Lords Of Chaos

Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund

Artist: Michael Moynihan, Dirk Södlund

Sprache: Deutsch

Seiten: 422

Genre: Black Metal

Release: 2002, 13. Ausgabe

Verlag: Index Verlag

Lords Of Chaos ist weit davon entfernt, eine leichte Lesekost zu sein. Die geführten Interviews mit einflussreichen Personen des True Norwegian Black Metal (nachfolgend mit TNBM abgekürzt), eröffnen ethisch und politisch fragwürdige Positionen. Schon auf den ersten Seiten kommt der Hinweis, dass hier „Positionen und Aussagen getätigt werden, die nicht den Ansichten der Autoren und des Verlags entsprechen“.

Ist dieses Buch trotzdem lesenswert? Ich bin der Meinung, Ja. Allerdings sollte dieses Buch eher als Sachbuch verstanden werden, das die Geschehnisse unverblümt und unzensiert darstellt. Im Gegensatz dazu steht die Verfilmung des Buches, die sich eher lose auf das Buch bezieht. Dazu aber später mehr.

Der komplette Titel lautet auf Deutsch: Lords Of Chaos. Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund. Dabei behandle ich hier die 13. Auflage von 2002. Die Originalausgabe ist 1998 erschienen, was bedeutet, dass innerhalb von vier Jahren das Buch über ein Dutzend Mal überarbeitet worden ist. Das zeigt, wie groß das Interesse an diesem Werk war, und auch immer noch ist.

Im ersten Teil geht es um einen großen Pfeiler des Black Metal, und zwar um den Satanismus. Es werden die Ursprünge und die musikalische Etablierung erläutert. Man mag gerne glauben, dass der Satanismus im Black Metal seinen musikalischen Ursprung hat. Ohne zu spoilern: Dem ist nicht so. Es gibt Musikrichtungen, die sich früher mit dem Satanismus beschäftigt haben.

Natürlich wird auch die namensgebende Band Venom erwähnt, bei der zum ersten Mal der Begriff Black Metal auftaucht. Die Musik der Engländer ist aber noch weit von dem entfernt, was den späteren TNBM ausmacht. Bands wie Mayhem, die als Gründer des TNBM gelten, haben dabei Venoms Idee aufgegriffen und deutlich radikaler weiterentwickelt. Begleitet wird die retrospektive Darstellung von diversen Fotos, Bildern, Postern, CD-Covern und Zeitungsausschnitten, die die künstlerische Entwicklung und den Stil des Black Metal ausmachen.

Als große Vertreter des TNBM werden immer wieder Interviews mit Mitgliedern von Mayhem, Emperor und Varg Vikernes (Burzm) eingestreut, um die geschichtliche Entwicklung darzustellen. Dabei werden, vor allem von Varg Vikernes, rassistische und nationalsozialistische Standpunkte formuliert. Arroganz und elitäres Auftreten einzelner Protagonisten werden genutzt, um den TNBM weiterzuentwickeln und sich immer von der Masse, oder wie es auch gerne genannt wird, von den Posern zu distanzieren.

Eine wichtige Anlaufstelle war das Helvete: Der Plattenladen und Hauptsitz von Euronymous Label. In Lords Of Chaos ist dies ein wichtiger Abschnitt, da hier der TNBM sich wie ein Lauffeuer weiterentwickelte und der „Schwarze Kreis“ seine Treffen abhielt. Mitglieder dieses Kreises waren auch an den weltberühmten Kirchenbränden beteiligt. Spätestens durch diese Aktion erregte der TNBM weltweites Aufsehen.

Weiterhin wurden zu den Interviews mit den Musikern nun auch welche mit Pastoren und Jugendbetreuern geführt, die ihre Sicht auf die Situation geschildert haben. Sowohl die Polizei als auch die bekannten Brandstifter meldeten sich zu Wort. Der pure Hass auf die christliche Religion war (und ist) eine Triebfeder des Black Metals. Besonders Varg betonte dies immer wieder und führte seine Ideologien an, die auf der nordischen Mythologie beruhen und sah die christliche Religion als einen Feind an, der zu besiegen galt.

Die Interviews sind dabei immer, wie schon eingangs erwähnt, unzensiert und spiegeln das Gedankengut Einzelner wider. Sehr interessant ist der Wandel von Vargs Aussagen, bei dem er in späteren Interviews immer wieder behauptet, man habe ihn falsch verstanden oder falsch zitiert, um sich so eher als Opfer darzustellen.

Doch das wirkliche Opfer ist Euronymous, welcher durch einen Messerhieb in den Kopf von Varg Vikernes ermordet wurde. Diese Passage wird im Buch intensiv behandelt.

Das Buch ist absolut kein leichter Tobak! Ich musste mich ein bisschen durch die rassistischen Aussagen durchquälen. Der retrospektive Blick auf die Entwicklung ist allerdings extrem interessant und wer sich für Musikgeschichte mit dem Schwerpunkt Metal interessiert, sollte sich hier festbeißen. Die einzelnen Illustrationen sind ikonisch und man kann die musikalische Entstehung und Entwicklung gut nachvollziehen: Es war immer das Ziel, zu schocken und aufzufallen.

Ich selber musste mir bei einigen Passagen immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich hierbei noch um Kids handelte, die teils noch nicht mal die 20 Jahre erreicht haben. Wenn man sich das einmal vergegenwärtigt, wird einem bewusst, wie krass diese Geschichte eigentlich ist.

Ich bin eher ein Fan von „moderneren“ Black Metal Bands wie Dimmu Borgir oder Dark Funeral, die ebenfalls im Buch erwähnt werden. Dabei dreht sich der letzte Teil um diese und es gibt auch Statements zu diesen Bands. Was genau dazu geschrieben wird, lest ihr aber am besten selber nach.

Zum Abschluss sei noch die Verfilmung erwähnt: Durch den Medienwechsel muss sich ein Filmemacher immer überlegen, welche Punkte ihm wichtig sind und was rausgearbeitet werden soll. Hier wurde fast nur die Geschichte zwischen Varg und Euronymous behandelt und andere Entitäten vollkommen außen vor gelassen. Zwar bietet der Film einen guten Überblick über das Buch, doch einige humoröse Einlagen waren etwas drüber und sind, meiner Meinung nach, in dieser ernsten Thematik unangebracht.
Wenn euch interessiert, was Kollege René von dem Film hält, könnt ihr das hier nachlesen:

Lords Of Chaos

Anmerkung:

Mir ist bewusst, dass nach wie vor Rassismus ein Problem im Black Metal ist. Mein Anliegen ist es aber nicht, alle Bands in einen Topf zu werfen. Auch möchte ich niemandem eine Bühne bieten, sondern nur das Buch mit seinen Facetten darstellen. Es zu lesen sei am Ende jedem selbst überlassen.

Wir bei Time For Metal sind gegen Rassismus, Nationalsozialismus, Homophobie und Antisemitismus.

Lords Of Chaos
Fazit
Bleiben zum Schluss noch zwei Fragen offen: Sollte man dieses Buch gelesen haben und wo bekommt man das Buch her? Zur Ersten: Ja! Aber nur, wenn man sich für extremen Metal interessiert und mit ethisch/politischen Themen gut umgehen kann. Die unverblümte Wahrheit ist nicht immer schön, aber das war leider damals die Realität. Mich hat das Buch zum Nachdenken angeregt und ich verstehe nun ein bisschen mehr von dem Thema Black Metal. Das Buch kann man sich ohne Weiteres in der deutschen Ausgabe bei Amazon bestellen und kostet aktuell 19,95 €.
Christian 'Lommer' W.
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