Berlin) gefragt, ob sie nicht eine Heavy Metal-Scheibe schreiben und aufnehmen könnten. Und dies geschah dann 1988 in den Interzone Studios Berlin, innerhalb von nur wenigen Tagen. Was als Auftrag begann, entwickelte sich für die Beteiligten zum Spaß und der Anspruch, ein „möglichst hartes und verrücktes Album zu machen“ stieg schon nach wenigen Stunden. Leider war die Plattenfirma zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Frühling 1988 schon wieder Geschichte und Mystery bekamen im Grunde keine Chance. Das ändert jetzt die erste (!) Wiederveröffentlichung auf CD (und 2013 auch Vinyl) auf Golden Core/ZYX. Neben dem remasterten Sound findet man dort die gesamte Geschichte und das Phänomen Mystery beschrieben im Booklet (Gert Lange, Neudi).