Sons Of Apollo – MMXX

Da hat sich gefunden, was unbedingt zusammengehört

Artist: Sons Of Apollo

Herkunft: USA

Album: MMXX

Spiellänge: 58:39 Minuten

Genre: Progressive Rock, Progressive Metal, Hard Rock

Release: 17.01.2020

Label: Inside Out Music

Links: https://www.sonsofapollo.com
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https://www.twitter.com/SonsOfApollo1

Produktion: Derek Sherinian und Mike Portnoy (The Del Fuvio Brothers), Aufnahme der Drum-Tracks in den Ocean Studios in Burbank, Mix von Jay Ruston, Cover-Artwork von Thomas Ewerhard

Bandmitglieder:

Gesang – Jeff Scott Soto
Gitarre, Gesang – Ron “Bumblefoot” Thal
Bassgitarre – Billy Sheehan
Keyboards – Derek Sherinian
Schlagzeug, Gesang – Mike Portnoy

Tracklist:

  1. Goodbye Divinity
  2. Wither To Black
  3. Asphyxiation
  4. Desolate July
  5. King Of Delusion
  6. Fall To Ascend
  7. Resurrection Day
  8. New World Today

Ein neues Jahr, ein neues Jahrzehnt und Sons Of Apollo ließen sich genau hiervon inspirieren. Das neue Album trägt den Titel MMXX (übersetzt: 2020). Es ist das zweite Studioalbum seit 2017 und hier lasse ich die Live With The Plovdiv Psychotic Symphony DVD vom 30.08.2019 mal außen vor. Wer sich mit dem Debütalbum Psychotic Symphony intensiver auseinandergesetzt und daran Gefallen gefunden hat, der wird die Veröffentlichung des neuen Longplayers wohl kaum erwarten können. Die fünf Ausnahmemusiker, die sich ausnahmslos den progressiveren Tönen verschrieben haben, hatten zur Produktion der Scheibe nun weitaus mehr Zeit sich besser kennenzulernen und musikalisch aufeinander einzulassen. So war die Prognose durchaus berechtigt, dass aufgrund dieser Tatsache allein das Songwriting noch perfekter von der Hand gehen würde. MMXX wartet bei einer üppigen Spielzeit von knapp 59 Minuten mit lediglich acht Songs auf, was sicher genretypisch ist. Ich brauche an dieser Stelle sicher nicht auf die hervorragenden technischen Fähigkeiten der einzelnen Protagonisten eingehen, denn deren Namen stehen für Virtuosität, Qualität, langjährige Erfahrung und wahren Groove im Blut. Hier haben sich derart technisch versierte Musiker zusammengefunden, die, wie selten eine Band zuvor, den progressiven Rock leben und auf der Bühne als musikalischen Hochgenuss zelebrieren. Spielfreude ist zu jeder Sekunde garantiert.

MMXX startet mit Goodbye Divinity unvergleichlich mit epischer Note und einer reichhaltigen Fülle von instrumentellen Spezialitäten – war eigentlich auch nicht anders zu erwarten. Nicht zuletzt glänzt Jeff Scott Soto am Mikro und begegnet den ohnehin schon durchweg harmonischen Strukturen gleichermaßen melodiös. Was ich zu Portnoys Zeiten bei Dream Theater schon immer sehr schätzte, war sein auf den Gitarrenrhythmus zentriertes Drumming. Das ist in dieser Ausprägung gänzlich einzigartig und unterstützt den Groove grandios.

Wither To Black kommt mit einem Solo-Drumpart anfangs sehr roh und noch ungeschliffen, dafür aber mit vehementer Wucht vorgetragen daher. Eine pure Rocknummer, die sich mit zunehmender Dauer ebenfalls in progressiven Ergüssen präsentiert. Geht richtig vorwärts und lässt den Rock ’n‘ Roll des Songs in Sons Of Apollo Manier erstrahlen. Die sonore Stimmgewalt von Jeff Scott Soto tut das ihre dazu. Seine Range bewegt sich in gewohnten Gefilden und wird sehr opulent und angekratzt moduliert. Der Refrain, der mich ein wenig an God Of The Sun des Debütalbums erinnert und schon deshalb hängen bleibt, weiß zu überzeugen.

In Asphyxiation zeigen sich die Herren verspielter und lassen ihre jeweilige individuelle Kunst aufblitzen. Das wirkt beinahe schon psychedelisch, zumindest aber technisch herausfordernd. Die Songstruktur ist mit sehr vielen instrumentellen Highlights angereichert und bietet alle Facetten des Begriffs Progressivität auf. Dadurch ist die Nummer in sich gesehen weniger eingängig aber dafür gedacht, gleich noch mal auf Play zu drücken. Das Geniale liegt in der Gleichberechtigung zwischen den Vocals und den Instrumenten. Dem Song liegen trotz seiner Komplexität eine vorzügliche Härte und Groove inne.

Sons Of Apollo können sich auch ruhig und in Gedanken verborgen zeigen. So darf Desolate July als Ballade bezeichnet werden. Kirchturmglocken leiten sanft in Klavierklänge über, bis Jeff tiefsonor und gleichermaßen einfühlsam die Harmonie begleitet. Aber die Komposition ist darauf abzielend, mit sehr viel Emotion und Ausdruck in eine sagenhaft druckvolle Bridge mitsamt Refrain überzugehen. Die Struktur scheint übersichtlich bis einfach gehalten, doch bei genauerem Hinhören offenbart sich in dieser Nummer das schier nie endende Potenzial dieser Musiker. Desolate July ist als sanftmütiger Ausreißer zu bezeichnen, lockert das Gesamtbild bisher jedoch vielsagend auf.

Was geschieht in King Of Delusion? Wird das ein Klaviersolo? Zumindest brilliert hier Derek Sherinian auf seine ganz eigene Art und Weise. Letztlich geht es im Anschluss an dieses Intro dann recht zünftig weiter zu Werke. Das klingt gar mehr nach Metal und bringt ziemlich viel und beeindruckenden Druck mit sich. King Of Delusion kommt von der inne liegenden Atmosphäre einer Geschichte gleich, deren Inhalt in beinahe neun Minuten mit vielen möglichen Akzenten erzählt wird. Hier werden diverse Einflüsse teils anderer Genres eingebaut und diese fordern den Hörer erneut heraus.

Nach diesem Exkurs in die höheren Sphären technischer Raffinesse kommt Fall To Ascend wieder logischer und nachvollziehbarer durch die Boxen. Jedoch nicht in Gänze. Auch hier prostituieren sich die Herren im positiven Sinne mit all dem, was der liebe Herrgott ihnen als Talent mitgegeben hat. Die Vocals setzen dem Reigen insofern die Krone auf, dass abermals keine Kluft zwischen den beiden Extremen entsteht und somit vollkommen rund abfließt.

Da höre ich den Charme alter Rainbow Klassiker heraus. Resurrection Day hat das, was gemeinhin als Charakteristik einer Band bezeichnet wird. Die epische Note wird sehr atmosphärisch und mystisch dargeboten und bildet zugleich die Headline. Hierin verbirgt sich hochintelligentes Songwriting. Resurrection Day hat deshalb den berechtigen Anspruch, als zweifelsohne sehr ernsthafter und gelungener Song zu gelten.

Den Abschluss bildet New World Today mit epischen sechzehn Minuten Spieldauer. Gleich zu Beginn erinnert mich der Song an Pink Floyd. Das psychedelische Moment steht hier klar im Vordergrund. Nur wären es nicht Sons Of Apollo, wenn sich das nicht sicher noch ändern dürfte. Dennoch, die getragene Basis bietet den Herren die geeignete Plattform, sich mannigfaltig auszutoben. Und so kommt es dann auch. Wo in anderen Songs der Gesang eine monumentale und wichtige Funktion einnimmt, sind es hier zudem die Instrumente. Allen voran die Keyboards und die Gitarre, gefolgt von einem zu jeder Zeit akzentuierten Bass, der von den Drums zielsicher geführt wird. Die unterschiedlichen Parts stehen sich stets ausgewogen gegenüber, sodass der gesamte Eindruck des Songs nicht zu komplex anmutet. Natürlich bekommen die Instrumentalisten ausreichend Raum sich zu entfalten. Das sind dann die Momente, wo der geneigte Hörer womöglich aussteigt, nicht, weil es ihm nicht gefallen würde, sondern weil er dieser Präzision gegebenenfalls ohne eigene instrumentelle Erfahrung blank gegenübersteht. Musik von Musikern für Musiker? Sicher auch, aber nicht nur. Zumindest ist dies keine Bedingung, um sich Sons Of Apollo zuzuwenden. Aber wer selbst eines dieser Instrumente beherrscht, der kann sich wohl schneller und leichter ein Bild darüber machen, was hier abgeliefert wird. Letztlich sind sechzehn Minuten eine Hausnummer und entscheiden eben auch über den Willen, sich in New World Today vollkommen hineinzuhören.

Sons Of Apollo – MMXX
Fazit
MMXX ist nicht weniger als das Ergebnis von hochtechnischer Perfektion. Das alles klingt so mühelos, so selbstverständlich, dass einem nicht selten die Worte fehlen. Dabei gehen Sons Of Apollo keinerlei Kompromisse ein und folgen in den Kompositionen ganz einfach ihrer Lust. Wohl dem, dem diese Gottesgnade zuteilgeworden ist, denn ganz so einfach scheint es in der Umsetzung dann doch nicht zu sein. Aber die Jungs können das halt. Einziger Knackpunkt für die breite Masse könnte der genretypische Hang zur technischen Ausprägung sein, daran werden sich vor allem die Genreliebhaber allerdings vollkommen ergötzen können. Besonders hervorzuheben sind meiner Meinung nach die Vocals von Jeff Scott Soto, der in der Lage ist, dieser Art von Musik seinen Ausdruck zu verleihen. Es ist sicher aber auch ein Album, an dem man sich reiben kann. Bei mir hingegen führt es zu einer sehr hohen und deshalb berechtigten Punktzahl.

Anspieltipps: Goodbye Divinity, Wither To Black und Resurrection Day
Peter H.
9.3
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