Pure & Crafted Festival 2022 am 01.07.2022 im Sommergarten Messe Berlin

Wo Motorradsound und Stimmgewalt aufeinandertreffen

Festivalname: Pure & Crafted Festival 2022

Bands: Nothing But Thieves, The Vaccines, Altin Gün, Sheafs, Yola, De Wolff, Schimmerling, St.Beaufort

Ort: Sommergarten Messe Berlin

Datum: 01.07.2022

Kosten: 40 €

Genre: Alternativ Rock, Blues, Punk

Veranstalter: flora&faunavisions GmbH

Link: http://www.pureandcrafted.com/

Sehnsucht ist das, was den alteingesessenen Biker ereilt, wenn die Saison sich ihrem Ende neigt. Sehnsucht auch nach Veranstaltungen, bei denen man die Leidenschaft, die man mit anderen teilt, feiert und das Leben genießt. Eben so eine Veranstaltung ist das Pure & Crafted und das zur Hochzeit der Motorradsaison. Schon im vergangenen Jahr trotzen die Veranstalter der Pandemie und kämpften für ihr Festival und so findet zum zweiten Mal nach einjähriger Pause 2020 das Pure & Crafted Festival im Sommergarten auf dem Berliner Messegelände statt. Schirmherr des Ganzen und Initiator ist BMW Motorrad. Der Bericht und die Bilder stammen von Jessica G.

Als Musik- & Motorradliebhaber können wir uns das natürlich nicht entgehen lassen. So geht es in der guten alten Heimat Berlin, der Mentalität des Festivals entsprechend, mit dem Motorrad auf in Richtung Messe Berlin. Da es sich beim Pure & Crafted um ein eintägiges Event handelt, ist die Suche nach einer Unterkunft nicht nötig. Dennoch gibt es für jeden Interessierten nahe dem Messegelände einige Hotels, die für den Aufenthalt geeignet sind. Direkt zum Beginn der Veranstaltung bin ich schon vor Ort, gilt es doch vor Beginn der Konzerte die weiteren Highlights, die das Festival besonders machen, zu erkunden. Aber bevor es in die heiligen Hallen der Berliner Messe geht, erst einmal zum Eingang, Fotopass und Festivalband abholen. Beim Ummachen überkommt mich ein Hochgefühl, trage ich doch den Fotopass zum ersten Mal bei mir. Beides wird nach dem Festival definitiv in Ehren aufbewahrt. Ein wenig Aufregung und Nervosität spielen natürlich mit, denn es ist das erste Festival für mich seit Jahren und das erste als Konzertfotografin. Aber als Bikerin fühle ich mich sehr schnell wohl zwischen Gleichgesinnten und bin dank der einladenden Atmosphäre, die das Festival umgibt, enorm gespannt, was die Konzerte für mich bereithalten.

Eine Spielwiese für Motorradfahrer, für den adrenalingepeitschten Biker befindet sich inmitten der Wheels Area – das Motodrom. Eine Steilwand, an der die Motorrad-Artisten um Donald Ganslmeier eine Show ablieferten, die einem den Atem raubt. Umgeben ist das Motodrom von den Custombikern – hier werden Motorräder zu unverwechselbaren Einzelstücken umgebaut. Große Namen der Custom-Szene stellen ihre Unikate auf dem Festival zur Schau, so auch Kingston Customs oder auch WalzWerk.

Während der Erkundungstour des Geländes regnet es in Strömen, was aber das Festival nicht aufhalten kann. Das Festival findet auf zwei Bühnen, die nahe beieinander liegen und so einen zügigen Wechsel zwischen den Auftritten ermöglichen, statt. Die Auftritte beginnen pünktlich. Das Festival startet mit einem Knall. Den Anfang des Festivals macht die britische Band The Vaccines um 14:30 Uhr auf der Hauptbühne mitten im Sommergarten. Dabei sind die Londoner der perfekte Start für das Festival und heizen dem Publikum zu Beginn direkt mit ihrem Entertainment ein. The Vaccines selbst beschreiben ihre Musik wie folgt: „50s Rock ‘n’ roll, ’60s garage and girl groups, ’70s punk, ’80s American hardcore, C86 and good pop music“.

Gut aufgewärmt und locker getanzt geht es in ein Gebäude neben der Hauptbühne, wo die zweite Bühne aufgebaut ist. Allerdings finde ich keine Band zum angegebenen Termin vor. Langsam sickern die Absagen zweier Bands durch, darunter des Headliners Pixies. Aber dies kann die Veranstalter nicht erschüttern. Schnell werde ich über Social Media über ein neu strukturiertes Line-Up inklusive Zeiten informiert und kann meine Besuche bei den Auftritten neu strukturieren. Das neue Line-Up verweist auf die nächste Band, die ebenfalls auf der Hauptbühne zu finden ist. Da noch ein wenig Zeit bis zum nächsten Auftritt ist, schaue ich mich neugierig in General Store um, in dem es alles an Kleidung gibt, was das Bikerherz, im Stile der Veranstaltung, begehrt. Und endlich geht das Festival in die zweite Runde. Durch die Absagen der anderen Band gelang Schimmerling das Upgrade von der zweiten Bühne auf die Hauptbühne. Und diesem machen sie alle Ehre. Dem Auftritt der deutschen Indierock Band wird durch Aussage und Performance Ausdruck verliehen. Dabei ist der Sänger Shimmoneq Mittelpunkt des Auftrittes und hinterlässt ein deutliches Statement im Hinblick auf Gleichberechtigung und Toleranz. Das ändert allerdings nichts an dem Drang, sich zur Musik der Band zu bewegen und mitzugehen.

Für den dritten Act geht es nun zur zweiten Stage. Uns erwarten St. Beaufort. Eine Band, die vorher gar nicht im Line-Up des Festivals eingeplant war und inzwischen doch spontan eingesetzt wird. Die drei Musiker sind ein Mix aus verschiedenen Nationen und sind durch ihre Musik in Berlin zusammengekommen. Ihr Stil beschreibt sich als Fresh Folk und nimmt einen starken Einfluss durch Bluegrass Bands. Jeder der drei ist in der Lage, verschiedene Instrumente zu spielen und so gibt es während des Auftritts den einen oder anderen Wechsel in der Bandaufstellung. Ein erfrischendes Erlebnis mit einer ungewöhnlichen, aber spannenden Musikrichtung. Leider gibt es bei der zweiten Bühne keinen Fotograben und so ist ein Durchdrängeln durch die feiernde Meute nötig, um an gute Fotos zu gelangen. Zur Abwechslung mal Indie und Psychedelic.
Ein weiterer Locationwechsel führt uns wieder zur Hauptbühne und zur britischen Sängerin Yola. Die Blues-Röhre war Sängerin der Band Phantom Limb und sang als Backgroundsängerin unter anderem für Massive Attack und The Chemical Brothers. Mit ihrem Soloprogramm steht sie nun auf der Bühne und sorgt mit ihrer raumfüllenden Stimme für ordentlich Gänsehautfeeling. Das Publikum feiert die Stimmgewalt der Britin und so ist der Bereich um die Hauptbühne bis zum Ende ihres Auftrittes gut gefüllt.

Wir wechseln direkt in das nebenstehende Gebäude und zurück zur zweiten Bühne, wo uns Sheafs erwarten. Die Jungs von der britischen Band heizen den Zuhörern mit ihrer Alternative und Indie Rock ordentlich ein und sorgen dafür, dass es nicht nur um die Bühne, sondern das gesamte Gebäude knackig gefüllt ist und die Menge sich zu ihren Liedern bewegt und den einzigartigen Sound genießt. Dabei fällt dem guten Beobachter besonders das Posing des Sängers immer wieder ins Auge. Bereit für eines der groß angekündigten Highlights geht es zurück zur Hauptbühne, zu Nothing But Thieves. Die britische Rockband rund um den Frontmann Conor Mason bringt schon vor Beginn des Auftritts einen guten Umfang eigener Fans mit und so ist der Bereich um die Hauptbühne gut gefüllt und die Stimmung schon vor Beginn mit Vorfreude erfüllt. Laute Basstöne durchdringen die Ohren und die Stimme Conors bewegt den Zuhörer dazu, sich im Rhythmus mitzubewegen. Selbst mir gelingt es nicht immer, neben dem Fotografieren meine Füße ruhig auf dem Boden zu halten.

Ein letztes Mal geht es Richtung der zweiten Bühne ins Nebengebäude. Dort erwarten mich bereits die Klänge der Psychedelic- und Bluesrock Band De Wolff. Die Niederländer überzeugen mit einer rocklastigen Performance. Sänger Pablo van de Poel headbangt und tanzt mit den Fingern dabei auf seiner Gitarre, als gäbe es kein Morgen mehr. Schon fast so ekstatisch, dass sogar die eigenen Bandmitglieder sich überwältigen lassen und aus freien Herzen mitrocken. So auch Robin Piso, der bis zu dem Zeitpunkt eher gesittet an seinem Keyboard den Auftritt begleitet hat. Ein wundervolles Feeling und man spürte den Musikern die Freude daran, auftreten zu können, förmlich durch die Musik hinweg an.
Statt der heiß erwarteten Indie-Legende Pixies, die kurzfristig absagen mussten, stehen Altin Gün als Headliner des Festivals auf der Hauptbühne. Der eine oder andere Fan ist an der Stelle sicher enttäuscht. Die Rocker aus Anatolien nutzen ihre Möglichkeit aber definitiv und hauchen der Veranstaltung zum Abschluss mit orientalischer Würze nochmals ordentlich Leben ein. Mit ungewöhnlichen Instrumenten und betörenden Klängen kann der Stil von Altin Gün schon zu Recht als Fusion zwischen türkischer Folklore und Psychedelic Rock bezeichnet werden. Ein wenig Exotik kann im interkulturellen Berlin ja nie fehl am Platz sein. Die rhythmischen Klänge ziehen einen in den Bann und wer bis dahin noch nicht einen Muskel zur Musik bewegt hat, wird endlich schwach und tanzt oder wackelt mit.

Fazit: Alles in allem passt das Festival perfekt zu seinem Austragungsort. Ein wenig musikalische Independent-Welt, ein wenig handwerkliche Leidenschaft, getrimmt auf Individualität. Berlin und das Pure & Crafted Festival passen wie der Schuh auf den Fuß und werden auch im kommenden Jahr eine große Anzahl an Motorrad- und Musikliebhabern begeistern.