Helmet Dead To The World

Helmet – Dead To The World

“Quo vadis, Helmet?”

Artist: Helmet

Herkunft: New York City, USA

Album: Dead To The World

Spiellänge: 36:58 Minuten

Genre: Alternative Metal, Alternative Rock, Noise Rock

Release: 28.10.2016

Label: earMUSIC

Link: http://www.helmetmusic.com/

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre – Page Hamilton
Gitarre – Dan Beeman
Bass – Dave Case
Schlagzeug – Kyle Stevenson

Tracklist:

  1. Life Or Death
  2. I ♥ My Guru
  3. Bad News
  4. Red Scare
  5. Dead To The World
  6. Green Shirt
  7. Expect The World
  8. Die Alone
  9. Drunk In The Afternoon
  10. Look Alive
  11. Life Or Death (Slow)

Helmet Dead To The World

Sechs Jahre ist es her, seit Helmet mit Seeing Eye Dog ihr letztes Studioalbum veröffentlichten. Auch wenn die Band seit ihrer Gründung 1989 etliche Mitgliederwechsel mitgemacht hat und im Endeffekt nur der Kopf der Band, Page Hamilton, übriggeblieben ist, ist auf der vorliegenden Platte nur Bassist Dave Case, der Jon Fuller ersetzt neu im Kader.

Produziert wurde Dead To The World von Hamilton selbst, gemixt von Jay Baumgardner, der auch bereits Size Matters von Helmet gemischt hat und u.a. mit Papa Roach und Evanescence arbeitete und aufgenommen von Toshi Kasai, der bereits an Seeing Eye Dog beteiligt war und einige Melvins-Alben einspielte. Das Album erscheint erstmals auf earMUSIC, das u.a. Künstler wie Babymetal, Skunk Anansie oder Tarja Turunen beheimatet.

Alles in allem also keine schlechte Ausgangslage, um Album Nummer 8 auf die Welt loszulassen. Hamilton beschreibt das kommende Album wie folgt:
We disagree, we disrespect, discourse disappears in the age of access. When in doubt GET LOUD! It’s my way or the highway, thank you Lawrence Tierney!
(Hamilton nimmt hier Bezug auf ein Zitat Tierneys aus
Reservoir Dogs)

Man sollte sich nichts vormachen: Die Zeiten von Meantime und Betty, in denen Helmet die Keule geschwungen haben, die Piccolo-Snare zum Angriff rief, Hamiltons Stimme zwischen rauh und clean pendelt, der Bass satt geknarzt hat und die Songs beinahe stonerartig groovten sind vorbei.

Life Or Death verzichtet auf eine Einleitung und geht gleich auf den ersten Schlag auf Los. Und mein erster Gedanke war: Die Foo Fighters haben zu alter Stärke zurückgefunden! Hamiltons Stimme, die Akkordfolgen, der Schlagzeuggroove, das gesamte Arrangement ähnelt den ersten Songs der Band des Ex-Nirvana Drummers doch sehr.

I ♥ My Guru kommt mit interessanter palm-muted Gitarrenstrophe daher und ich frage mich noch, ob das “oh oh oh oh oh oh oh” im Zwischenteil ernst gemeint sein soll oder Hamilton hiermit jemanden oder etwas persifliert. Im Outro des Songs kommt endlich etwas wie Wut auf, die durch “Shut the fuck up!” auch textlich verdeutlicht wird.

Auch Bad News – die erste Auskopplung des Albums – könnte Teil des Debütalbums der Foo Fighters gewesen sein. Die Grunge-Stimmung irgendwo zwischen I’ll Stick Around und Big Me ist unbestreitbar. “All news is bad news from now on”, klingt es da aus den Boxen, überraschend optimistisch und harmonisch. Gut möglich, dass ich die Ironie hier noch nicht ganz erfasse.

Red Scare ist dann der erste Song, der eingangs an alte Helmet-Zeiten erinnert. Ein satter Groove, der ein wenig roher gesungen sicherlich noch effektiver hätte sein können. Der nachfolgende Refrain hat für mich beinahe etwas von The Afghan Whigs. Der Noise-Zwischenteil scheint hier beinahe unliebsame Makulatur, um alle Elemente eines typischen Helmet-Songs auch definitiv widerzuspiegeln.

Der Titelsong beginnt mit einer gewissen Bedrohlichkeit und erfährt durch den leicht gesäuselten Gesang Hamiltons etwas Psychopathisches. So richtig zündet dieser aber auch zum Refrain hin nicht. Und das bleibt den Rest des Songs so.

Green Shirt…lupenreines Pop-Rock-Intro mit leichtem U2-Einschlag und irgendwie drängt sich hier irischer Folk um die Weihnachtszeit herum auf, was an der rhythmischen Gesangslinie liegen mag. Irgendwie hofft man, dass es gleich noch losgeht. Aber…leider nein, leider gar nicht.

Expect The World startet mit einem optimistischen “It’s great to be alive”, und  traut sich nach dem doch recht lieblichen Intro und Strophenteil, die beide an die Smashing Pumpkins erinnern auch endlich mal, die Stimme im Chorus über’s Reibeisen zu schicken, auch wenn hier kaum Druck spürbar ist und das Ganze wenig mit den alten Zeiten gemein hat. Zusätzlich ist die Stimme künstlich leicht angezerrt und erinnert eher an den Nachbarn, der die Nachbarskinder erschrecken und vom Rasen verscheuchen will.

Die Alone ist die vermutlich frustrierteste Nummer des Albums, die gänzlich ohne cleane Vocals daherkommt. Ein exzessiver Gitarren-Noise-Part fügt sich passend in die Mitte des Songs ein. “You die alone judging everybody, did you clear your name? Did you take their money?”, schmettert Hamilton dem Hörer rotzig entgegen. Okay, das geht schonmal in die erwartete Richtung. Aber…wir sind bereits bei Song Nummer 8 angekommen.

Drunk In The Afternoon – eigentlich eine Steilvorlage für eine abgedrehte akustische Vertonung – wirkt etwas uninspiriert und konzeptlos. Sperrig. Vielleicht ist es das, was von einem typischen Helmet-Song sonst so erwartet wird. Ich finde hier in dem Fall persönlich keinen Zugang dazu. Und was dann der angehängte Teil am Ende des Songs, der musikalisch nichts mit den vorherigen drei Minuten und 39 Sekunden zu tun hat bedeutet…ich weiß es einfach nicht.

Look Alive ist mit über vier Minuten der zweitlängste Track der Platte und der eigentliche Ausklang, zählt man die langsame Version des Openers nicht dazu. Der Song kommt schwermütig und träge mit chromatischem Gitarrenriff in der Strophe daher, das in einem extrem melodiösen Refrain aufgelöst wird und erinnert ein wenig an die Band FAR um Jonah Matranga. Der Song widerspricht erneut allem, was Hamilton für die Platte angekündigt hat, überzeugt aber trotz seiner Einfachheit (lediglich Strophe plus Refrain im Wechsel; angehängtes Outro) dann doch irgendwie. Weniger ist mehr. Es muss einfach nicht an allen Ecken und Enden Noise platziert und erzwungen geröchelt werden.

Der Quasi-Bonustrack Life or Death (Slow) ist nicht unbedingt schlechter als die “schnelle” Version, aber auch nicht besser. Von der Länge her geben sich die beiden Versionen nicht viel, da die Slow-Version einfach noch künstlich durch ein paar Geräuscheffekte verlängert wurde und sogar auf den reinen Song bezogen auf eine ähnliche Spielzeit kommt. Über die Notwendigkeit lässt sich nach dem eigentlich recht dienlichen Abschluss Look Alive streiten.

Bisher wurde zu folgendem Song ein Video veröffentlicht:

Bad News:

Die Band geht auf ausgedehnte US-Tour und stattet Anfang 2017 auch Europa einen Besuch ab, für den sie sich Local H. als Support geholt haben:

23.01.2017 Berlin – SO 36
24.01.2017 Dresden – Scheune
25.01.2017 Hannover – Musikzentrum
26.01.2017 Hamburg – Knust
07.02.2017 Köln – Gebäude 9
21.02.2017 Biel – Bienne – St. Gervais
27.02.2017 Wien – Szene
28.02.2017 Dornbirn – Conrad Sohm
03.03.2017 München – Technikum
04.03.2017 Stuttgart – Universum

Fazit: Dead To The World ist beileibe kein schlechtes Album. Was Helmet hier tun, tun sie recht solide. Die Stimmungsbeschreibung “Waffen, Munition, Ungeduld und Mord” (sollten sie denn das Album beschreiben), die auf Helmets Website nachzulesen sind, finden sich hier dennoch bei bestem Willen nicht wieder. Vielleicht hat Hamilton sie in seine Texte verpackt. Musikalisch ist davon jedoch wenig zu spüren. Mit 36:58 Minuten inkl. des Bonustracks ist das Album 90er Jahre-typisch verhältnismäßig knapp gehalten und die Spielzeit reflektiert recht gut die Kurzweiligkeit der Songs. Helmet sind nicht belanglos, aber unerwartet eingängig und wenig sperrig oder trocken denn groovig. Eine Band darf und soll sich weiterentwickeln, keine Frage. Vermutlich finden Hörer, die Helmet früher gar nicht kannten, mehr Gefallen an Dead To The World. Fans früherer Werke werden sich damit deutlich intensiver auseinandersetzen müssen, um eine vielleicht tiefere Botschaft dahinter zu erkennen.

Anspieltipps: Life Or Death, Bad News
Sebastian S.
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Leser Bewertung1 Bewertung
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