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Billy Talent – Crisis Of Faith

Nach einer längeren Pause folgt der sechste Streich der Kanadier

Artist: Billy Talent

Herkunft: Meadowvale, Kanada

Album: Crisis Of Faith

Spiellänge: 36:45 Minuten

Genre: Punkrock, Alternative Rock, Post-Hardcore, Emo

Release: 21.01.2022

Label: Atlantic, Warner Music

Link: http://www.billytalent.com/

Bandmitglieder:

Gesang – Benjamin Kowalewicz
Gitarre und Backgroundgesang – Ian D’Sa
Bassgitarre und Backgroundgesang – Jonathan Gallant
Schlagzeug, Perkussion – Aaron Solowoniuk
Schlagzeug, Perkussion – Jordan Hastings  (krankheitsbedingte Auszeit seit 2016)

Tracklist:

  1. Forgiveness I + II
  2. Reckless Paradise
  3. I Beg To Differ (This Will Get Better)
  4. The Wolf
  5. Reactor
  6. Judged
  7. Hanging Out With All The Wrong People
  8. End Of Me
  9. One Less Problem
  10. For You

Sechs Jahre nach ihrem letzten Album Afraid Of Heights haben die Kanadier ihr neues Material unter dem Titel Crisis Of Faith veröffentlicht. Afraid Of Heights ist das bislang am häufigsten mit dem Platz Nummer 1 in den Albumcharts vertretene Werk der Nordamerikaner und soll nun endgültig in der Diskografie abgelöst werden. Ob der Erfolg ähnlich oder sogar noch gesteigert werden kann, dürften die nächsten Tage zeigen. Mit ca. 40.000 verkauften Exemplaren ist er jedoch der am wenigsten verkaufte Silberling, wenn man mal die Eigenproduktion Watoosh! von 1999 rausrechnet. Kommen wir von den Statistiken zum neuen Output – in zehn Songs drehen die vier Musiker groß auf, die immer noch mit Jordan Hastings am Schlagzeug agieren, da Aaron Solowoniuk aus gesundheitlichen Gründen nicht mitwirken kann. Optisch setzen Billy Talent auf einen farbenfrohen Knalleffekt. Giftgrün mit einem leichten Rosa erinnert die Farbkonstellation an Slimer von den Ghostbusters. Abgebildet wurde jedoch ein Skull Rider, der im dicken Dunst seiner teuflischen Maschine zum Überholmanöver ansetzt.

Vorhang auf für Forgiveness I + II – über sechs Minuten sollen es als Opener richten. Für die ansonsten kurzen Stücke ein echtes Schwergewicht, das jedoch den Hörer in typischer Manier abholt und auf die Vocals von Benjamin Kowalewicz setzt. Nimmt man es ganz genau, bilden zwei Nummern im direkten Schulterschluss den Einstieg und wurden nur geschickt zusammengeführt. Neben Ian D’Sa an der Gitarre sorgt vor allem Jonathan Gallant für Punkrock-Attitüde, die in einem alternativen Gewand mit rockigen Riffs veredelt den Weg in die Ohren ihrer Anhänger findet. Ein sehr gelungener Start und das erste Highlight auf Crisis Of Faith, wobei die ersten Minuten mich persönlich mehr abholen, als der Part II mit den Blues-Elementen. Die elektronisch versetzten Gesangsfarben muss man mögen, zu Billy Talent gehören sie einfach dazu und können, was ich ganz wichtig finde, stets so weitergeführt werden, dass diese einen klaren Wiedererkennungswert besitzen. Reckless Paradise stürzt in wilde Landschaft des abstrakten Paradieses, durch das uns das Quartett führen möchte. Ganz neu ist die Komposition nicht mehr und wurde Anfang 2020 als Vorbote für das kommende Album ins Rennen geschickt. Durch die aktuelle Pandemie wurde aus dem Release im Herbst nichts und fast anderthalb Jahre später wirkt der Track dann beinahe alt. Nichtsdestotrotz passt er hervorragend auf die Platte und gehört wie I Beg To Differ (This Will Get Better) ganz klar in dieses Kollektiv. Verrückte Zeiten, die künstlich eine nicht geplante verlängerte Pause für die Jungs aus Meadowvale zur Folge haben. Nach den beiden bekannten Singles drehen sie mit The Wolf in den Balladenmodus. Das Herz blutet, die Frauen schmelzen dahin, der Anker wird im Alternative Rock gesetzt. Während die Emo Anteile gesteigert werden, muss man auf Post Hardcore Hooks verzichten – dafür darf Benjamin Kowalewicz die Stimmbänder zum Beben bringen. Rector und Judged bilden den punkigen Mittelpart, der die Zügel locker lässt. Nach dem schwungvollen Beginn ein Sprung in vorsichtigen US Studenten Rock / Metal, den wir aus den 90ern kennen. Blink 182 schwingen mit, ohne Überhand zu gewinnen. Modern Groove Blues Rock oder besser gesagt Hanging Out With All The Wrong People sammelt in vielen Genrezutaten, um dem Hörer einen bunten Blumenstrauß in musikalischer Form zu überreichen. Eigenwillig, aber nicht schlecht, kann der Song nachhaltig im Kopf bleiben. Für End Of Me wurde Rivers Cuomo engagiert. Erneut blicken die vier Musiker über die Landesgrenze, wodurch sie im US-Rock landen, der in der Studenten-Klischee-Kiste herumwühlt. Gute Laune und Party Moves vertreiben alle düsteren Gedanken. Das Glas ist halb voll, während One Less Problem und For You das Langeisen auslaufen lassen. Neben coolen Nummern muss man auch die weniger prägnanten Sequenzen hinnehmen.

Billy Talent – Crisis Of Faith
Fazit
Crisis Of Faith lebt von einem hohen Level, der ohne Kracher wie Fallen Leaves auskommen muss. Der Anspruch wächst, die Blicke werden kritischer - eine ganz normale Entwicklung, sobald man zur Speerspitze eines Genres gehört. Wer jetzt kleinkariertes Denken anprangert, mag nicht Unrecht haben, nur setzen Billy Talent von Anfang an nicht drauf, mit eingängigen Nummern den Hörer zu umgarnen. Mir gefallen die ersten vier Tracks sehr gut und auch im Verlauf findet man nennenswerte Titel. Grundsätzlich muss man bei einer Hörprobe selber testen, ob Billy Talent einen 2022 abholen können oder ein nun mal gutes Album als eingefleischter Fan einfach eine Nummer zu wenig ist. 

Anspieltipps: Forgiveness I + II und Hanging Out With All The Wrong People
René W.
7.8
Leser Bewertung2 Bewertungen
9.1
7.8
Punkte