“In alle (Wind-)Richtungen offen“
Artist: Port Noir
Herkunft: Södertälje, Schweden
Album: Any Way The Wind Carries
Spiellänge: 48:34 Minuten
Genre: Progressive Rock, Post Rock
Release: 01.04.2016
Label: Century Media Records
Link: https://www.facebook.com/portnoirofficial und http://www.portnoir.com/
Produktion: von Daniel Bergstrand (Produktion) und von George Nerantzis (Mastering)
Bandmitglieder:
Gesang und Gitarre – Love Andersson
Gitarre und Backgroundgesang – Andreas Hollstrand
Schlagzeug – Andreas AW Wiberg
Tracklist:
- Any Way The Wind Carries
- Earth
- Vous Et Nous
- Black From The Ink
- Onyx
- Diamond
- Beyond The Pale
- Fur, Rye
- Exile
- The Sleep
- Come What May
- The Oak Crown
Die drei Mitglieder von Port Noir fanden sich im Jahr 2011 zusammen, weil sie irgendwie das Gefühl hatten, sie müssten mal über den musikalischen Tellerrand hinausschauen und unsichtbare Genregrenzen aufbrechen. Sie wollten nicht in eine bestimmte Kategorie gepresst werden sondern sich offen den von außen kommenden Einflüssen gegenüber zeigen und diese in ihre Werke einfließen lassen. So wurde gleich bei einem der ersten Treffen der Song Sun Dè Man produziert und mitsamt Video bei YouTube hochgeladen. Dort wurde der Song von niemand Geringerem als Anders Fridén (In Flames) entdeckt, der ihn als einen der besten Songs, den er seit langem gehört habe, bezeichnete. Kurze Zeit später hatte man dann den ersten Plattenvertrag in der Tasche, und in 2013 erschien das Debütalbum Puls. Nach der EP Neon aus 2015, in der Port Noir sämtliche Genregrenzen hinter sich gelassen hatten, erscheint nun am 01.04.2016 über Century Media Records das zweite Album Any Way The Wind Carries, und diesen Titel darf man wörtlich nehmen.
Gleich mit dem Titeltrack beweisen Port Noir, dass es Genregrenzen für sie wirklich nicht gibt bzw. diese dazu sind, sie zu überschreiten. Der Track fängt sehr wuchtig an, der Kontrast zum Gesang von Love Andersson könnte viel größer nicht sein. Mich erinnert er an einen Hybrid aus den wunderbaren Stimmen von Arnór Dan Arnarson (Agent Fresco) und Einar Solberg (Leprous), die einen ebenfalls nicht niederdrücken, sondern das Herz und alle Sinne öffnen.
Ganz kurz gesagt könnte man Any Way The Wind Carries mit den Worten „Agent Fresco meets Soen meets Leprous“ beschreiben, und zwar in dieser Reihenfolge. Dieses Album, das überwiegend im Down- bzw. Midtempo gehalten ist, von gelegentlichen Eruptionen mal abgesehen, ist dermaßen abwechslungsreich, dass ich auch nach fünf Hördurchläufen immer noch wieder etwas Neues entdeckt habe. Der eingängigste Song dürfte dabei Onyx sein, zu dem gerade ein Video veröffentlicht wurde, der aber nicht wirklich stellvertretend für dieses Album steht. Der Einsatz der Synthesizer im Track Beyond The Pale erinnert mich ein wenig an Depeche Mode, was wieder die Experimentierfreudigkeit von Port Noir beweist. Demgegenüber wälzen sich Fur, Rye und Exile zäh wie Lava aus den Boxen und faszinieren mich beim Zuhören genauso, wie mich Videoaufnahmen von den Berg hinabwabernden Lavamassen faszinieren. Sehr, sehr ruhig geht es mit The Oak Crown dem Ende des Albums entgegen, und in der danach einsetzenden Stille schwirrt es in meinem Kopf, wie in einem Bienenstock, und ich versuche, diese Masse ein Eindrücken zu verarbeiten.
Ich weiß gar nicht, wo ich mit meinen Lobeshymnen für dieses Album starten soll. Das fängt natürlich schon beim Schreiben der Songs an, denn Port Noir bauen hier einen Spannungsbogen nach dem anderen auf, führen diese Spannung entweder sehr gekonnt weiter oder lassen den Bogen sanft zurückgleiten. Den roten Faden verlieren sie jedenfalls nie. Dann geht es weiter mit der direkt hörbaren Spiel- und Sangesfreude der Musiker. Da klingt nichts so, als ob man jetzt zwangsweise ins Studio gegangen ist, um das neue Werk einzuspielen, sondern die drei Jungs wollten jetzt halt spielen. Die Produktion ist ebenfalls hervorragend, da gibt es keinen Klangbrei, da geht nichts unter, alles ist so zu hören, wie es sein sollte.