Artist: D’Virgilio, Morse & Jennings
Herkunft: USA, England
Album: Troika
Spiellänge: 51:42 Minuten
Genre: Folk Rock, AOR, Singer-Songwriter, Progressive Rock
Release: 25.02.2022
Label: InsideOut Music
Links: Nick D’Virgilio, Neal Morse, Ross Jennings
Bandmitglieder:
Alle Instrumente und Gesang – Nick D’Virgilio, Neal Morse und Ross Jennings
Tracklist:
- Everything I Am
- Julia
- You Set My Soul On Fire
- One Time Less
- Another Trip Around The Sun
- A Change Is Gonna Come
- If I Could
- King For A Day
- Second Hand Sons
- My Guardian
- What You Leave Behind
InsideOut öffnet mal wieder die Zauberkugel und lässt eine Prog Supergroup auf die Meute los. Wie fast immer dabei, Tausendsassa Neal Morse. Dieser stellt seine Songwriting-, Gesangs- und Instrumentalkünste in schöner Regelmäßigkeit bei Transatlantic, Flying Colors und NMB unter Beweis. Ihm zur Seite stehen beim neuesten Projekt Hakens Goldkehlchen Ross Jennings und Neals alter Weggefährte bei Spock’s Beard, Nick D’Virgilio. Der ebenfalls als Multiinstrumentalist bekannte D’Virgilio war u. a. auf dem letzten Genesis-Studioalbum Calling All Stations an den Drums zu hören, genau wie seit über einer Dekade bei den britischen Retro-Proggern von Big Big Train. Bei so viel Manpower hat es nicht mehr für einen ordentlichen Bandnamen gereicht. Da sprechen wohl die bekannten Namen der Musiker für sich. Ähnlich wie bei Neals anderen Gruppen oder wie damals bei den Beatles, kann jeder Beteiligte wundervoll singen. Scheint so eine Art Aufnahmebedingung in den Club der Supergroups zu sein.
Wer bei diesen Voraussetzungen ein progressives Epos mit ausufernden Arrangements und halsbrecherischen Akkordwechseln erwartet, der kann jetzt aufhören zu lesen. Wie der Titel Troika (dt. Dreigespann) schon verrät, arbeiteten die drei begnadeten Musiker gemeinsam an den Songvorschlägen, die jeder einbrachte. Gewachsen ist Troika wie so oft auf einer Idee von Neal Morse aus der Zeit im Lockdown. Herausgekommen ist dabei ein sanftmütiges Stück Musik in der Tradition der vermutlich ersten Supergroup Crosby, Stills & Nash (daher wohl auch die Namenswahl der Band). Namen wie Beatles, The Band oder Simon & Garfunkel dürften ebenfalls eine Rolle beim Songwriting gespielt haben. Gesangsharmonien gepaart mit folkiger Instrumentierung und nur vereinzelten kurzen Ausflügen in die Welt der verzerrten Gitarren oder des progressiven Rocks. Tatsächlich musste dieses Ende Februar erschienene Album erst einige Runden drehen, um seine Magie zu entfalten. Der Sound ist so aufbauend und wärmend, dass er mit den ersten Sonnenstrahlen auf der Haut einfach besser funktioniert.
Sobald die ersten Klänge von Everything I Am angestimmt werden, dürfte klar sein, was mit den vorherigen Vergleichen gemeint ist. Die Musik atmet den Frühling ein und bläst die letzten hitzigen Sommertage wieder aus. Wahlweise auf dem Highway mit heruntergekurbelten Fenstern die Freiheit genießen oder an einem lauen Sommerabend gemeinsam mit Freunden am Lagerfeuer sitzen. Das verkörpert der Opener und erwartet uns auch im weiteren Verlauf des Albums. Die drei Stimmen harmonieren hervorragend und der Leadgesang von Nick D’Virgilio versetzt mich genauso in Verzückung wie 2007 bei seinem Auftritt auf dem Rock Hard Festival mit den mächtigen Bärten von Spock. Man sollte sich immer vor Augen halten, dass der gute Mann hauptberuflich Drummer ist.
Mit Julia wird es noch verträumter und überzeugt abseits vom schwer zugänglichen Material der Hauptbands der Protagonisten auch die Freundin bei einem romantischen Abend im Kerzenschein. Der Refrain ist einfach ein Ohrwurm, wie er im Buche steht. You Set My Soul On Fire lädt zum gekonnten Hüftschwung ein, und wenn man den Tanzunterricht in seiner Jugend nicht geschwänzt hat, kann man seine Holde nach dem Candle-Light-Dinner noch zum Tanzabend ausführen. Wie seine Vorgänger basiert euch One Time Less auf Rhythmen der Akustikgitarre. Fast schon etwas dem Country zugetan, was mir als Fan des Genres sehr zusagt. Beim Refrain wippen wieder einmal die Schultern und Arme im Takt.
Bei den Zeilen „A toast to the ones who really matter. Raise your glass until it shatters – Sweet Louisiana“ des folgenden Titels Another Trip Around The Sun fühle ich mich wie bei einem gemütlichen Abend mit einem kühlen Getränk unter dem Sternenhimmel der amerikanischen Südstaaten. Das richtige Feeling dafür vermitteln die drei Herren zu jeder Zeit. Etwas nachdenklicher wird es in A Change Is Gonna Come, was auf die angespannte politische Lage in den USA im Sommer 2020 zurückzuführen ist. Zu dem Zeitpunkt entstand der Song aus der Feder von Neal Morse und basiert auf folgenden Worten von Martin Luther King: „Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er biegt sich in Richtung Gerechtigkeit.“ Dazu bringt Morse musikalisch immer wieder Querverweise zum Spock’s Beard-Klassiker June. Wer diesen Song mag, wird Troika lieben.
If I Could startet zunächst etwas belanglos, wird aber durch seine antreibende Kraft zum Ende hin wieder nach oben gehoben. Der „Rock ’n‘ Roll Train“ startet erstmals mit King For A Day. Moog-Fahrten und verzerrte Gitarrensoli lockern den bisher dominierenden Folkanteil etwas auf. Ein klassischer Morse-Song mit dem Prädikat – „uplifting“. Second Hand Sons behält den Schmutz im Sound bei. Gut so, sonst wäre mir die über 50-minütige Spielzeit wohl etwas zu eintönig. Mehr Hammondorgel und Hendrix-Gefrickel, weniger Simon & Garfunkel. Da kommen selbst Prog Rocker auf ihre Kosten. My Gurdian will auch nach dutzenden Durchläufen nicht so recht in die restliche Mischung aus Folk und Rock passen. What You Leave Behind tröstet die Seelen der Menschen einer kaputten Welt auf wundervolle Art und Weise. Ross Jennings, Zauberstimme und Jungspund des Dreigespanns, bekommt etwas mehr Bühne und lässt den Hörer mit den letzten Akkorden in Hoffnung schwelgen.