Saga – Symmetry

Wenn alte Songs in akustischer Version klingen wie gerade komponiert

Artist: Saga

Herkunft: Ontario, Kanada

Album: Symmetry

Spiellänge: 52:35 Minuten

Genre: Progressive Rock, Acoustic Rock

Release: 12.03.2021

Label: earMusic

Link: https://www.facebook.com/SAGAgeneration/

Bandmitglieder:

Gesang – Michael Sadler
Gitarre – Ian Crichton
Bassgitarre – Dusty Chesterfield
Keyboard und Gesang – Jim Gilmour
Schlagzeug – Mike Thorne

Tracklist:

  1. Pitchman
  2. The Perfect Time To Feel Better
    – Time To Go
    – The Perfectionist
    – We Hope You’re Feeling Better
  3. Images – Chapter 1
  4. Always There
  5. Prelude # 1
  6. Say Goodbye To Hollywood
  7. Prelude # 2
  8. The Right Side Of The Other Hall
    – Footsteps In The Hall
    – On The Other Side
    – You Were Right
  9. La Foret Harmonieuse
  10. Wind Him Up
  11. No Regrets – Chapter 5
  12. Tired World – Chapter 6

Ich kann mich tatsächlich noch ziemlich genau daran erinnern, wie es vor knapp 40 Jahren war: In meiner Stammdisco wurde mit der ersten Minute von Don’t Be Late die Tanzfläche freigegeben, und bei der NDR2-Hitparade wurde ein handsigniertes Exemplar des Albums Heads Or Tales verlost. Ich war tatsächlich ausnahmsweise mal unter den glücklichen Gewinnern, und das Teil hat immer noch einen Ehrenplatz bei mir. Seitdem verfolge ich mehr oder weniger regelmäßig das Treiben der Kanadier und war fast schon ein wenig entsetzt, als ich sah, in welchen, für Saga-Verhältnisse, kleinen Locations sie ihre Shows während der Tourneen in den 2000ern teilweise gespielt haben. Aber es ist ja gut, dass es sie immer noch gibt. Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass Michael Sadler nach vier Jahren Auszeit wieder zu seinem Platz am Mikro zurückgekehrt ist und den seit dem Jahr 2011 innehat. Mit ihm habe ich Saga damals ja kennengelernt.

Nach ihrer 2017er Europatournee, bei der sie schon mit einigen akustischen Werken ihre Shows eröffnet haben, haben sich die fünf Männer also zusammengesetzt, um das Ganze auf einem Tonträger festzuhalten. Mit den Originalsongs im Hirn konnte ich mir eigentlich nur schwerlich vorstellen, dass das funktioniert. Aber mit dem Album Symmetry, das am 12.03. über earMusic veröffentlicht wird, beweisen die Männer, dass sie nicht nur damals ein Händchen für großartige Songs hatten, sondern auch jetzt noch in der Lage sind, daraus etwas zu machen, was klingt, wie gerade erst von Grund auf geschrieben und komponiert. Für die musikalische Umsetzung haben sie sich dann mit Shane Cook an der Geige und Stefany Seki und Beth Silver am Cello auch noch Verstärkung geholt. Ich kann allerdings auch Ian Crichton verstehen, der zu diesem Vorhaben unter anderem sagte: „…Acoustic Saga!?!?!… it’s like construction work for an electric guitar player.“ 😀

Dass sie nun gerade mit einem meiner Lieblingssongs von dem Album anfangen, das ich 1983 gewonnen habe, ist natürlich Zufall. Für mich aber tatsächlich gleich der erste Härtetest, denn Pitchman vom Album Heads Or Tales lief damals bei mir rauf und runter, und wenn ich nicht lauthals mitgesungen habe, habe ich begeistert dem rasanten Gitarrenspiel von Ian Crichton und dem „Kampf“ Gitarre gegen Keyboard gelauscht. Das gibt es hier natürlich auch, allerdings mit akustischer Gitarre, Klavier und Geige. Und während die Worte „Don’t mark it up“ in der Originalversion tatsächlich noch sehr gehetzt klangen, kommt der ganze Track jetzt sehr entspannt daher. Nicht erst bei dem fast schon improvisiert klingenden Geigenspiel in der Bridge und dem Outro schießt mir auch mal das Genre Jazz ins Hirn.

Der zweite Track ist im Grund ein Medley aus drei verschiedenen Songs von drei unterschiedlichen Alben. In dieser Version hier könnte man fast schon einen Walzer aufs Parkett legen, zumindest gerate ich aber bei den Geigen- und Celloklängen mächtig ins Schunkeln. Fast schon im Gegensatz dazu haben Saga den Song Images – Chapter 1 sehr behutsam angefasst und seinen Charakter kaum verändert. Hätte er im Original fast schon Teil eines Musicals sein können, fällt hier das leicht Theatralische weg, und ich denke tatsächlich ein wenig an uralte Kinderserien, wie Lassie oder Flipper, als die Welt aus meiner Sicht noch in Ordnung war.

Mit Zeitsprüngen haben Saga auf Symmetry überhaupt keine Probleme. Always There ist einer der „neueren“ Songs, er fand sich auf dem Album House Of Cards aus dem Jahr 2001, und auch hier wurde der ursprüngliche Charakter kaum verändert. Zu diesem Song haben die Männer ihre Fans gebeten, kurze Videos von sich selbst aufzunehmen, während sie diesen Song performen. Das sehr coole Ergebnis davon kann man sich auf YouTube anschauen.

Prelude #1 leitet über zur Ballade Say Goodbye To Hollywood, und auch hier gab es nicht viel zu verändern. Der Gesang, hier mal von Jim Gilmour, klingt, zum ersten Mal auf Symmetry, manchmal ein wenig verfremdet, das tut dem Song aber natürlich keinen Abbruch. Mit Prelude #2 geht’s dann zum nächsten Medley, und erfreulicherweise kommen die Songs genauso leichtfüßig daher wie die Originale. Im Gegensatz zum ersten Medley bleiben Saga hier bei einem Album, nämlich Trust aus 2006. Das ging ja ein wenig in Richtung Art Rock, der wurde hier noch ein wenig mit fast schon folkloristischen Klängen gekreuzt, was definitiv eine sehr interessante Kreuzung hervorbringt.

Vor dem von mir mit Spannung erwarteten Wind Him Up gibt es mit La Foret Harmonieuse noch ein Klavierstück, bei dem es fast klingt, als ob Michael Sadler zufällig dazustößt und sich kurz mit Jim Gilmour unterhält, während dieser sich für die anstehende Show warmspielt. Aber dann ist es endlich soweit. Selbstverständlich spielen die akustischen Gitarren im Intro die altbekannte Melodie, aber ähnlich wie bei Pitchman fehlt hier „natürlich“ die Energie des Originals. Die wurde ersetzt durch sehr viel Lässigkeit und einem gewissen Jazz-Feeling, wobei das zu der besungenen Szenerie ja fast noch besser passt. Hier zeigt sich auch mal wieder, dass die Verstärkung mit Geige und Celli genau die Richtige ist. Bei der Ballade No Regrets – Chapter 5 darf dann noch einmal Jim Gilmour, wie schon in der Originalversion, den Gesangspart übernehmen. Ein wenig vermisst man hier in der akustischen Version vielleicht den sehnsuchtsvollen Vibe, aber auch beim vorletzten Track haben Saga ganze Arbeit geleistet. Mit Tired World – Chapter 6 geht es dann noch einmal ganz weit zurück in die Vergangenheit. Der Song fand sich auf dem selbst betitelten Debütalbum aus dem Jahr 1978, und wenn man bedenkt, welch‘ langen Weg er jetzt hinter sich hat, kommt auch er erstaunlich frisch daher. Ein großartiger Schlusspunkt für dieses so ungewöhnliche wie tolle Album.

Saga – Symmetry
Fazit
Wie ich schon schrieb, war ich sehr skeptisch, dass nun ausgerechnet die manchmal sehr bombastischen (Progressive) Rock-Songs von Saga in ein akustisches Gewand gehüllt werden sollten. Ich hatte auch nicht mitbekommen, dass das schon während der 2017er Tour sehr gut funktioniert hatte, für mich war Symmetry der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Allerdings haben Saga die Songs wirklich sehr behutsam angefasst und sich wohl überlegt, wie man sie bestmöglich in das neue Format bekommt. Für das Review habe ich mir von einigen Songs noch einmal die Originalversion angehört, aber das muss man nicht. Dieses Album kommt genau zur richtigen Zeit, denn es gibt mir tatsächlich eine Menge Auftrieb in dieser nun schon so lange andauernden unerquicklichen Lage. Danke dafür!

Anspieltipps: Pitchman, The Right Side Of The Other Hall, Wind Him Up und Tired World – Chapter 6
Heike L.
9.5
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