Pure & Crafted 2023 am 07.07. und 08.07.2023 im Nåpoleon Komplex, Berlin

Das Pure & Crafted ist zurück im Herzen der Hauptstadt

Festivalname: Pure & Crafted 2023

Bands: G’emma, Power Plush, M.Rider, Circa Waves, Shelter Boy, Drangsal , Temmis, Daada, Body Type, Felizia, Soffie, Cari Cari , Whispering Sons, Beachpeople, WU-LU, Zimmer90, VØR

Ort: Nåpoleon Komplex, Berlin

Datum: 07.07.2023 – 08.07.2023

Kosten: 34,95 Euro

Genre: Indie, Rock und Pop

Besucher: ca. 6.000

Link: https://pureandcrafted.com

Von der Messe an die Spree. Das Pure & Crafted ist zurück im Herzen der Hauptstadt. Im dritten Anlauf nach der Pandemie ist es vom 07.07. bis 08.07.23023 wieder an der Zeit, sich neu zu erfinden und so kommen neue Töne aus den Boxen der Festivalbühnen. Doch auch wenn der Sound neu ist, bleibt die Leidenschaft für das Motorrad. Seit das Pure & Crafted 2015 in Berlin aus der Taufe gehoben wurde, steht es vor allem für eines: Experimentierfreude.

Im urbanen Kreuzberg befindet sich der Nåpoleon Komplex, ein altes Gelände mit industriellem Charme. Hier hat das Pure & Crafted Festival seine neue Heimat gefunden. Wie in den vergangenen Jahren ist BMW Motorrad auch in diesem Jahr wieder Sponsor der Veranstaltung. Für uns hat sich Jessica G. ins Festivalgetümmel gestürzt und Bilder und Texte produziert.

Pure & Crafted 2023

Der Sommer ruft und zu einem richtigen Sommer gehören natürlich Motorradsound und Festivalvibes. Beides vereint findet man auf dem Pure & Crafted mitten in Berlin. Also auf in die Hauptstadt der Nation. Statt einem Tag Festivalfeeling wie im letzten Jahr erwarten uns zwei Tage mit verschiedenen Acts, Musik, Skatern, BMXern und sogar einem kleinen Ausflug ins Kino. Da ich in Berlin wohne, ist eine Übernachtung nicht notwendig. Für alle anderen gibt es ein ausreichendes Angebot an Hotels in der näheren Umgebung.

Mit lautem Getöse zum ersten Festivaltag

Gleich nach der Ankunft heißt es: Gelände erkunden, Fotos machen. Der Nåpoleon Komplex ist von den Dimensionen her natürlich deutlich komprimierter als der Sommergarten, der in den letzten beiden Jahren Austragungsort des Pure & Crafted war. Recht übersichtlich, besticht das Gelände durch seinen industriellen Charme. Am Eingang erhalte ich ein Programmheft, das mir den Ablaufplan verrät und einen Überblick über das Gelände gibt. Gut verteilt befinden sich draußen der Skaterplatz und weiter hinten die Außenbühne – Helena Stage.

Mein erster Künstler tritt aber drinnen auf, auf der sogenannten Diffuse Stage. Doch bevor es dorthin geht, schauen wir uns die Wheels Area an. Hier werden unter anderem Custom Bikes von Hookie Co. und Vagabund Moto präsentiert. Beim Rundgang stelle ich fest, dass die Anzahl der Aussteller geringer ist als im Vorjahr. Dafür ist die Stimmung in der Halle genauso leidenschaftlich wie bei der letzten Auflage.

Pure & Crafted 2023

G’Emma – so heißt die Sängerin, die das Pure & Crafted Festival 2023 eröffnen wird. Mit ihren jazzigen Klängen und ihrer kraftvollen Stimme gibt sie dem Festival den richtigen Auftakt. Ihre Leidenschaft für die Musik und die Freude, mit ihrer Band aufzutreten, spiegelt sich auch in ihrer Bühnenpräsenz wider. Starke Gesichtsausdrücke und eine kraftvolle Stimme bringen auch das Publikum in Bewegung. Nach dem souligen Auftakt geht es weiter zur Außenbühne, wo mich die Ladys von Power Plush erwarten. Statt sanftem Mädchengesang, wie der Bandname vermuten lässt, erwarten mich fluffige Indiesounds im rockigen Gewand. Dazwischen der eine oder andere Post-Punk-Sound. Die Damen rocken die Bühne, lassen die Gitarren glühen und zeigen, dass sie ihren männlichen Kollegen in Sachen Rockflair auf der Bühne in nichts nachstehen.

Es ist schon früher Abend und draußen sind es 32 Grad. Ein Grund mehr, sich auf den nächsten Act auf der Diffuse Stage zu freuen. Die kroatische Sängerin Mirna Stanic, kurz M.Rider, ist als Dritte an der Reihe. Nach den anstrengenden Vorgängern sorgt sie für entspannte Vibes. Ihr Musikstil: Pop-Rock in Richtung 80er, vielleicht auch 90er. Nach kurzer Stärkung geht es direkt zur Helena Stage, auf der mich die britische Band Circa Waves mit ihren treibenden Indie Rock Klängen erwartet. Zum besten geben sie eine Auswahl aus ihren fünf Alben. Mit einem fliegenden Wechsel geht es wieder Richtung Halle zum Auftritt von Shelter Boy. An der Stelle kann ich euch schon verraten, dass dieser Auftritt mein Highlight des ersten Festivaltages ist. Die Leidenschaft, mit der Shelter Boy und seine Shelly-Familie die Bühne rocken, lässt mir keine andere Wahl, als mich mitreißen zu lassen.

Pure & Crafted 2023

Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum bringen sie die Menge und sogar den Boden mit ihren musikalischen Einlagen zum Beben. Und das alles ohne Schnickschnack wie eine Feuershow, sondern gute alte Unterhaltung. Völlig geflasht zieht es mich schon zum vorletzten Auftritt des Tages und zu einem weiteren Highlight. Drangsal beehren das Pure & Crafted mit ihrem ersten und einzigen Auftritt im Jahr 2023. So präsentiert sich Max Gruber, der Mann hinter dem Namen Drangsal, auf der Bühne: Hallige Gitarrenklänge, ein treibender Bass und ein Hauch von Vintage durchdringen die Luft und lassen Fans und Zuhörer mitfiebern. Wer ein offenes Ohr für New Wave und Post Punk hat, kommt beim Auftritt des gebürtigen Pfälzers und seiner Band voll auf seine Kosten.

Den krönenden Abschluss des Abends bildeten Temmis. Auf der Diffuse Stage präsentieren die Tübinger ihre Mischung aus Post-Punk und New Wave, gepaart mit Sounds aus den 80er-Jahren. Ein mitreißender Auftritt, der nicht zuletzt der Bühnenpräsenz der Jungs zu verdanken ist und mich meinen ersten Festivaltag zufrieden beenden lässt. Für die Tanzwütigen legen ab 23 Uhr DJs auf. Verwandeln das Festivalgelände in einen Dancefloor aus Stroboskoplicht, Nebel und Konfetti mit House-Flair.

Neuer Tag, neue Sounds – auf zum zweiten Festivaltag

Ausgestattet mit allem, was ein Festival braucht, genügend Speicherplatz für die Bilder und Akku für die Kamera, geht es zum zweiten Tag vom Pure & Crafted 2023. Statt um 15 Uhr, wie im Vortrag angekündigt, beginnt das Festival bereits um 12 Uhr. Zum Glück ist der erste Künstler erst um 13:30 Uhr dran. Mit Beachpeople startet Malte Huck sein erstes Soloprojekt. An dieser Stelle mag der eine oder andere aufhorchen. Malte Huck war langjähriger Bassist der Band AnnenMayKantereit, bis er 2022 beschloss, die Band zu verlassen und sein eigenes Ding zu machen. Mit Beachpeople schlägt er Klänge in Richtung Folk und Indierock an. Ideal für den Start in den Festivaltag, nicht zu drängend und nicht zu soft.

Pure & Crafted 2023

Bevor mich beim zweiten Gig die Hitze einholt, verkrieche ich mich nur zu gerne im Innenraum und im zweiten Akt. Hinter Daaada verbirgt sich eine deutsch-kolumbianische Künstlerin. Mit ihrem mehrsprachigen Mix aus Pop und Indie und den leidenschaftlichen Rhythmen bringt sie Stimmung und Schwung in den Tag. Im fliegenden Wechsel geht es von drinnen nach draußen zu geballter Frauenpower. Mit ihrer Band Body Type ist die vierfache Australierin mittlerweile weltweit unterwegs. Ihre Musik ist gegen die bestehende Ordnung und für mehr Spaß. Wild und rockig sind die Klänge, die einem von der Bühne entgegenschlagen. Fast automatisch wippt man mit bei den melodischen Gitarrenklängen und kleinen Soloeinlagen. Ein vertrautes und rockiges Erlebnis.

Nach der Dameneinlage geht es weiter. Die Berlinerin Felizia verzaubert das Publikum mit melancholischen Klängen. Mit ihrem Indie-Pop orientiert sie sich stark an amerikanischer Folkmusik und eher entspannten Klängen. Nach diesem sanften Zwischenspiel ist es Zeit für Wu-Lu. Der Londoner tritt auf der Außenbühne auf. Seine Musik zeichnet sich durch starke Gitarreneinlagen, Grime und Punk aus. Mir ist es ehrlich gesagt etwas zu ruhig, weshalb ich nach den drei Songs die Gelegenheit ergreife und mich ins Festivalkino begebe. Dort werden vier Kurzfilme vom Lisbon Motorcycle Film Fest gezeigt. Dieses kleine Intermezzo bringt mir das Motorradfeeling zurück, das mir ansonsten auf dem Festival teilweise schon sehr fehlt. Natürlich gibt es einige Custom Bikes im Showroom, aber wer die Pure & Crafted vom letzten Jahr kennt, den enttäuscht die Anzahl doch sehr.

Die Energiereserven wieder aufgefüllt, geht es zum sechsten Gig des Tages. Mit Soffie betritt ein wahres Energiebündel die Diffuse Stage. Ihre Musik lässt sich am besten als elektronischer Pop beschreiben. Besonders auffällig ist ihre Bühnenperformance, die energiegeladen und enorm ausdrucksstark ist. Zu sehen, wie viel Spaß Soffie dabei hat, macht einfach noch mehr Spaß. Die Jungs der Band Zimmer 90 sind der nächste Act. Die Stuttgarter bringen eine Prise Elektro-Indie-Pop mit auf den Festivaltag. Bass, E-Drums und Synthies bilden die Basis.

Pure & Crafted 2023

Mit fetten Bässen und Indie-Pop geht es bei VØR weiter. Ihr Sound erinnert an Lana Del Rey und ist sehr eindringlich, poppig, aber auch düster. Vor allem die kraftvolle Stimme reißt mich mit. Zum Abschluss des Festivals hält das Pure & Crafted zwei Highlights bereit. Das erste ist die Band Cari Cari, die direkt nach VØR im Außenbereich spielen. Das Duo aus Österreich bietet in seiner Liveshow einen wilden Ritt. Neben ihrem Outfit, das sowohl an Cowgirls als auch an die Siebzigerjahre erinnert, prägen ein Didgeridoo und ein Banjo den Auftritt. Musikalisch entführen Cari Cari in die Siebziger, Neunziger und in die Jetztzeit – ein bunter Sack voller Rhythmen.

Whispering Sons bilden den Abschluss des gesamten Festivals. Die Belgier rocken die Bühne mit ihrem dynamischen Post-Punk. Vor allem Frontsängerin Fenne Kuppens prägt mit ihren dramatischen Texten, untermalt von passender Mimik und Gestik, den Bühnenauftritt. Düster, intensiv und besonders sind die Worte der Wahl, um den Auftritt und den Abschluss des Pure & Crafted im Jahr 2023 zu beschreiben.

Nach meinem zweiten Jahr auf der Pure & Crafted kann ich nicht umhin, eine vergleichende Bilanz zu ziehen. Innerhalb eines Jahres haben sich sowohl die Musikauswahl als auch die Location verändert. Zu meinem Bedauern ist das Thema Motorrad in meiner Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt. Aus den doch sehr rocklastigen Tönen ist eine eher alternative Indie- und weibliche Stimmung geworden. Versteht mich nicht falsch, ich glaube weder, dass Frauen nicht genauso rocken können wie Männer, noch habe ich etwas gegen Indie. Dennoch muss ich feststellen, dass für den wirklich rockaffinen Festivalbesucher das Festival im Vergleich zum Vorjahr nicht wirklich erwähnenswert ist, was den Wert des Festivals an sich nicht schmälern soll.