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Das Interview mit Gitarrist André Z. von Antiheld zum aktuellen Album „Disturbia“

Auf "Disturbia" gibt es viele kritische und politische Themen

Artist: Antiheld

Herkunft: Stuttgart, Deutschland

Genre: Rock, Deutschrock, Pop-Rock

Label: Arising Empire / Edel Records

Link: https://www.antiheldmusik.com/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Luca Opifanti
Gitarre – André Zweifel
Keyboard – Henry Kasper
Bassgitarre – Matze Brendle
Schlagzeug – Sven Fischer

Time For Metal / René W.:
Hallo lieber André, ich freue mich, dass du beim ganzen ausgelassenen Feiern noch Zeit für ein kleines Interview für deine Band Antiheld bei uns gefunden hast. Als Erstes zum Wichtigsten: Ihr habt euer neues Album Disturbia erfolgreich auf  Platz 21 der Albumcharts gehievt. Wie wichtig ist euch diese Platzierung oder gibt es für euch wichtigere Merkmale, die den eigentlichen Erfolg ausmachen?

Antiheld / André Z.:
Die Platzierung hat uns regelrecht umgehauen. Keiner von uns hatte damit gerechnet. Vor allem nicht mit Disturbia, welches sicherlich unser bisher musikalisch unkommerziellstes Album ist. Die Chartplatzierung an sich spielt für uns keine große Rolle. Sie zeigt uns jedoch, dass sich die jahrelange Arbeit gelohnt hat und es trotz Pandemie stetig in kleinen Schritten bergauf geht. Das freut und motiviert uns in diesen Zeiten umso mehr, dranzubleiben und weiter Gas zu geben.

Time For Metal / René W.:
2014 habt ihr den Nachwuchswettbewerb Play Live gewonnen. Gefühlt eine Ewigkeit her oder für euch tatsächlich noch präsent? Hättet ihr damals damit gerechnet, dass irgendwann eine Scheibe von euch in solch hohe Atmosphären aufsteigen könnte?

Antiheld / André Z.:
Damals waren wir noch sehr naiv und übermotiviert zugleich! 😀 Wir haben schon immer groß gedacht und an das geglaubt, was wir machen. Wenn man das nicht tut, bleiben Träume immer Träume. So zumindest meine Theorie. Die kurze Antwort: Direkt damit gerechnet haben wir damals nicht. Für möglich gehalten aber durchaus. 😀

Time For Metal / René W.:
Ihr verkörpert Rock und Deutschrock mit einer sehr guten Portion Pop-Rock. Zu welchem Sektor fühlt ihr euch persönlich am meisten hingezogen? Doch dem widerspenstigen Underground Rock, wie es euer Name Antiheld vermuten lässt, oder bleiben schon Schulterschlüsse zum Mainstream getränkten Pop übrig?

Antiheld / André Z.:
Wir haben diesbezüglich die letzten Jahre eine ordentliche Wandlung durchgemacht. Mittlerweile, denke ich, sind wir klar in der Rockwelt angekommen und geben nicht mehr viel drauf, was möglicherweise von uns erwartet wird oder was gerade hip ist. Wir machen einfach die Musik, welche natürlicherweise aus uns rauskommt. Klar hat diese auch Pop-Komponenten. Luca schreibt schon immer eingängige Refrains und ich hookige Gitarren-Riffs.

Time For Metal / René W.:
„Eingängige Riffs, kluge, aber nicht zu komplexe Texte und eine Stimmung, die Hoffnung verkauft, scheinen das Rezept zu sein, was hinter Antihelds Disturbia steckt.“ Würdet ihr diese kurze Zusammenfassung von meinem Kollegen so stehen lassen und was würdet ihr ergänzen wollen?

Antiheld / André Z.:
Bzgl. der Riffs und Texte würde ich das so unterschreiben. „Hoffnung verkaufen“ – weiß ich nicht. Das interpretiert sicherlich jeder etwas anders. Auf Disturbia gibt es auf jeden Fall kritische und politische Themen, die möglicherweise nicht jedem schmecken werden.

Time For Metal / René W.:
Springen wir direkt kopfüber zu Disturbia. Was wollt ihr euren Fans in diesen schweren Tagen mit der Platte mit auf die Reise geben? Welche Eindrücke und Erfahrungen haben die neuen Songs geprägt und wie hat sich der Aufnahmeprozess mit den besonderen Widrigkeiten auf das Endergebnis der neuen Stücke niedergelegt?

Photo by Sara Bertschinger

Antiheld / André Z.:
Puh…schwierige Frage! Ich versuche mal, sie einigermaßen kurz zu beantworten: Disturbia ist eine sehr ehrliche und tiefgehende, aber auch kritische Platte. Eine klare Kante zu allem, was wir vorher veröffentlicht haben. Sie soll unseren Hörern Spaß machen, sie auf eine Reise mitnehmen, darf aber auch gerne zum Nachdenken anregen. Die ganze Platte ist im ersten Lockdown unter den Eindrücken der Isolation, Einsamkeit und viel Zeit mit sich selbst und den eigenen Gedanken entstanden. Der Entstehungsprozess war dieses Mal etwas anders und komplizierter als sonst, da wir uns in dieser Zeit alle nicht sehen und zusammen im Proberaum arbeiten konnten. Also mussten wir neue Wege suchen und uns gewissermaßen neu erfinden, was kreative Arbeitsabläufe anbelangt. Jeder hat sich zu Hause ein kleines Homestudio eingerichtet, in dem er Spuren auf von Luca produzierte Demos einspielen konnte. Nach sehr vielen hin- und hergeschickten Spuren, Feedbacks und Videokonferenzen hatten wir dann letztlich Demos von Disturbia. Die finalen Album-Aufnahmen haben wir dann danach Ende des ersten Lockdowns im Studio eines Freundes, bei mir und bei unserem Produzenten Marius Fimmel gemacht.

Time For Metal / René W.:
Erzähl bitte einmal mehr darüber, wie ein typischer Antiheld Songwriting-Prozess aussieht. Habt ihr einen Leader, der die Lieder fast fertig mit zum Proben bringt oder entstehen die Ideen beim gemeinsamen Zocken?

Antiheld / André Z.:
Für Disturbia habe ich das ja eben schon skizziert. Bei den Alben davor war das etwas anders. Luca schreibt in aller Regel die Texte alleine und kommt mit Melodien und Akkorden zu uns. Dann wird im Proberaum sehr viel ausprobiert, arrangiert und wieder verworfen, bis der Song letztlich den Antiheld-Sound hat. Ich denke jedoch, dass wir künftig mehr so arbeiten werden wie bei Disturbia. Das hat super funktioniert. Im Allgemeinen ist das ein Prozess, der sich stetig wandelt. Ich schreibe mittlerweile bei mir im Studio auch viele musikalische Ideen und produziere sie gleich aus, um sie der Band dann vorzustellen. Abwarten. Viele Wege führen nach Rom. Wie es dann letztendlich beim nächsten Album läuft, kann ich erst berichten, wenn es so weit ist.

Time For Metal / René W.:
Mein Kollege formt folgendes Fazit: „Nach dem zweiten Mal Durchhören habe ich den Fokus mehr auf die Vocals gelegt und finde genial, dass sich Antiheld trauen, das „Allerheiligste“ zu kritisieren und das in einer Zeit, in der viele Menschen gefühlt führungslos nicht mehr wissen, was für sie gut ist. Kritik auf Augenhöhe mit musikalischer Untermalung – gute Arbeit, Antiheld!“ Wie sehr verfolgt ihr, was die Fachpresse über euch schreibt oder versucht ihr, positive wie negative Kritiken auszublenden?

Antiheld / André Z.:
Vielen Dank erst mal! 🙂 Ich denke, wir bekommen vieles mit, was über uns geschrieben wird, legen aber keinen besonderen Fokus darauf. Manchmal fühlen wir uns komplett verstanden und denken „cool, da hat sich jemand intensiv mit uns und den Texten auseinandergesetzt“. Manchmal hat man aber auch das Gefühl, dass man die Rezension eines anderen Albums liest… Am Ende lassen wir uns nicht verbiegen, machen einfach unser Ding und hoffen, dass es den Leuten gefällt.

Time For Metal / René W.:
Um noch weiter auf den Punkt einzugehen, mit der Kritik auf Augenhöhe und der dazu passenden musikalischen Untermalung. Ihr geht bewusst nicht den leichten Weg, wie wichtig ist es euch, auch unbequem zu werden und Themen anzusprechen, die eben wehtun?

Antiheld / André Z.:
Das ist für uns mittlerweile sehr wichtig geworden. Die Zeiten schreien danach, sich für die – nennen wir es – „gute Sache“ oder „richtige Seite“ zu positionieren. Das tun meiner Meinung nach viel zu wenige Künstler. Damit macht man sich natürlich nicht bei jedem beliebt und eckt teilweise an. Das ist es meiner Meinung nach jedoch wert.

Time For Metal / René W.:
Meine Augen wandern immer wieder über das Artwork von Disturbia. Ein richtiges Ergebnis will sich mir nicht in die Gehirnwindungen brennen. Was möchtet ihr mit dem Kunstwerk ausdrücken?

Antiheld / André Z.:
Ganz konkret kann ich das gar nicht benennen. Es ist eher ein Gefühl in Kombination mit den Texten und der Musik, das transportiert werden soll.

Time For Metal / René W.:
Die Frage hört ihr dieser Tage sicherlich öfter: Werdet ihr dieses Jahr noch versuchen, eure neuen Stücke live präsentieren zu können, oder liegt der Fokus bereits auf 2022?

Antiheld / André Z.:
Wir würden dieses Jahr auf jeden Fall sehr gerne live spielen! Ich bin momentan auch verhalten optimistisch, dass wir diesen Sommer das eine oder andere Konzert spielen können. Die Tour zum Album haben wir allerdings auf nächstes Jahr März & April verschoben. Für Clubkonzerte ist es momentan noch viel zu früh.

Time For Metal / René W.:
Ich bedanke mich für deine offengelegten Gedanken und möchte dir die Gelegenheit geben, zum Abschluss direkt ein Wort an eure Fans und unsere Leser zu richten. Ich wünsche euch alles Gute und vielleicht kreuzen sich schon bald wieder unsere Wege.

Antiheld / André Z.:
Vielen Dank für euren grenzenlosen Support! Ihr lasst uns spüren, dass wir euch wichtig sind, schreibt uns Nachrichten, kauft unser Merchandise. Das tut gut! Wir freuen uns, euch 2022 alle wiederzusehen und mit euch zu feiern! Bleibt alle gesund und haltet durch! Irgendwann dreht sich die Welt wieder normal!