Eventname: Helloween & Hammerfall – United Forces 2022
Headliner: Helloween
Vorband: Hammerfall
Ort: Verti Music Hall, Berlin
Datum: 08.09.2022
Kosten: 60 € VVK, 65 € AK, 65 €, 79 € und 115 € Premium Seats
Genre: Heavy Metal, Power Metal
Besucher: ca. 3.000 Besucher
Veranstalter: Bottom Row (https://www.bottomrow.com/)
Link: https://www.verti-music-hall.de/events
Setlisten:
- Brotherhood
- Any Means Necessary
- The Metal Age
- Hammer Of Dawn
- Blood Bound
- Renegade
- Venerate Me
- Last Man Standing
- Crimson Medley: Hero’s Return / On The Edge Of Hounour / Riders Of The Storm / Crimson Thunder
- Let The Hammer Fall
- Glory To The Brave
- (We Make) Sweden Rock
Zugabe: - Hammer High
- Hearts On Fire
- Skyfall
- Eagle Fly Free
- Mass Pollution
- Future World
- Power
- Save Us
- Medley: Metal Invaders / Victim Of Fate / Gorgar / Ride The Sky
- Heavy Metal (Is The Law)
- Forever And One (Neverland)
- Gitarrensolo – Sascha Gerstner
- Best Time
- Stein
- How Many Tears
Zugabe:
- Perfect Gentleman
- Keeper Of The Seven Keys
Zweite Zugabe:
- I Want Out
Guten Morgen Berlin, du kannst so hässlich sein und ich falle immer wieder auf deinen antiquierten Charme rein. Auch wenn es sich bei der heutigen Location nicht um einen leicht ranzigen Kult(ur)schuppen handelt, sondern um die „gute Stube“, die erst 2018 ihre Pforten öffnete. Die Verti Music Hall steht für luxuriöse Bestuhlung in den Oberrängen, Klimatisierung, stattliche Getränkepreise und an diesem Abend auch für druckvollen und größtenteils glasklaren Sound. Gut so, denn in diesem Punkt bin ich empfindlich. Schon wenige Tage zuvor lieferte ein Konzert in der gegenüberliegenden Mercedes-Benz Arena einen amtlichen Sound ab. Punkt für Berlin. Über die Verkehrssituation bei der Anreise legen wir ganz schnell den Mantel des Schweigens.
Bei der Auswahl der Restaurants in der Nähe hat man tatsächlich die Qual der Wahl. Ein regelrechtes Überangebot herrscht in unmittelbarer Nähe zur Konzerthalle. Bei der Stärkung vorm Konzert kommt es zur ersten Diskussion zwischen mir und TFM-Buddy Lars, der an diesem Abend wieder für geile Fotos sorgt. Wer ist die „größere“ Band? Ganz klar Hammerfall sagt er, ganz klar Helloween sage ich. Hammerfall-Sänger Joacim wird diese Frage später für uns beantworten.
Die United Forces Tour ist schon eine besondere Angelegenheit für mich. Walls Of Jericho war meine erste CD und Renegade meine erste LP. Beide Bands habe ich schon vor über 15 Jahren das erste Mal gesehen und sie verkörpern die erste und zweite Generation des Power Metal wie kaum eine andere Band. Der Abend kann in dem leider nur gut zur Hälfte gefüllten Saal beginnen. Hammerween und Hellofall mit vereinten Kräften, oder so.
Pünktlich um 19:30 Uhr legen Hammerfall mit Brotherhood, dem Opener ihres aktuellen Albums Hammer Of Dawn, los und haben richtig Bock. Die passende Bühnendeko macht ebenfalls richtig was her. Der luxuriöse Oberrang mit den Hintern-schmeichelnden Sesseln ist gut gefüllt, im Innenraum, in dem ich mich befinde, ist es jedoch überschaubar. Ein Anblick, an den man sich gewöhnen muss oder doch dem Publikum in Deutschland geschuldet ist? Immerhin konnte dasselbe Tourpaket Ende Juni ca. 14.000 Fans in die Prager O2 Arena locken. An diesem Abend dürften es „nur“ 3.000 Fans in die Arena nach Berlin geschafft haben. Den Templern ist das egal. Übe ich seit Jahren immer wieder Kritik an den Studioaufnahmen der Schweden, so haben sie live immer was zu bieten. Der kleine Steg in der Bühnenmitte wird gut genutzt, das synchronisierte Gitarrengepose sitzt und Frontman Joacim stachelt das Publikum an. Was auffällt, ist das Fehlen einer größeren Meute an Hardcore-Fans. Also jene, die absolut textsicher sind und nur mit Hammerfall-Bettwäsche schlafen gehen. Jedoch haben sowohl die Band als auch da Publikum Spaß an der Sache. Der Sound ist nicht extrem laut, aber dafür glasklar. Gerade an der Schwelle, an der man sich traut, lautstark mitzugrölen.
Weiter geht die Metalparty mit Any Means Necessary, ein Garant für gute Laune. Keine Verschnaufpause, denn die United Forces Tour verspricht ein vollwertiges Set beider Bands. „Are you ready for some old school Hammerfall, Templars of Berlin?“, fragt Joacim und wird mit lautstarken Hammerfall-Sprechchören belohnt. Das Metal-Zeitalter in The Metal Age bricht an. Das Debüt der Schweden feierte kürzlich 25-jähriges Jubiläum und wird Thema unserer kommenden TFM-Zeitreise sein. Wie schon erwähnt, konnten mich Hammerfall seit Jahren nicht mit Studio-Langeisen beglücken, umso erstaunlicher glänzen die Songs im Livegewand. So kann auch Hammer Of Dawn, der Titelsong des im Februar erschienenen 12. Albums, punkten. Die Keyboardmelodie hat was von ABBA und dem eindringlichen „Thunder, lightning – Hammer, fighting“ kann man sich nicht entziehen. An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für Gitarrist Pontus Norgren brechen. Seine Soli sitzen am ganzen Abend wie eine Eins. Erst durch seine Coverband At The Movies habe ich sein Talent schätzen gelernt. Blood Bound wird hinterhergeschoben und kann meine Textschublade im Gehirn öffnen.
Das Motorrad heult auf und Renegade sitzt in den Startlöchern. Deutlich härter und schneller als auf Platte wird dem Publikum das Stück entgegengeschmettert. Die „Renegade, Renegade“-Chöre werden lauter und Joacim bedankt sich artig mit den Worten: „What a great fuckin audience you are, danke schön.“ Das Leben wird gefeiert und einmal mehr beweisen Hammerfall, dass ihre Songs stets Livepotenzial besitzen. Venerate Me bildet da keine Ausnahme. Mit den etwas kryptischen Worten „You live once but you die twice“ kündigt der Frontmann das Stück an und baut im folgenden Brecher Last Man Standing sogar den „kleinen Penis“ seines Bandkollegen in die Lyrics ein. Talent hat er ja. 😀
Dass seine Bandkollegen an den Instrumenten ebenfalls richtig was auf dem Kasten haben, dürfen sie im folgenden Crimson Medley unter Beweis stellen. Hero’s Return und On The Edge Of Honour vom 20 Jahre alten Klassiker werden Instrumental vorgetragen, ehe Mr. Cans zu Riders Of The Storm und Crimson Thunder wieder ans Mikro zurückkehrt und die Fans zum Mitsingen animiert. Auf Nachfrage des Frontmanns haben verdammt viele Zuschauer an diesem Abend noch nie ein Hammerfall-Konzert besucht oder sie haben einfach nur „Yeah“ geschrien, ohne die Frage verstanden zu haben. Das kann nicht abschließend geklärt werden. Der Stimmungstest bei Let The Hammer Fall braucht in jedem Fall einige Anläufe, um vom sympathischen Joacim „abgenommen“ zu werden. Die wundervollen „Ohohoh“-Chöre können sich dann allerdings hören lassen, genau wie der Backgroundgesang von Basser Fredrik und Legende Oscar alias der „Metal-Lauch“. Eben jener Oscar Dronjak wird bei der anschließen Bandvorstellung mit „51 % Heavy Metal, 49 % Motherfucker“ angekündigt. Oscar ist schon ein geiler Typ und auch das einzige verbliebene Gründungsmitglied der Schweden.
Bekomme ich von der Powerballade Glory To The Brave noch eine Gänsehaut nach der anderen, so bleibt mir für (We Make) Sweden Rock nur ein müdes Lächeln. Ich verstehe diesen Song einfach nicht. Zu einfallslos, zu vorhersehbar. Aber sei’s drum, denn die Leute haben Spaß. Die Hammerfall-Sprechchöre werden lauter. Zugabe: Dass Hammer High live eine Granate ist, vermutete ich bereits bei Erscheinen des Albums Built To Last im Jahr 2016. Was soll ich sagen? Ich werde nicht enttäuscht. Die folgenden Zeilen mit der Faust in der Luft sind einfach eine Befreiung:
Hammer high this is a freedom cry!
Hammer high, no one should ask me why! It’s my life – Proudly I will defy! Hammer high until I die!Bevor das unabdingbare Hearts On Fire den ersten Teil des Abends beschließt, beantwortet Joacim aber noch schnell die Frage nach der „größeren“ Band: „Ohne Helloween gäbe es kein Hammerfall“. Nachdem auch die letzten Herzen der „Frischlinge“ im Publikum „on fire“ gesetzt wurden und sich Oscar seines Oberteils entledigt, klingt die tolle Show um 20:45 Uhr aus. So kann’s weitergehen.
Warnung: Die folgenden Worte wurden von einem Helloween-Fanboy erster Güte geschrieben. Dieser hört die Musik der Band bereits seit ca. 25 Jahren und kann seine Kürbis-Liebe nicht verbergen.
Schon beim Soundcheck wird klar, dass der Sound Headliner-typisch eine ganze Schippe an Lautstärke draufpackt. Ein Erfrischungsgetränk (5,50 € für ne Coke, geht’s noch?) vertreibt die Zeit und Kollege Lars weist mich darauf hin, dass sich die Reihen sogar noch mehr gelichtet haben. Warum, bleibt wohl ein Rätsel. 21:20 Uhr, der Vorhang fällt und die Bühnendeko toppt alles. Drummer Dani sitzt in einem riesigen ausgehöhlten Kürbis und genügend Etagen wurden geschaffen, um die dreifache Gitarren- und Gesangspower mit Platz zu versorgen. Hut ab vor den Bühnenbildnern. Das düstere Intro Orbit ertönt und der neueste Longtrack-Geniestreich vom schlicht Helloween betitelten Nr. 1 Album folgt auf dem Fuße. Bei Skyfall liefern sich Michael Kiske und Andi Deris das erste Gesangsduell. Auch Kai Hansen ist bei seinem Part gut bei Stimme. Wohl dem, der eine solche Armee an legendären Sängern in seinen Reihen hat. Es ist Keeper-Zeit und Michi darf bei Eagle Fly Free direkt zeigen, dass er seit den Achtzigern nicht das Geringste an Zauber in der Stimme verloren hat. Wenn ich mich im Verlauf der kommenden Zeilen in dieser Hinsicht wiederhole, möge man mir verzeihen. Der Typ ist ein Phänomen. Die Gitarrensoli und Markus‘ typischer Basspart hauen ebenfalls die Füllung aus dem Kürbis. Der Sound drückt ohne Ende.
Sascha Gerstner wechselt immer wieder von hochglanz-weiß zu metallic-rot bei seinem Eyecatcher vom deutschen Gitarrenbauer VIV-Guitars. Die Freude steht den Jungs (na ja, nicht mehr ganz) ins Gesicht geschrieben. Kai mit einem breiten Grinsen: „Wir freuen uns so, euch zu sehen“ ,und Andi ergänzt: „Was soll ich sagen? Erstes Nr. 1 Album nach 30 Jahren, danke Leute.“
Nach langem Bassgefrickel hat Andi seine erste Sternstunde mit der aktuellen Abrissbirne Mass Pollution. Passend zur Textzeile „Make some noise“ fordert er das Publikum bereits zu Höchstleistungen auf. Future World so früh in der Setlist zu sehen, ist doch recht ungewohnt, hat aber zum Vorteil, dass Michi seine beste Leistung abfeuern kann. Bei Power vom unterbewerteten Time Of The Oath-Album macht Andi den Stimmungstest – die Chöre sitzen. Schade, dass nicht noch mehr den Weg in die Halle gefunden haben, dann wäre der Gesang noch einige Blocks weiter zu hören. Mal das Handy wegpacken und stattdessen Applaus klatschen, wäre auch nicht die schlechteste Idee. Die ganz hohen Tonlagen im Keeper-2-Brecher Save Us scheinen Herrn Kiske nur ein müdes Lächeln abzuverlangen. Er nagelt das Teil auf die Bühnenbretter. Der harte Kern in der Bühnenmitte steppt ab, der Rest ist eher verhalten. Die Videoanimationen auf der Leinwand sind mal mehr, mal weniger geschmackvoll.
Kai kündigt die „Geburtsstunde der Musik von Helloween“ an und ich weiß genau, was abgeht. Mein erstes Album, meine persönliche Metal-Geburtsstunde Walls Of Jericho bekommt Spielzeit. Und die hat es in sich. Ein fettes Medley, bestehend aus Metal Invaders, Victim Of Fate (mit ruhiger Passage), Gorgar, Ride The Sky und die volle Breitseite mit Heavy Metal Is The Law jagt mich durch Kürbiswolken direkt in den orangefarbenen Himmel. Kai ist zu meiner Überraschung in der Lage, die spitzen Schreie in Victim Of Fate zu meistern. Das sah bei der Pumpkins United Tour 2018 noch ganz anders aus. Das Album ist und bleibt etwas Besonderes für mich – danke, Jungs. Nach dem Speed-Geballer werden ruhigere Töne angeschlagen. Forever And One klingt laut Kiske „ein bisschen wie die russische Nationalhymne“, was laut Andi Deris „im Jahr 1996 keine Absicht war“. Wie dem auch sei, beide fordern das Publikum auf „im Chorüüüüs“ mitzusingen. Highlight gegen Ende des Songs: Kiske schleift gelangweilt seinen Barhocker hinter sich her an den Bühnenrand. 😀
An dieser Stelle möchte ich den „ewigen Neuen“ Sascha Gerstner ins Rampenlicht stellen. Der ex-Freedom Call Gitarrist ist mittlerweile seit 20 Jahren bei den Hamburgern und kann gar nicht genug gelobt werden. Beweis? Das lange Gitarrensolo als Intro zu seiner Nummer Best Time. Letztes Jahr habe ich das Stück auf dem Album vollkommen unterschätzt. Live ein echtes Brett und sogar die Fans zeigen sich bei einem so „neuen“ Song textsicher. Darf gerne im Set bleiben. Dr. Stein geht immer, meine Damen und Herren. Kiske und Deris dürfen sich nach Herzenslust bei Blödeleien duellieren. Schon jetzt wird der „wirklich letzte Song des Abends“ angekündigt. Dreifache Gesangspower in der nach wie vor tagesaktuellen Antikriegshymne How Many Tears. Kiske bringt die hohen Passagen wieder auf den Punkt und kostet seine Momente voll aus – unfassbar der Typ. Basser Markus Grosskopf wechselt auf Rickenbacker, keine Ahnung, ob ich die bei ihm schon mal gesehen habe. Knurrt in jedem Fall geil.
Auf die kurze Verschnaufpause alias „Warten auf die Zugabe“ folgt das fröhliche Perfect Gentleman und Andi präsentiert sich standesgemäß mit Zylinder und Glitzerjackett. Der lauteste Fangesang des Abends wird von Keeper Of The Seven Keys hervorgebracht. Einfach ein episches Werk und die minutenlangen Chöre sprechen Bände. Die Band wird vorgestellt und Sascha kündigt mit einem verschmitzten Grinsen an: „Wir kommen zum einzigen, der noch seine originale Keeper-Frisur hat — Markus Grosskopf„. Nach erneut kurzer Unterbrechung folgt das obligatorische Finale mit I Want Out. Die Comics auf der Leinwand fetzen und während Andi und Michi „ihr“ Publikum aufteilen, beschert der Rest der Band Police-Vibes. Lautstarkes „I Want Out“ auf der einen und atemraubendes „ohohohohoohoooo“ auf der anderen Seite. Ohne diesen Partykracher geht es einfach nicht und ein schöner Abend geht um 23:25 Uhr zu Ende.
Während meine persönliche Einschätzung sich auf ein gutes Konzert einigt und man meiner Meinung nach jede Sekunde auskosten sollte, die einem in diesen Zeiten bleibt, war ein Fan bei der Garderobe ganz euphorisch: „Eines der besten Konzerte meines Lebens und ich war schon auf Hunderten“, sagte er. Diesen Enthusiasmus wünsche ich mir häufiger und gehe mit einem positiven Gefühl ins Hotel.