Persefone auf European Tour 2024 am 05.02.2024 im Hansa 39 in München

Gefrickel im Halbdunkel

Eventname: European Tour 2024

Headliner: Persefone

Vorbands: Lampr3a, Stellar Circuits, Hypno5e

Ort: Feierwerk München (Hansa 39)

Datum: 05.02.2024

Kosten: 25,00 € VVK, 30,00 € AK

Genre: Progressive Metal, Melodic Metal, Avantgarde Metal, Death Metal

Besucher: ca. 80 Besucher

Veranstalter: Feierwerk München

Link: https://www.feierwerk.de

Neues Entdecken – das ist für mich schon immer einer der wichtigsten Aspekte beim Besuchen von Konzerten gewesen. Nicht, dass es minder großartig wäre, altbekannte und liebgewonnene Kapellen immer wieder auf der Bühne zu erleben, aber was würde man nicht alles verpassen, wenn man sich nur auf eben diese konzentrierte.

Lampr3a – 20.02.2024 -München

Der heutige Abend im Feierwerk München ist wie gemacht dafür, diese Neugier wieder einmal zu stillen, denn ich kenne keine einzige der Bands. Angekündigt als abwechslungsreiche Mischung irgendwo zwischen progressiver Frickelei, melodischem Death Metal und avantgardistischen Ausflügen trifft das Billing schon einmal theoretisch einen guten Teil meines Geschmacks. Interessant – der Headliner Persefone kommt aus dem Pyrenäenstaat und Fürstentum Andorra und ist damit eine von ganzen sechs Metal-Bands, die die Encyclopaedia Metallum für diese Location ausspuckt. Wirklich voll ist es im Hansa 39 nicht, als ich eintreffe, aber die Stimmung ist locker und ich blicke in gut gelaunte und gespannte Gesichter.

Den Anfang machen Lampr3a aus dem Baskenland, eine dreiköpfige Combo, die erst im letzten Jahr ihren ersten Longplayer mit dem Namen ESnSE herausgebracht hat. Dabei lassen die Jungs ausschließlich ihre Instrumente sprechen, Gesang gibt es nicht. Am ehesten erinnert mich das vertrackte Gehacke vielleicht noch an die Amerikaner von Polyphia. Stakkato-Riffing und aberwitzige Taktwechsel verbinden sich mit verträumten Melodiebögen und Gitarrensoli, dazwischen immer wieder kurze, zart gezupfte und getappte Atempausen. Sehr interessant ist der sogenannte Chapman Stick, ein zehnsaitiges, an eine Zither erinnerndes, großes Griffbrett ohne Korpus, auf dem Basser J.I. Izaguirre völlig entspannt die abgefahrenste Akrobatik veranstaltet. Die Musik von Lampr3a ist aufregend, mitreißend und schwelgerisch zugleich, vielleicht etwas zu aufgeregt und unruhig, um sich wirklich fallen zu lassen. Mein Hirn versucht die meiste Zeit, den flirrenden Tonkaskaden irgendwie zu folgen – vergeblich. Über das Licht verliere ich an dieser Stelle mal lieber kein Wort, nur so viel – es wird nicht besser, je weiter der Abend fortschreitet. Die verzweifelten Blicke eines Fotografenkollegen stoßen auf stummes Verständnis, kurz klopft man sich auf die Schulter und murmelt sich den Frust von der Seele. Was soll’s, es geht ja um die Musik, und die funktioniert auch bei Dämmerlicht.

Stellar Circuits – 20.02.2024 -München

Die Nächsten im Bunde sind Stellar Circuits, und ich darf eine dieser seltenen Offenbarungen erfahren, die das Kennenlernen neuer Musik manchmal mit sich bringt. Eine interessante Mischung aus verfrickelten Djentgitarren, gesprochenen Intro- und Outro-Passagen, Geschrei und melodiösen, gesungenen Nu-Metal-Versatzstücken – hier kommt einiges zusammen und kann vor allem in seinem Abwechslungsreichtum überzeugen. Viele der gesungenen Parts erinnern dabei immer wieder an A Perfect Circle, ohne dass jedoch die Stücke ganz deren kompositorische Größe und Stimmung einfangen könnten. Ein wenig kämpft Sänger Ben mit den Tönen, das muss man nicht verschweigen, der Stimmung tut das aber keinen Abbruch, ebenso wenig wie der wirklich großartigen und emotionalen Performance. Mehr als einmal richtet man dankbare Worte an die Besuchermeute. Wie die Band es schafft, das Publikum nach wütenden Ausbrüchen, bei denen der tätowierte Schönling mit zusammengekniffenen Augen den Bühnentod stirbt, immer wieder mit diesen einlullenden und irgendwie altvertrauten Melodien aufzufangen, ist ziemlich großes Tennis. Songs vom 2023er Sight To Sound wie Witch House, Alchemy und Catch Your Death kommen zu Gehör, ebenso wie Nocturnal Visitor und The Polar Dream vom Erstling. Ich sollte mich doch sehr irren, wenn man von diesen Typen nicht noch hören wird. Das letzte Album haben immerhin Nuclear Blast rausgehauen, und Talent ist hier definitiv vorhanden.

Hypno5e – 20.02.2024 -München

Band Nummer drei hat – ebenso wie der Opener – eine Ziffer im Bandnamen. Hypno5e aus Frankreich spielen Cinematic Metal – was auch immer das ist. Zunächst aber kommt der Schlagzeuger auf die Bühne geschlappt und entschuldigt sich dafür, dass der Sänger seine Stimme irgendwo zwischen Paris und Barcelona verloren hätte und diese bisher nicht wieder aufgetaucht sei. Letztendlich scheint das Organ aber zum Glück doch nicht ganz unbrauchbar, und Hypno5e nehmen uns mit auf eine verträumte Reise, mäandernd durch eine Vielzahl von Stimmungen und Klanglandschaften. Auch wenn die leisen Töne definitiv nicht zu kurz kommen, der Post-Metal bricht immer wieder durch und es geht zur Sache. Ich beginne zu verstehen, was es mit „Cinematic“ auf sich hat. Auf Platte und im stillen Kämmerlein ist das todsicher der Stoff, der zum Versinken einlädt, ohne einlullend oder gar einschläfernd zu sein. Die zweistelligen Minutenangaben so mancher Songs sprechen Bände.

Zwischen Schlagzeug und Frontreihe hat man außerdem LED-Lichtsäulen aufgebaut, die dem Auftritt in wildem Strahlen und Blinken die passende Stimmung verpassen, je nach Song. Wie gut sich diese Art von Beleuchtung für scharfe Bilder vor der Bühne eignet – nun ja. In der ersten Reihe finden sich dann nach kurzer Zeit auch Ben und Jared von Stellar Circuits ein, um den Tourkameraden zu huldigen. Arm in Arm stehen sie vor der Bühne und tauchen ein in die Wogen aus Sound, die Hypno5e in den Raum zaubern.

Endlos lang war bisher keiner der Auftritte, und so ist es gerade mal 22 Uhr, als der Headliner die Bühne entert. Persefone werden für ihren innovativen musikalischen Ansatz ziemlich gefeiert, ebenso für die Virtuosität an den Instrumenten. Zumindest Letzteres kann ich bestätigen, das Sextett gibt sich keine Blöße.

Persefone – 20.02.2024 -München

Der Sound drückt gut im Gesicht, wie zu erwarten bekommt die aktuelle EP Lingua Ignota: Pt.1 viel Raum im Set, fast alle Songs werden dargeboten, aber auch die Vorgänger bekommen Aufmerksamkeit, es erklingen Songs wie  Merkabah, The Great Reality und Flying Sea Dragons. Stampfend, krachig, melodisch, hin und wieder sphärisch wabernd. In irrwitziger Geschwindigkeit wandern die Finger von Carlos Lozano Quintanilla über das Griffbrett, während sich Sänger Daniel, der erst seit dem letzten Jahr mit an Bord ist, die Stimmbänder auskotzt.

Trotz der unbestreitbaren Qualität des Vortrags – Persefone kriegen mich an diesem Abend irgendwie nicht so sehr wie die Bands davor, was vielleicht auch daran liegt, dass es die einzige Band ist, deren Werk ich mir in ein paar sehr kurzen Auszügen vorher noch angehört hatte, und die mich auch aus der Konserve ziemlich begeistern konnte, was die Erwartungshaltung beeinflusst haben dürfte.

Das alles ist jedoch Jammern auf einem sehr hohen Niveau, ein wirklicher Ausfall ist an diesem Abend nicht zu vermelden. Ein Großteil des präsentierten Materials, vielleicht mit Ausnahme der Songs von Stellar Circuits, erfordert aus meiner Sicht mehr Konzentration und Hingabe, als das in aufgeheizter Konzertatmosphäre möglich ist, und funktioniert eher im stillen Kämmerlein als im Rampenlicht, aber das trifft wohl generell auf das progressive Genre zu und hat am Ende nichts, aber auch gar nichts mit der Qualität der Bands zu tun. Kopfnicken zu wechselnden Takten und Polyrhythmik – das überfordert die Nackenmuskeln zum Teil.

Mila esker / merci / gracias – hope to see you soon!