Imperial Triumphant – Alphaville

Eine knappe Stunde vertonte moderne Kunst

Artist: Imperial Triumphant

Herkunft: New York, Vereinigte Staaten von Amerika

Album: Alphaville

Spiellänge: 59:25 Minuten

Genre: Avantgarde Metal, Experimental Metal, Extreme Metal

Release: 31.07.2020

Label: Century Media Records

Link: https://www.facebook.com/imperialtriumphant/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Zachary Ilya Ezrin
Bassgitarre – Steve Blanco
Schlagzeug – Kenny Grohowski

Tracklist:

  1. Rotted Futures
  2. Excelsior
  3. City Swine
  4. Atomic Age
  5. Transmission To Mercury
  6. Alphaville
  7. The Greater Good
  8. Experiment (Voivod Cover)
  9. Happy Home (The Residents Cover)

Auf Facebook haben Imperial Triumphant knapp 14.000 Follower, an mir sind sie bislang zugegebenermaßen komplett vorbeigegangen. Dabei hat die Band bereits im Jahr 2012 ihr Debütalbum Abominamentvm veröffentlicht, danach im Jahr 2015 das Album Abyssal Gods und als dritten Streich im Jahr 2018 Vile Luxury nachgelegt. Nun also mit Alphaville, das am 31.07. über Century Media erscheinen wird, das vierte Studioalbum. Das beschreiben die Männer von Imperial Triumphant so: Alphaville is a record designed to be slowly and sensationally unfurled by the listener. It is a very dense and challenging environment we place you in. However, every track, transition, every word and note has been scrutinized over to ensure the most rewarding experience. The auditory journey is ready for you, just press play.“ Vorher aber noch das Cover bewundert, das mich, obwohl ich den Film nie gesehen habe aber natürlich das Filmplakat kenne, ein wenig an Fritz Lang’s Stummfilmklassiker Metropolis erinnert. Verantwortlich für dieses großartige Cover ist Zbigniew M. Bielak.

Verantwortlich für das, was in den nächsten knapp 60 Minuten auf mich einprasselt, sind dann aber die drei Amerikaner und das Team, das sie um sich versammelt haben, um diese, sagen wir mal, Klanginstallation, zu erschaffen. Beim ersten Hörversuch habe ich dann auch tatsächlich nach drei Minuten abgebrochen, man muss schon in der Stimmung sein, sich das Werk mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit anzuhören. Zum Album gibt es übrigens eine sehr gut gemachte „In-Studio-Documentary“ von Metal Injection, die über achteinhalb Minuten sehr viel Erhellendes und auch einige Überraschungen zutage fördert:

In diesem Video fallen mehrfach die Worte „dissonant“, „Jazz-influenced“ und „Avantgarde Black Metal“. Dissonant kann ich sofort unterschreiben, wobei jetzt nicht das komplette Album in den Ohren wehtut. Aber die Männer von Imperial Triumphant beherrschen die Harmonielehre wohl tatsächlich aus dem Effeff, denn sie wissen genau, mit absolut unregelmäßigen Rhythmen, fast schon improvisiert klingenden Strukturen und überraschenden Wendungen, den Hörer zu fordern. Wenn dann Zachary erzählt, dass ihn manche Teile der Soundkulisse von New York auch in seinem Spielstil beeinflussen, zum Beispiel das auf und ab wabernde Geheule der Polizeisirenen oder das Quietschen der Metallräder der Bahn in der engen Kurve bei der Einfahrt in die 14th Street, hört man aus jedem Wort seine große Begeisterung, das wirklich aufzunehmen und umzusetzen. Jazz-influenced macht Sinn, wenn man an Free Jazz denkt, und Avantgarde ist ja die große Klammer, die das alles zusammenhält. Was den Black Metal betrifft, könnte man den ein wenig dem Gesangsstil von Zachary zuordnen, wobei der eher aus dem Off zu kommen scheint und sich mühsam seinen Weg durch den Klangwust bahnen muss. Bei diesen ganzen oft so überladenen, immer sehr komplexen und manchmal fast schon freestylemäßig daherkommenden Songs gibt es auf Alphaville aber auch immer diese kleinen Momente, die im direkten Vergleich schon fast absurd erscheinen. So zum Beispiel der wie aus einem 50er-Jahre Film klingende Männergesang zu Beginn von Atomic Age oder das ruhige Klavierspiel, in das noch eine sehr jazzige Trompete einstimmt, und das sehr einlullend während der ersten knapp zwei Minuten von Transmission To Mercury aus den Boxen tröpfelt.

Das Album schließt mit zwei Coversongs. Der erste von beiden, Experiment, stammt ursprünglich von Voivod. An die habe ich mich ein paar Mal versucht ranzutasten, aber sie sind einfach nicht meins. Im Vergleich zu den Imperial Triumphant-eigenen Songs kann man diesem hier allerdings tatsächlich zumindest eine gewisse Eingängigkeit – wenn man dieses Wort in einem Review für Imperial Triumphant überhaupt nutzen kann – nicht absprechen. Das Chaos hier hat doch eine gewisse Ordnung. Auch Happy Home, ursprünglich von The Residents, kommt nicht als 08/15-Song, sondern natürlich schon sehr experimentell daher. Irgendwie habe ich das Gefühl, einem komplett abgedrehten Bühnenstück in einem dieser alternativen Kleinkunsttheater zuzuschauen, wobei ich nicht sagen kann, ob das Stück ein Happy End hat.

Mit Rotted Futures startet das Album, hier gibt es das Video dazu:

Imperial Triumphant – Alphaville
Fazit
Hatte ich nach meinen Reviews für Igorrr und The Hirsch Effekt eigentlich gedacht, dass es viel krasser nicht geht, kommen Imperial Triumphant daher und zertrampeln mühelos meine sorgfältig aufgebaute Sandburg. Man muss wirklich in der Stimmung sein, sich dieses Album zu geben – es sei denn, man ist sowieso Fan. Mir hat das Album nach mehrmaligem Hören auf jeden Fall fast schon Spaß gemacht; ich muss allerdings auf jeden Fall meinen Hut ziehen vor den Männern von Imperial Triumphant, sich so etwas auszudenken und auch umzusetzen. Ich werde Alphaville wahrscheinlich nicht mehr allzu oft hören, freue mich aber, diese Hör-Erfahrung gemacht zu haben.

Anspieltipps: Rotted Futures, Atomic Age und The Greater Good
Heike L.
8.5
Leser Bewertung1 Bewertung
9
8.5
Punkte