Time For Metal Zeitreise – Cannibal Corpse – Gallery Of Suicide

Klassiker von damals neu gehört - mit René W. und Florian W.

In dieser Kolumne plaudert Redakteur Florian W. mit Chefredakteur René W. ein bis zweimal im Monat über einen Klassiker der Metal- und Hardrock-Geschichte. Der Fokus liegt dabei nicht auf Bands aus der zweiten Reihe oder auf vergessenen Underground-Perlen. Die Time For Metal Zeitreise ist die Bühne für die einflussreichen und großen Bands unserer Szene. Hier wird über deren Alben gefachsimpelt, sich erinnert, diskutiert und manchmal auch gestritten. Von Fans für Fans.

Lehnt euch gemütlich zurück und erinnert euch mit uns an die alten Zeiten und die großen Momente, die uns alle so sehr geprägt haben.

Heute: Cannibal CorpseGallery Of Suicide aus dem Jahr 1998

Florian W.:
Death Metal? Das ist doch nur Krach! So reagieren vermutlich die meisten, die sich für ultrahart halten, aber in ihrer Plattensammlung als „bösestes“ Werk doch nur Slipknot oder Five Finger Death Punch vorweisen können. Puh, da musste ich erst mal schauen, ob wir das Genre überhaupt schon in den vergangenen 20 Zeitreisen hatten. Tatsächlich bin ich neben Hartwurstscheiben von Slayer, Dimmu Borgir und Sepultura nicht fündig geworden. Wird also höchste Zeit. Besser als mit den Urgesteinen von Cannibal Corpse könnten wir gar nicht ins Thema Todesblei einsteigen. Wir halten mit unserer Zeitmaschine in der Selbstmord-Galerie der alten Leichenschänder aus den USA. Das sechste Studioalbum Gallery Of Suicide (1998) soll unser Thema sein. Das zweite Album mit George „Corpsegrinder“ Fisher am Mikro und das erste mit Pat O’Brien an der Leadgitarre, der von Nevermore zur Death-Metal-Maschine wechselte. Ihm war es auch zu verdanken, dass man sich erstmals deutlich von den klassischen Wurzeln des Old School Death Metal entfernte und komplexere, gar progressive Strukturen in den vernichtenden Sound einfließen ließ. Anders, aber nicht weniger tödlich. Genau wie Teenager in einem Horrorstreifen laufen wir geradewegs in unser Verderben.

Wie auch schon bei anderen Zeitreisen, kommt wieder der Einfluss meines älteren Bruders zum Tragen. Schon im einstelligen Alter kam ich durch ihn mit Bands wie Benediction, Obituary und Pestilence in Kontakt. Obwohl ich glaube, dass ein löchriger Longsleeve mit dem Eaten Back To Life schon lange meine Garderobe schmückte, kamen Cannibal Corpse erst deutlich später dazu. Vermutlich im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Als meinen Kumpels und mir Bands wie Metallica und Slayer nicht mehr hart genug waren, musste etwas her, dass richtig „evil“ war. Vermutlich waren wir bei unseren obligatorischen Bestellungen im EMP nur auf der Suche nach dem brutalsten Cover. So landeten sowohl Bloodthirst als auch Gallery Of Suicide in meinem Besitz. Das war anders, das war krass – einfach fuckin‘ brutal! Dieser harsche Wechsel von Growls zu Screams des Corpsegrinders war schon eine eigene Liga, in der er für mich bis heute spielt. Ich bin eindeutig Team Corpsegrinder, da kann der alte Kiffer Chris Barnes nicht mithalten. Dann diese wahnwitzigen Gitarrenläufe von O’Brien und Jack Owen. Dem Ganzen die Krone setzen aber die beiden bis heute verbliebenen Gründungsmitglieder Alex Webster (Bass) und Paul Mazurkiewicz (Drums) auf. Einfach unmenschlich, was diese Rhythmustruppe abliefert. Webster macht mir bis heute Angst, sowohl was seine Leistung am Bass angeht, als auch seine kranken Lyrics. 2007 durfte ich mich zum ersten Mal von den Livequalitäten auf einer legendären Clubshow in Hannover überzeugen. Trotz des Verbotes wurde auch der Kulthit Hammer Smashed Face gezockt. Wie ist es bei dir, mein lieber René? Was macht für dich die Faszination Cannibal Corpse aus? Das Gesamtkonzept, der Reiz des Verbotenen oder einfach nur die brutale Musik?

René W.:
Da haust du gleich eine mächtige Frage raus. Cannibal Corpse sind einfach ultrabrutal, bringen das letzte Zucken aus dem versterbenden Körper und leben aus meiner Sicht vom Corpsegrinder Fisher. Klar hat Chris Barnes mit einem starken Start die ersten Fäden der leblosen Marionetten gezogen, nur wenn man alleine die aktuellen Werke von Six Feet Under sieht, muss man wohl erkennen, dass für Chris meiner Meinung nach der Zenit schon lange überschritten wurde. Nach 13 habe ich Six Feet Under nur noch live gesehen. Über eins der ersten Alben oder Bringer Of Blood können wir aber auch gerne mal sprechen. Ich schweife ab, deine Frage war der Reiz und die Faszination. Als Jugendlicher findet man es natürlich total krass, wenn eine Band immer wieder Probleme mit dem Index hat. Meiner Meinung nach wurden Cannibal Corpse dadurch bei uns in Deutschland nur noch spannender. Auf das Live Cannibalism musste man z. B. in Deutschland länger warten und auch sonst wurden beim alten Material nur zu gerne Steine in den Weg gelegt. Meine ostwestfälischen Extreme-Metal-Kumpels mit zehn Jahren Altersvorsprung haben da die völlig irren Corpse-Zeiten noch mitgemacht, in denen Polizisten oder Ordnungsamt neben der Bühne standen, mit einem Block und Kugelschreiber, um zu notieren, ob indiziertes Material gespielt wurde. Das Ende vom Lied: Herr Fisher hat einfach auf das Ansagen der Titel verzichtet und so donnerte Hammer Smashed Face trotzdem aus den Boxen. Bis das Personal geschult wurde – was für ein Bullshit und Aufwand, das gibt es nur in Deutschland. Also kommen wir wieder auf die Magie zurück. Ich denke, es lag tatsächlich an der Brutalität und dem ganzen Drumherum, dass die Corpse jahrelang ein wichtiges Death-Standbein von mir waren. Alleine die Artworks oder Shirtdesigns, mehr kann man mit 16 bis 20 gar nicht provozieren. Wobei meine Eltern da die weiße Fahne gewedelt haben. Hören okay, aber die Shirts gab es nicht. 😀

Mein Sprung in das Genre folgte mit dem alten In Flames-Material. Ich höre immer noch gerne Pinnball Map oder das ganze Clayman-Album. Gleichzeitig wuchsen Hypocrisy in meinem Todesblei-Herz. Peter ist für mich ein Held in allen Belangen, ein Metalhead wie man sich ihn vorstellt, ein genialer Sänger, Produzent und Aushängeschild für den Metal. Die ersten beiden Alben Penetralia und Osculum Obscenum möchte ich wirklich nicht missen. Die letzten beiden Alben End Of Disclosure und Worship aber auch nicht. Mit in den Anfängen spielten wie bei dir Benediction und Obituary eine große Rolle. Unleashed waren ebenfalls immer mit am Start, bei Pestilence brauchte ich etwas länger, gleiches gilt für Gorefest, die ich zum Glück 2006 einmal live erleben durfte.

Jetzt bin ich völlig vom Kannibalen Leichenweg abgekommen. Als Jugendlicher ging es nach dem Heavy Metal auch schnell mit den Corpse weiter. Die Jungs von Nailed To Obscurity, vor allem Volker und der damalige Bassist Fimmi, hatten ein Faible für die Amerikaner, dadurch ging es bei mir auch recht schnell. Die aktuellen Releases zu der Zeit, Gore Obsessed und The Wretched Spawn, hatten immer einen Platz an geselligen Abenden. Älteres Material wie eben Gallery Of Suicide oder The Bleeding durften da nicht fehlen. Fimmi war großer Chris Barnes-Fan, wo er war, liefen auch Six Feet Under. 😀 Die Frage hat mich jetzt in den Schreibfluss getrieben – wie ist es bei dir, was hat dich angetrieben, die Amerikaner zu hören und welchen Stellenwert haben sie noch heute für dich? Dann sollten wir aber langsam mal aufs eigentliche Album eingehen. 😉

 

Florian W.:
Schön, dass ich dich mit dem Thema zu diesen Anekdoten animiert habe. Wie ich eingangs schon erwähnte, waren meinen Kumpels und mir die meisten Bands im fortgeschrittenen Teenager-Alter inzwischen zu brav geworden. Obwohl sich schon

Slayer, Sodom, Kreator und Konsorten in unseren Playern tummelten, musste es doch einfach was Krasseres geben. Der EMP-Katalog verriet uns die brutalsten Cover, womit man zwangsläufig bei Cannibal Corpse landete. Und das Rock Hard Magazin vergab wahnwitzige 9,5 Punkte für Gallery Of Suicide und grandiose 10 von 10 für Bloodthirst. Zu Recht, wie ich später selbst feststellen konnte. Die ganzen Geschichten mit dem Index und der Polizei bei Konzerten kamen uns natürlich auch zu Ohren. Ein nicht unwesentlicher Anteil war auch der aufkommende Erfolg von Musikvideos, obwohl YouTube noch nicht am Start war. Wenn man nur lange genug aufblieb, konnte man Sentenced To Burn auf MTViva entdecken, womit wir schon bei den Songs der Selbstmord-Galerie wären:

 

Dieses „alles und jeden wegrumpelnde“ Riff von Sentenced To Burn ist einfach herrlich. Generell möchte ich deine Frage zum aktuellen Stellenwert mit den Dampfwalzenriffs und dem sympathischen Gegrunze des Corpsegrinders beantworten. Ich meine, der Typ schreit sich die Seele aus dem Leib und liebt es, in seiner Freizeit Spielzeug für Kinder, die in Krankenhäusern und Hospizen sind, aus dem Greifautomaten zu angeln. Dann headbangt er wie kein Zweiter – Respect the neck! Obwohl es auf Gallery Of Suicide schon mehr Finessen und technisch komplexe Spielereien gibt, haut der Opener mit dem passenden Titel I Will Kill You alles weg. Dieses anschleichende Feedback der Amps ist nur die Ruhe vor dem Sturm, danach wird Kleinholz gemacht. Die Erzählungen deiner Kumpels, mit den Konzerten ohne das Ansagen der Songs stimmt mich traurig. Für mich gehören sie einfach zu CC. Ich könnte niemals auf so grandiose Ansagen wie „This one goes out to all the women out there“ oder um zum nächsten Song unserer Zeitreise-LP zu kommen: „This is about our favourite fucking subject, this is dead bodies and how to get rid of them – Disposal of the fucking booooody.“ Einfach großartig. Nur wegen solcher Sachen habe ich mir damals die in Deutschland indizierte Box 15 Year Killing Spree aus Holland kommen lassen. Disposal Of The Body ist fast noch krankerer Scheiß als I Will Kill You. Wie brutal wollt ihr in die Scheibe einsteigen? Cannibal Corpse: Ja! Und dann kommt dieser Groove von Sentenced To Burn. Wenn es in Richtung Midtempo geht, sind die Corpse nicht zu stoppen. Das haben sie auf dem aktuellen Album Violence Unimagined erneut unter Beweis gestellt. Über 30 Jahre im Geschäft und kein bisschen leise. Was meinst du zu den ersten drei Henkersmahlzeiten in der Galerie?

René W.:
Henkersmahlzeiten trifft es vorzüglich und ich stimme dir in allen Punkten ohne Abstriche zu. 15 Year Killing Spree ist natürlich auch eine Wucht, wie schon erwähnt schätze ich auch Live Cannibalism sehr. Wenn ein Opener I Will Kill You heißt, auch noch genauso klingt und dann noch vom Corpsegrinder eingesungen wird, dann ist der Name volles Programm. Der Start ist ein absoluter Killer und walzt alles nieder, was nur versucht, der tödlichen Strahlkraft von den Corpse zu entkommen. Wofür andere Stunden brauchen, schaffen die Amerikaner in unter drei Minuten. Angst und Schrecken verbreiten, dabei pulsierend die Riffs rausdrücken, als wäre die Halsschlagader aufgeschnitten und dabei wild den Propeller anschmeißen. Bei uns steht Herr Fisher für den Nacken des Todes, du hast die Jungs auch schon öfter live gesehen, standest du mal wenige Meter vom Corpsegrinder weg? Der Kerl zieht mit dem Hals mehr Laster bei DSF als die Berufsmuskelprotze. Unglaublich dieser Kerl, der ansonsten, wie du auch schon gesagt hast, sehr sympathisch scheint. Er lächelt gerne, ist ein höflicher Zeitgenosse und postet gerne Familienbilder. In dieser Person leben mehr als nur zwei Menschen, was George zu einem ganz besonderen Musiker formt.

Zwischen I Will Kill You und Disposal Of The Body möchte ich definitiv keine Bewertung ziehen müssen, auch wenn du mich dazu wohl wieder am Ende dieser Zeitreise nötigen wirst. Die Power aus dem Lauf von Disposal Of The Body hämmert mich jedes Mal an die Wand. Das Duo hat, da stimmst du mir sicher zu, Kultstatus und gehört wie der Titeltrack Gallery Of Suicide zu jeder guten Show. Alleine der Anfang von Disposal Of The Body bringt das Herz zum Beben. Immer drauf, keine Kompromisse, das wilde Schlachten geschieht dennoch rhythmisch, mit einem ganz klaren Ziel, dem Hörer das Messer an die Kehle zu drücken. Das Groove-Monster Sentenced To Burn erdet das Trio. Obwohl er im Midtempo aufläuft, ist er nicht weniger tödlich, dafür haben die Corpse einfach ein Händchen – egal wie schnell, groovend oder pitchend sie agieren, es bleibt immer scheiße brutal. Dying Fetus wäre da ähnlich unterwegs Killing On Adrenaline von 1998 als mein persönliches Sahnestück können wir gerne auch mal durch den Zeitreisen-Fleischwolf drehen. Neben Sentenced To Burn gehören Blood Drenched Execution und der Titeltrack für mich mit zum Beginn der schaurigen Galerie. Die Technical-Death-Metal Schulterschlüsse von Blood Drenched Execution imponieren, die Kombi an den Gitarren von Pat O’Brien und Jack Owen schlägt jedem Fass den Boden aus. Das Gefrickel zum Ende hin, welches im Solo mündet, geht ein paar Schritte weg von den ersten drei Nummern, liefert dafür weitere Abwechslung, um dann Gallery Of Suicide den Hof zu machen. Hell yeah, die Hasstiraden, die artilleriegleichen Beschüsse aus allen Läufen, da steckt so viel Kraft drin, womit man ganze Siedlungen dem Erdboden gleichmachen könnte. An der Nummer kommt meiner Meinung nach keiner dran vorbei – wenn man über Gallery Of Suicide spricht, sollte auch immer dieses Highlight aufgeführt werden. Ich bin schon wieder „on fire“ daher zurück zu dir, mit einem vorsichtigen Wink nach deinen Top 3 – befinden sich alle im ersten Drittel?

Florian W.:
Alle im ersten Drittel? Das eher nicht, obwohl die Amerikaner gar nicht erst versuchen, einen Stein auf dem anderen zu lassen. Ohnehin fällt es mir schwer, mich auf wenige Songs festzulegen. Ganz schönes Hitpotenzial für so eine brutale Scheibe. Wenn es um die Top 3 geht, ist Sentenced To Burn definitiv dabei. Das Teil hat einfach Kultstatus in meinem Freundeskreis. Disposal Of The Body ist auch so ein Kandidat. Verdammt, die Entscheidung wird hart. Das Hauptriff von Blood Drenched Execution finde ich nach anfänglicher Zerstörungswut doch recht banal, vor allem im Vergleich zu den wahnwitzigen Griffbrettattacken gegen Ende. Der Titelsong walzt alles platt. Die Riffs haben die zähfließende und tödliche Eigenschaft eines Vulkans, der kurz vor dem Ausbruch steht. Man weiß, was einen erwartet und kann dennoch nicht entkommen. Keine Chance, der gehört auch aufs Treppchen. In Dismembered And Molested brauchen CC genau wie bei Disposal Of The Body nicht mal zwei Minuten, um den Weg mit neuen Leichen zu pflastern. Als Proggie fangen meine Augen bei der Passage ab Minute 01:07 an zu leuchten – was für ein Mindfuck.

Eben noch angeteasert, haut das Instrumental From Skin To Liquid jetzt voll in die Prog-Death-Kerbe. Ab und an wird es als Intro zur Show benutzt. Dabei sieht man über fünf Minuten nur die Haare vor dem Gesicht von Alex Webster. Eines der seltenen Stücke, ohne den unnachahmlichen Gesang des Corspegrinders und fast so genial wie Cosmic Sea von Death. Chuck Schuldiner soll uns auch demnächst begegnen, wenn wir wieder in die Zeitmaschine steigen. Deine Vorschläge mit Six Feet Under und Dying Fetus sind ebenfalls großartig und passend zur Schlachtfest-Zeitreise, auf der wir uns gerade befinden.

Zu deiner Frage nach dem Corpsegrinder und zu besagter Liveshow im Musikzentrum Hannover. Tatsächlich stand ich damals ganz weit vorne, was bei der kleinen Butze auch nicht verwunderlich ist. Dort konnte ich diesen Halb-Mensch, Halb-Nacken aus der Nähe bewundern und war beeindruckt. Mein Kumpel sucht heute noch seine Brille von der wilden Moshparty vor der Bühne. 😀 Ich bin auf der Hälfte der blutigen Kunstausstellung angekommen und bin gespannt, welche Songs dich im weiteren Verlauf noch zum Propeller-Headbanging animieren. Im Gegensatz zu mir verfügst du ja über genügend Haupthaar dafür.

René W.:
Ja, noch könnte ich im Headbang-Modus die Haare fliegen lassen. Auch wenn das blöd klingt, aus dem Alter bin ich irgendwie raus. Lieber stehe ich, was wohl auch magazinbedingt ist, weit vorne an der Seite und genieße die Show. Nach zwei bis drei Songs geht es manchmal noch in die Headbang-Zone, moshen muss ich persönlich nicht mehr.
Es ist schwer, meine Top 3 liegen bei Disposal Of The Body, Gallery Of Suicide und I Will Kill You. Nachdem wir die blutige Katze ohne Fell aus dem Sack hüpfen lassen, weiter im Programm. Dismembered And Molested lebt von der Attitüde – kam, sah und siegte. Das liebe ich an den Corpse oder auch an Dying Fetus. Es wird nicht lange herumgemacht, gleich mit Feuer unterm Arsch reißen die Jungs alle Wände nieder. From Skin To Liquid muss man mögen, du bist eher im Prog, für mich auch kein Neuland, jedoch brauche ich solche Nummern nicht zwingend von CC. Unite The Dead hat da wieder mehr Power. Fisher klingt wieder absolut böse, kann den Track an sich ziehen und bringt durch die widerlichen Vocals die Membranen des Mikrofons zum Beben. Die kernigen Riffs in der kalten Aufmachung lassen wirklich keine Liebe zu. Noch ein Level höher kann man Stabbed In The Throat, wenn die Brutalität statt Prog im Vordergrund stehen soll, ansiedeln. Einzig die sehr gleichbleibenden Impulse ziehen die Komposition etwas herunter. Dafür gibt es über drei Minuten auf die Fresse, dass der Kopf auf der Schulter nicht mehr aus dem Rotieren kommt.

Über die perfekte Balance aus Midtempo, Groove und Brechstangen-Gitarren verfügt Chambers Of Blood, der nichts anbrennen lässt. Die lang gezogenen Growls machen immer Laune. Die quietschenden Gitarren, der Hass hinter der Schießbude – ohne die Amerikaner würde mir was fehlen. Ganz kopflos sollte man eben nicht an die Sache herangehen. Headless trennt nicht nur den Schädel aufs Neue von der Schulter, er bringt in nur etwas mehr als zwei Minuten die Abrissbirne an den Start, um den eh schon baufälligen Grundmauern den Gnadenstoß zu verpassen. Wie du schon merkst, bei diesem Silberling liegt mein emotionaler Schwerpunkt eher im ersten Sektor. Weiter hinten kann kurz vorm Finale Every Bone Broken zünden, der vom ganz speziellen Sound lebt. Lang lebe der Groove im Todesblei. Centuries Of Torment bringt die abgetrennten Gebeine noch mal zum Tanzen. Wuchtig, zielstrebig und einfach tödlich geht es beim Album-Abschluss noch mal in die Vollen. Ein Knall, dann schlägt Crushing The Despied das Buch von Gallery Of Suicide kraftvoll zu. Viel brauchen die Corpse nicht, schließlich wissen sie nur zu gut, wie man eine Gallery Of Suicide aufzieht. Eins der stärksten Alben, wobei die neusten Sachen wie Red Before Black oder Violence Unimagined auch mithalten können. Wo Cannibal Corpse draufsteht, ist der Sound mit fragwürdigen Texten als makabrer Standard auch drin.

Florian W.:
Headbangen gerne, aber für die ganz extreme Action fühle ich mich mittlerweile auch zu alt. Mal schauen, wie groß die Lust zur Eskalation nach der langen Pandemie-Pause wird. 😀 Nach kurzer Verschnaufpause geht es zurück in die Galerie des fröhlichen Gemetzels. Unite The Dead steht tatsächlich im Sternzeichen des Corpsegrinders. Ihm zur Seite steht wieder das erbarmungslose Drumming von Paul Mazurkiewicz. Dieses tödliche Gespann lässt wahrlich nichts als verbrannte Erde zurück. Wie immer gilt, dass der vernichtende Sound umso bösartiger wirkt, wenn die BPM etwas gedrosselt werden. Kurzes „Intro“ zu Stabbed In The Throat und wie auf Knopfdruck rumpelt es wieder im Gebälk. Meine Füße versuchen vergeblich, den Takt der Bassdrums mitzuhalten. Chambers Of Blood bringt meinen zuckenden Leib wieder mehr in Ekstase. Das von dir bereits angesprochene Griffbrett-Gequietsche war schon immer eines meiner liebsten Gimmicks bei Cannibal Corpse. Die Breaks lassen mich hart auf den Boden aufschlagen und die Tempowechsel animieren zum Ausrasten – fettes Brett! Die abgrundtief bösen Schreie des Corpsegrinders bringen mich zu diesem witzigen Video von Loudwire, welches perfekt die zwei Persönlichkeiten des Herrn Fisher offenlegt:

Headless stand schon immer weit oben in meiner Gunst, sogar bezogen auf die gesamte Diskografie der Kultband. Warum? Weil es in knapp über zwei Minuten perfekt beschreibt, wie man Todesblei effektiv spielt: Schnell und trotzdem groovend, gnadenlos und technisch anspruchsvoll, brutal und dennoch eingängig. Dieses kurze „Klappern“ auf der Snare zu Beginn ist mir immer im Gedächtnis blieben. Der Reiz steckt immer im Detail, auch wenn viele dieses Genre nicht verstehen können. Somit landet Headless auch auf Platz drei meines Treppchens, direkt hinter dem Titelsong und Sentenced To Burn. Es bleibt jedoch eine Momentaufnahme. Nächste Woche würde ich vermutlich drei andere Song wählen, was die Stärke der Scheibe untermauert. Kommen wir zu den letzten drei „Schlachteplatten“, wie man hier im Osten sagen würde. Immer wenn die Gitarristen ihre Finger beim Songwriting im Spiel hatten, geht es technischer zur Sache. Wie anfangs schon bei Blood Drenched Execution geht auch Every Bone Broken in Richtung des Prog/Tech Death Metal. Da ich dieses Genre im letzten Jahr für mich endgültig entdeckt habe, ist der Anreiz umso größer. Centuries Of Torment wurde wie der Großteil auf Gallery Of Suicide von Alex Webster komponiert. Die Nummer bildet für mich eine absolute Ausnahme in der langen Geschichte der Band. Dieses fast schon atmosphärische Riffing und die Struktur des Songs habe ich so kein zweites Mal von den Corpse gehört. Die Hammer Smashed Face-Gedächtnis-Bassläufe im letzten Song Crushing The Despised sind zwar unendlich cool, aber bis auf den Knall kann das kurze Stück nicht mehr punkten.

Wow, das hat Spaß gemacht und man konnte im Vokabular auch mal ordentlich die Sau rauslassen. In der nächsten Zeitreise-Folge müssen wir uns wieder benehmen, denn wir haben mit Kollege Kay L. einen Gast. Mit ihm und Deep Purple feiern wir Machine Head, das Ende März 50-jähriges Jubiläum hat.