Heino – Mit freundlichen Grüßen

„Time For Schlager“

Artist: Heino

Herkunft: Deutschland

Album: Mit freundlichen Grüßen

Spiellänge: 44:12 Minuten

Genre: Schlager

Release: 01.02.2013

Label: Sony/Universal

Link: http://www.heino.de/

Bandmitglieder:

Gesang – Heino

Tracklist:

  1. Junge
  2. Haus am See
  3. Ein Kompliment
  4. Augen Auf
  5. Sonne
  6. Gewinner
  7. Liebes Lied
  8. Leuchtturm
  9. Vogel der Nacht
  10. MFG
  11. Kling Klang
  12. Willenlos

Wir springen auf den medialen Zug auf: Heino, von dem ich nichts mehr gehört habe, seitdem er den Bambi zurückgegeben hat, weil Bushido für Integration geehrt werden sollte (also vor knapp zwei Jahren), veröffentlicht 2013 ein Album, dass auch für ein Metalmagazin wie unseres relevant ist. Ich HASSE Schlagermusik, auch betrunken, aber da er bei der Ablehnung des Bambis bei mir Sympathiepunkte gesammelt hat, habe ich mich dazu entschieden, diese Scheibe nicht zu ignorieren und höre erstmals in meinem Leben bewusst dem mittlerweile 74-Jährigen(!) beim Singen zu.

Wer nicht weiß, warum Heino hier bewertet wird, lebt wahrscheinlich hinterm Mond oder hat einfach keinen Facebookaccount. In den Medien wird von „Heino schießt zurück“ gesprochen, da er, ohne die Künstler zu fragen, einige ihrer bekanntesten Lieder gecovert hat. Die GEMA macht es möglich. Da er die Texte nicht verändert hat, ist das Album auch nicht „verboten“, so wie es aus PR-Gründen suggeriert wird. Das ist alles mehr als lächerlich, aber wirksam.

Doch widmen wir uns der Musik. Junge von den Ärzten macht den Auftakt. Es trieft nur so vor Ironie, da ich mir gut vorstellen kann, dass Heino den Text WIRKLICH so meinen könnte, wie er ihn singt. Zumindest sehe ich die Kritik der Ärzte, die sie mit diesem Lied intentionierten, gegen spießige Mitbürger gerichtet und meinen Erfahrungen nach ist die sogenannte Volksmusik der Inbegriff der Spießigkeit. Rein musikalisch erkennt man das Lied wieder, aber es wurde stark „verschlagert“, ohne ins Ekelhafte abzudriften. Den einzigen Vorwurf muss ich Heino selbst machen, denn der Teil mit „und du warst so ein süßes Kind“ hebt sich gesanglich zu wenig vom Rest des Liedes ab.

Für Haus am See könnte ich Peter Fox stundenlang ins Gesicht… ich formuliere es freundlicher: Ich hasse das Lied. Wirklich. Auch Heino kann aus Mist kein Gold machen und so bleibt das Lied im Schatten von dem netten Junge. Wer das Original jedoch mag, wird auch das Cover mögen, außer er gehört zu der „ich hasse Heino, deswegen ist alles scheiße, was er macht“-Fraktion. Die Klangmuster sind übrigens identisch. Schon hier zeichnet sich ab, dass für das gesamte Album auf ein (großes) Sortiment an Musikern und Instrumenten zurückgegriffen wird. So ertönen hier und da Trompeten, Flöten, Gitarren (im kleinen Rahmen) und Backgroundsängerinnen.

Ein Kompliment, im Original von der von mir ebenfalls sehr verhassten Band Sportfreunde Stiller war mir vom Titel her nicht bekannt, der „Aha“-Effekt ist deshalb vorprogrammiert. „Ich wollte dir, nur mal eben sagen…“ JA, schön für dich, warum muss das öffentlich sein… Und dann diese schleimige Stimme im Original. Bah. Dieses Lied ist das Erste, was in der Neuinterpretation um ein vielfaches besser ist. Klar, Liebestexte und Schlager – das passt! Quasi ein Heimspiel.

Das wohl bekannteste Lied von Oomph! ist Augen Auf und mir stellt sich die Frage, ob der Text nur bei dem Cover so dämlich wirkt, was ich dank moderner Medien direkt überprüfen kann: Die musikalische Untermalung von Oomph! kaschiert diese Tatsache, was bei Heino nicht der Fall ist. Das Lied geht in dieser Form gar nicht.

Danach wird es ein weiteres Mal befremdlich: Sonne von den Berufsstampfern Rammstein wird komplett verweichlicht, aber dennoch nicht uninteressant interpretiert. Der Auftakt klingt misslungen, der Refrain hingegen erfrischend anders, Heino kann mit seiner Stimme deutlich punkten. Nur das Geklimper nervt, was ist das? Ein Xylophon? Wenn die Gerüchte stimmen und Rammstein sich über das Cover aufgeregt haben, kann man das nachvollziehen. Es wirkt über weite Strecken wie eine teuer inszenierte Satire.

In die Kategorie „widerliche Schnulzenlieder“ reiht sich auch Gewinner von Clueso ein. Man kann nicht noch offensichtlicher das Weichei spielen. „Aber er ist doch so empathisch“, „Er hat eben einen weichen Kern“ oder „er kann halt über seine Gefühle sprechen“ sind alles Sätze, die ich im Zusammenhang mit diesem heuchlerischen Lied gehört habe. So ein Schwachsinn, ich frage mich, wie viele Euro er umgerechnet für jedes „dabei“ verdient hat. Auch dieses Lied ist ein Heimspiel für Heino – 1000 Mal erträglicher als das Original. Er kann singen und hat ein riesiges Team im Nacken, das diesem dick aufgetragenen Text den nötigen instrumentale Rahmen beschert.

Es folgt endlich ein Lied, das ich nicht kenne: Liebes Lied, bei dem Heino rappt! Klingt besser als bei 99% der hauptberuflichen Rapper, dafür nervt der Refrain. Für das Nachfolgeralbum wünsche ich mir Mein Block von Sido.

Nenas Leuchtturm war mir bisher auch nicht bekannt, auch wenn ich peinlicherweise zugeben muss, dass ich die Dame mit 16 Jahren mal live gesehen habe, wenn auch unfreiwillig. Da das Cover relativ zugänglich wirkt, hab ich mir direkt das Original danach angehört – und wurde enttäuscht. Das Cover ist VIEL besser.

Alle guten Dinge sind drei und so kommt es, dass auch Vogel der Nacht mir unbekannt ist. Nachdem ich mich mit beiden Versionen auseinandergesetzt habe, kann ich eine Gemeinsamkeit attestieren: Beide Ausführungen sind grausam. Das Lied ist im Original schon fast ein Schlager und könnte, wenn man nur den Gesang austauscht, auch in der Urversion so auf ein anderes Heino-Album gepackt werden.

Das namensgebende Lied MFG ist mein persönlicher Favorit der Platte. Das Original finde ich okay, aber die Art und Weise, wie Heino die Kürzel betont ist göttlich. Er singt das Lied extrem lebhaft. Die instrumentale Fraktion hält sich zum Glück bei den Strophen extrem zurück, so dass der Gesang noch mehr im Fokus steht.

Kling Klang ist belanglos.

Fehlt nur noch das angekündigte Lied von Westernhagen, das nach dem Ausschlussverfahren Willenlos sein muss. Ich hätte mir als Raushauer lieber Dicke gewünscht, aber das würde lyrisch wahrscheinlich nicht ins Konzept passen. Westernhagen hat viele Lieder, die besser sind, Mit freundlichen Grüßen ebenfalls.

Fazit
Fazit: Im Großen und Ganzen hat Heino (bzw. das Management) hier einen genialen Spagat geschafft: Er ist in aller Munde, ohne sich selber zu disqualifizieren. Es wurden absichtlich nur harmlose Lieder gewählt, hier wird an keiner Stelle geschockt, die Provokation bezieht sich lediglich auf die ungefragte Verwendung von Material von Künstlern, die in der Regel nicht sehr positiv gegenüber Schlagermusikern stehen. Ich mag diese Art von Musikern auch nicht, trotzdem muss ich dem Album aus musikalischer Sicht meine Anerkennung aussprechen, es ist in keinster Weise einfach nur hingeklatscht und weniger auf den schnellen Euro aus, als ich dachte, als ich das erste Mal von der Aktion gehört habe. Faustregel: Wer mit den Originalen etwas anfangen kann, sollte sich die Cover anhören. Sie sind oft auf ähnlichem Niveau wie die Originale, manchmal sogar besser. Mir persönlich fehlen die Spitzen und ich hätte mir mehr Mut zu gewagteren Liedern gewünscht. Hier ein paar Vorschläge für Mit freundlichen Grüßen Anspieltipps: MFG, Junge

Zweites Fazit:

Fazit von Kai R.: Das am gestrigen Freitag erschienene Album Mit Freundlichen Grüßen ist sage und schreibe das erste Schlager-Album, welches ich mir sogar selbst kaufen würde. Klar muss ich meinem Vorredner Gordon Recht geben, dass sich Heino (bzw. sein Management) eine sehr leichte Kost ausgesucht hat, um diese in die Schlagerwelt zu portieren. Doch finde ich, als jemand, der Heino von seiner Oma kennt und sich lieber im Keller verkriecht als freiwillig Schlager von Interpreten wie Andrea Berg, Helene Fischer, Roland Kaiser oder Wolfgang Petri zu hören, dass Heino mit seinem Verbotenen Album die Lieder alle wirklich nur portiert. Es wird kein Song "verschlimmbessert" oder gar durch den Kakao gezogen. Dadurch, dass Herr "Blau-blüht-der-Enzian" bekanntlich über eine sehr gute und tiefe Stimme verfügt, kann er locker mit Dero Goi der Band Oomph! oder sogar Till Lindemann (Rammstein) in der Tonlage mithalten. Wer Songs wie Liebes Lied der Absoluten Beginner (Gesang: Jan Delay) kennt, muss feststellen, dass der Text durch die etwas angepasste Intonation viel besser zu verstehen ist und der Text vom Ärzte-Song Junge passt doch irgendwie besser auf einen 74jährigen Heino als auf einen 50jährigen Farin Urlaub. Wer jetzt gleich meine Punktezahlen sieht, der wird sich fragen, wie ich auf die Punkte komme, die der Gordon nicht gegeben hat. Ganz einfach: Ich finde das Album ist gut produziert und auch wenn ich diese "Rockerkrieg"-Artikel in der Bildzeitung für eine reine (wenn auch sehr wirksame) PR-Aktion halte, hat man hier nichts Schlechteres hingelegt, als Callejon mit dem aktuellen Coveralbum Man Spricht Deutsch. Ich finde alle Kommentare, die ich bisher auf Facebook gelesen habe, die besagen, dass Heino seine Omaschnulzen singen soll und Bands wie Rammstein in Ruhe lassen soll, sind totaler unreflektierter Unfug, da Heino nichts anderes macht als 50% der aktuellen Newcomer Metal-Bands - nur halt in einer anderen Richtung!
Gordon E.
6.6
Kai R.
8.5
Pro
Contra
7.6
Punkte