Artist: Torturized
Herkunft: Magdeburg, Deutschland
Album: Aftermath
Spiellänge: 43:55 Minuten
Genre: Death Metal, Post Black Metal
Release: 08.07.2022
Label: Apostasy Records
Links: http://www.torturized.de/
http://www.facebook.com/torturizedofficial
Produktion: Recording, Mixing und Mastering der LP „Aftermath“ fand in den Iguana Studios von Christoph Brandes statt. (Recording: September 2020, Mixing und Mastering: Januar bis März 2021)
Bandmitglieder:
Gesang – Daniel Lutter
Gitarre – David Siegmund
Gitarre – Tom Seelig
Bassgitarre – Peter Kluwe
Schlagzeug – Lars Schütz
Tracklist:
- Caustic
- Inversion
- Haven
- Ecocide
- Maelstrom
- Asylum
- Nebula
- Dissolution
- Insomnia
- Aftermath

Die folgende Rezension ist für mich persönlich in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen deshalb, da Gitarrist David Siegmund, Redakteur und ein sehr geschätzter Kollege von Time For Metal ist und zum anderen, weil ich mich in der zurückliegenden Vergangenheit mit den Magdeburgern Torturized intensiv auseinandergesetzt habe. Aus diesem Grunde lege ich euch an dieser Stelle die beiden geführten Interviews vom 27. Mai 2020 und 5. September 2020 direkt ans Herz. Diese beiden Interviews gewähren euch einen detaillierten Einblick in die Bandgeschichte und liefern ferner exklusive Momente aus den Tagen der Aufnahmen zum neuen Album Aftermath, das am 08.07.2022 über Apostasy Records veröffentlicht wird. Letzteres Interview ergänzt diese Rezension um ein Vielfaches. Die Zusammenarbeit mit Apostasy Records wurde zu Beginn dieses Jahres besiegelt – und vollendet den aus meiner Sicht längst überfälligen Deal mit einem Label.

Der kurze Blick in die Diskografie von Torturized zeugt keinesfalls von Tatenlosigkeit. Seit der Gründung der Band 2001 wurde eifrig an der Weiterentwicklung gearbeitet.
2022 – Aftermath (LP)
2017 – Omnivore (LP)
2012 – Authority (EP)
2009 – Gallery Ov Blood (EP)
2006 – Uncontrollable Hours (LP)
2003 – Falsche Wahrheit (EP)
2003 – Live im Gröninger Bad (Live EP)
Nun zum Album. Aftermath wartet mit zehn neuen Songs und einer Gesamtspieldauer von runden 44 Minuten auf. Episch lange Arrangements sind demnach nicht zu erwarten, wenngleich der Titeltrack Aftermath mit knapp über sieben Minuten musikalischer Qualität angereichert ist. Kenner von Torturized werden von Beginn an eines wahrnehmen, und zwar die deutliche Abkehr der früheren Tech Death Metal Einflüsse. Diese Tatsache zementiert die musikalische Fortentwicklung dieser Band und zeigt, dass Tellerränder dazu da sind, überwunden zu werden.
Der Opener Caustic, eingeleitet von einem mystischen Klangteppich aus Klavier und Synth-Parts, fördert ein abwechslungsreiches Arrangement zutage. Jenes offenbart in hervorragender Weise das Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Tempi und genreverwandten Einflüssen. Gerne in den Post Black Metal abgleitend, wird einem im nächsten Moment die brachiale Härte des traditionellen Death Metal zuteil. Das tough und akzentuiert-modulierte Growling von Sänger Daniel „Lu“ Lutter untermauert das Songwriting eindrucksvoll. Achtet auf die Melodie im Refrain, die ich so bei Torturized in dieser Ausprägung bislang noch nicht gehört habe.
Auch Inversion wird von einem kurzen Intro begleitet. Dieser Track bringt eine sehr düstere Atmosphäre mit sich. Hervorzuheben sind die in positiver Hinsicht dissonant anmutenden Harmonien in den Gitarrenlinien. Bass und die etwas reduziertere Schlagzeugarbeit bilden hierbei einen Groove, der seinesgleichen sucht. Der Gesang weiß den Song erneut zu veredeln und auch die dezent eingesetzten technischen Gimmicks stören das Gesamtbild keinesfalls. Sehr starke Nummer!
Das kurze psychedelische Instrumental Haven eignet sich perfekt zum tiefen Luftholen und innehalten. Man lausche den beiden Gitarren…
Ecocide geht wieder strukturierter und zielgerichteter zu Werke. Etwas mehr Speed, vor allem aber extrem akzentuiert dargeboten, gleitet diese Nummer zur Mitte hin in eine gänzlich andere Richtung ab. Geschwängert von Melodie, Tiefgang und Experimentierfreudigkeit wird die Klasse der Protagonisten deutlich. Sowohl in der Fertigkeit am Instrument als auch im Songwriting ist das wirklich hochwertig. Hier darf ohne Übertreibung ein Ausrufezeichen gesetzt werden. Wüsste ich nicht, dass Torturized hier zugange sind, läge ich mit einem Vergleich zu Behemoth sicher nicht falsch.
An Schwere, Düsternis, Melancholie und vernehmbarer Dunkelheit dürfte Maelstrom wohl kaum zu übertreffen sein. Maelstrom zieht dich in schleppendem Tempo und ergreifendem Groove mit in den Abgrund. Dieser Song zeigt ein ums andere Mal auf, dass Death Metal auch vollkommen ohne Blastbeats auskommt. Das Arrangement wirkt hierdurch extrem aufgelockert, bietet zudem Raum für den Gesang und an anderer Stelle für instrumentelle Akzente. In der Tat eindrucksvoll.
An die jeweils leiseren und betont ruhigeren Intros zu den Songs könnte man sich gewöhnen. Asylum hingegen stört diese Ruhe sofort und ist eigens zum Zerstören geeignet. In der Kürze liegt die Würze und deshalb kommt Asylum ohne Umwege direkt zum Höhepunkt. Hier drücken sich Brachialität und Bestimmtheit in gewohnter, präziser Härte aus.
Mit über sechs Minuten nimmt sich Nebula die Zeit, dem vorhandenen Facettenreichtum von Torturized in der noch jungen dritten Dekade des neuen Jahrtausends zu huldigen. Hierin spiegelt sich wahrhaftig ernst zu nehmende Progressivität im Gewand des Death und Post Black Metal. Auf den ersten Blick zwar etwas verspielt, aber im weiteren Verlauf in jedem Falle logisch und zusammenhängend, gerät auch Nebula zu einer weiteren starken Nummer auf diesem Album. Abermals steigt auch hier der Gesang zu einem tragenden Element empor, denn Lu setzt versiert Nadelstiche an der richtigen Stelle.
Torturized machen es dem Hörer teils nicht leicht. So ist Dissolution bezüglich des Arrangements recht komplex aufgebaut. Dissolution erzwingt unerlässliche Aufmerksamkeit und braucht deshalb mehrere Durchgänge, um die Tiefe des Songs nachzuvollziehen. Auch hier kommt die gesamte Opulenz des Songwritings zum Tragen.
Was in Gottes Namen spielt sich bei Insomnia ab? Das hiermit zweite Instrumental auf Aftermath erzeugt eine extrem wohlige Atmosphäre, die in meinen Augen primär dem hervorragenden Bassspiel von Peter Kluwe geschuldet ist. Insomnia kann zwar, muss aber nicht unbedingt auf einem Death Metal Album verewigt werden. Musikalische Raffinesse und der stete Wille, sich selbst neu zu erfinden, begleitet diese Nummer. Respekt!
Der Titeltrack Aftermath und zugleich letzte Song dieses Albums ist schlicht mit dem Prädikat „Erwachsen“ zu versehen. Vermutlich sind das Album wie auch der Track Aftermath selbst die logische Konsequenz des unbeirrt fortgesetzten Weiterentwicklungsprozesses von Torturized. Der Song ist insgesamt von beeindruckender Schwere und gleichermaßen frischer Experimentierfreudigkeit gekennzeichnet. Aftermath und auch alle vorangegangenen Songs bringen weder Eintönigkeit oder gar Langeweile mit sich. So dürfen Alben enden – besser nie aufhören.