Prophecy Fest am 19.09.2015 in der Balver Höhle, Balve

“Prophecy Fest“

Eventname: Prophecy Fest

Bands: Crone, Lifelover, Amber Asylum, Camerata Medionlanense, Darkher, Empyrium, Tenhi, Vemod

Ort: Balver Höhle, Balve

Datum: 19.09.2015

Kosten: 58€

Besucher: ca. 1200

Veranstalter: Prophecy (www.prophecy.de)

Link: http://de.prophecy.de/prophecy-fest/

 

Prophecy Fest

Das Prophecy Fest wurde nach langer Planungszeit in einem denkbar einzigartigen Ort veranstaltet: In der Balver Höhle, Europas größte (!) Kulturhöhle. Es gibt immer mal wieder besondere Austragungsorte für Konzerte, aber eine Höhle ist meines Wissens nach an Kreativität für die Austragung eines Konzertes nicht mehr zu schlagen. Dazu würden mir persönlich nur noch die Spitze von irgendeinem Berg oder im Inneren eines Flugzeuges einfallen, beide Varianten klingen grundsätzlich aber nach weniger Spaß, als es eine Höhle bereiten kann.

Und so sinnierte ich im Vorfeld, wie das ganze wohl logistisch aufgezogen sein könnte. Klar, die Balver Höhle wird auch für andere Veranstaltungen genutzt und es ist für die örtlichen Dienstleister deshalb bekannt, welche Hürden auf sie warten, aber ein Metal-Event, bei dem anstatt Musik aus der Konserve handgemachte Kunst präsentiert wird, ist ein ganz anderer Schwierigkeitsgrad.

Nach der echt problemlosen Anfahrt und der noch problemloseren Parkplatzsuche (für faire 3€ Parkgebühr konnte man die Höhle innerhalb von 2 Minuten Fußweg erreichen) geht es dann auch direkt hinauf, wo eine kleine Schlange auf den Einlass wartet. Der Grund der Warteschlange ist ein durchaus erfreulicher. Jedem Besucher wird ein 46-Seitiges (!) Hardcover-Programmheft (!!) ausgehändigt, inklusive Sampler (!!!), auf dem jede Band, die an dem Abend auftreten wird, ein Lied beigelegt hat. Dieses Buch ist ein manifestierter Beweis dafür, dass dem Veranstalter wirklich einiges an dem Prophecy Fest gelegen ist!

Vor der Höhle gibt es dann den obligatorischen Bierstand, einen Wagen für Pommes und Currywurst (zu fairen Preisen) und einen Stand für Vegetarisches und Kaffee. Hinzu kommen die Örtlichkeiten für die Notdurft, die das ganze Konzert über von einer beispiellosen Sauberkeit begleitet werden. Hut ab, es ist schon sehr angenehm, ohne die Angst vor neuen Krankheiten nach Hause fahren zu müssen.

Die Höhle selbst ist von großen Vorhängen verdeckt, die den ca. 15 Meter hohen und ungefähr 10 Meter breiten Höhleneingang verdecken (die Meterangaben sind ohne Gewähr). Direkt hinter den Vorhängen befindet sich dann auch die Bühne, an der rechts und links entlang die Besucher ein– bzw. ausgehen können. Bei meinem Eintreffen spielen gerade Crone, welche ihre Weltpremiere spielen und mit sehr guten Doom Metal die schon beachtlich große Masse einheizen. Kopf hinter der Band ist sG, Frontsänger von Secrets Of The Moon. Dementsprechend professionell ist auch der Auftritt. Der Sound rauscht ein wenig, aber insgesamt ein sauberer erster Auftritt, von denen ich mehr zu sehen erhoffe!

Crone
Crone

In der Umbaupause (die, wie jede weitere auch, mit 30 Minuten datiert ist, was sich später als Fehler herausstellen soll) begutachte ich die Höhle. Diese teilt sich nach ein paar Metern in zwei separate Bereiche: Links geht es zum Merchandise, geradeaus zu einer Bildergalerie und dem Raum, in dem später eine Vorlesung gehalten wird. Zuerst widme ich mich dem Merchandise. Die gesamte linke Wand ist für Grabbelboxen genutzt worden, in dem Shirts, Sleeves und Hoodies ohne Sortierung und in einer überschaubaren Varianz zu finden sind, dafür auch für kleines Geld (1 T-Shirt 7€, 2 T-Shirts 10€ und 5 T-Shirts 20€ bzw. 1 Hoodie für 13€ und 2 Hoodies für 20€), was mich um 10€ ärmer macht. Der offizielle Merchandisestand bietet dann neben einem Veranstaltungsshirt noch CDs und Kleidung der anwesenden Bands und darüber hinaus auch von Bands, die bei Prophecy sind und/oder Musiker beinhalten, die bei den Auftritten mithelfen.

Die Bildergalerie am Ende der Höhle empfinde ich als etwas befremdlich, obgleich mir die Motive gefallen. Gemalt wurden die Bilder von der Gruppe Tenhi, weshalb es eines der Bilder auch als Motiv für ein T-Shirt gibt. Auf einem Konzert, auf dem gefühlt 99-100% Metaller als Besucher vorzufinden sind, empfinde ich das Ausstellen einer Galerie, die in unseren Kulturkreisen ja als ein Höhepunkt intellektuellen Schaffens bzw. als das Hohelied der Zusammenkunft gutbetuchter und unheimlich gebildeter Superkapitalisten gehandelt wird, als deplatziert; Gruppen wie Lifelover und Empyrium sind eher für eine ablehnenden Haltung gegenüber der Gesellschaft bekannt, so wie es ursprünglich auch im Metal der Fall gewesen ist. Die Jahre verwässerten diesen Status, die Ablehnung wurde durch den Alkohol zu einer Gleichgültigkeit, viele Festivals dienen nur noch der Aushebelung der eigenen Sinne, weshalb die Galerie als eine Art Gegenpol der Massenbesäufnisse mit Ballermannflair gehandelt werden kann. Die Betonung liegt dabei auf dem „kann“, da mir diese Maßnahme zu kurz greift. Ein Leuchtturm der Intellektualität ist ein guter Anfang, wird aber von den Nebelschwaden des kulturellen Zerfalls zerfressen, die durch das fehlende kulinarische Niveau, dass die geistige Elite als Voraussetzung für ein Aufstieg des eigenen Seins sieht, oder Grabbelboxen ausstellt und Veltins anbietet. Die Galerie ist ein Statement, dass es so nicht weitergehen darf, aber ein viel zu schwaches, als das sie auch nur ansatzweise Bewegung in die Thematik bringen könnte.

Kaum versiegt mein innerer Monolog, beginnen Lifelover zu spielen. Endlich! Nach ca. 4 Jahren darf ich endlich der Kapelle mit Liedmaterial und keiner anderthalbstündigen Trauerrede auf Schwedisch zuhören, so wie sie es damals in Essen gemacht hat. Und wie sich das Warten gelohnt hat! Zwar ist eine der beiden Gitarren durchwegs zu leise, das wird aber durch die genialen Bewegungen des Frontmanns mehr als nur ausgeglichen. Sogar mein Favorit, Cancertid, wird gespielt, die Cleanpassagen sind live um Welten besser als auf CD und der Sängerwechsel für 3 Lieder gegen Ende bringt noch mehr Abwechslung in die ganze Sache. Der Auftritt von Lifelover besiegelt den vorzeitigen Höhepunkt des Abends, ich liebe die Studioaufnahmen, und live sind die Jungs noch besser. Wahnsinn!

Lifelover
Lifelover

Die nächste Band, die ich unbedingt sehen will, ist Empyrium, vorher kommen aber einige andere Gruppen. Das Prinzip der Veranstaltung gefällt mir, jede Band wird als Headliner gehandelt, weshalb jede Gruppe (bis auf zwei) auch ausreichend viel Spielzeit bekommt. Da ich die drei nachfolgenden Bands nicht kenne und auch keine Zeit habe, in die Sampler reinzuhören, hoffe ich auf eine Neuentdeckung.

Amber Asylum sind für mich keine Gruppe, die ich privat konsumieren würde. Geige, Bratsche, Bass und Schlagzeug, alles gespielt von Frauen, ergeben eine ganz andere Klangerfahrung als der Vorgänger. Der Ansatz gefällt mir, nur nach kurzer Zeit fängt sich die Musik an zu ziehen. Ich hätte mir vielleicht einen Sitzplatz suchen sollen, um die Atmosphäre mehr in mich aufzunehmen, aber stehend wie auf einem Metalkonzert funktioniert Amber Asylum nicht ganz so gut, auch wenn die Damen viel Herzblut in ihr Werk gesteckt haben.

Mit Camerata Medionlanense verabschiedet sich die Veranstaltung dann vollständig vom Metal: ich habe vor der Show noch die Blicke des Chors gesehen, die einstimmig irritiert wirkten. Ich vermute, dass die 30 Personen nicht damit gerechnet haben, vor einem Haufen langhaariger Stromgitarrenverehrer zu spielen. Der Chor begleitete 3 Sängerinen, 2 Sänger, von denen einer auch der Dirigent war und eine Keyboarderin. Das Ergebnis war vor allem dank der Opernsängerin durchaus hörbar. Für die Spielzeit von 75 Minuten konnte mich der Auftritt aber dann doch nicht fesseln. Für Fans gesangsbetonter Musik ist diese Gruppe allerdings ein echter Geheimtipp!

Camarata Mediolanense
Camarata Mediolanense

Das kann man dann von Darkher nicht behaupten. Der erste Deutschlandauftritt wurde mit einer Spielzeit von 45 Minuten datiert, die dann auch pünktlich und zuverlässig genutzt wurden. Der Doom Metal mit einer Sängerin konnte mich leider gar nicht überzeugen, vielleicht bin ich auch einfach zu verwöhnt von Avatarium.

Empyrium sind dann als nächstes an der Reihe, allerdings scheint das Einstimmen und der Soundcheck für die Masse an individuellen Musikern in 30 Minuten nicht zu machen zu sein. Damit bringt die Gruppe den „einer überzieht – alle überziehen“-Schneeball ins Rollen. Ärgerlich für die Zuschauer, ärgerlich für die Musiker. Dafür wurden drei Versuche gestartet, ein Intro abzuspielen, was nach dem zweiten Anlauf einen Zugabe-Ruf von irgendeinem Scherzkeks provozierte. Während des Auftritts, der sich nur auf ausgewähltes Material beschränkte (wobei ich mir fast sicher bin, dass das Zugabe-Lied nicht zu der eigenen Limitierung passte…), gab es ein paar Schwierigkeiten mit der Tontechnik, die aber gut abgefangen wurden. Ältere Lieder wurden so angepasst, dass sie in den Stil neuerer Veröffentlichungen passten. Das wird neue Fans freuen, ältere eher ärgern, mochte man doch das Liedmaterial, weil es so ist, wie es ist und nicht so ist, wie es jetzt vielleicht sein sollte. Aber da scheiden sich die Geister dran, insgesamt legt Empyrium einen sehr professionellen und gelungenen Auftritt hin.

Empyrium
Empyrium

Tenhi spielen dann quasi als Vorbereiter zur letzten Band nette Hintergrundmusik, zu der man sich das ein oder andere Getränk gönnen kann. Super Musik, nur leider nicht einbeziehend genug, um meine Aufmerksamkeit zu halten. Von der Gruppe habe ich mir dann aber auch eine CD mitgenommen, da mir viele Anlässe einfallen, bei der sie laufen wird. Meine persönliche Neuentdeckung!

Vemod als finale Gruppe zeigen mir und den Zuhörern dann, was ein Intro ist: Knapp 15 Minuten (!) Intro, welches glücklicherweise größtenteils Live gespielt und gesungen wurde, dienen als Vorreiter für wahnsinnig atmosphärischen Black Metal, was dazu führt, dass Empyrium auf Platz 3 meiner persönlichen Rangliste verstoßen werden (klar, Lifelover sind uneinholbar ganz vorne). Wer vor Vemod schon nach Hause gefahren ist, ist selbst schuld, aber von der Gruppe werden wir in Zukunft sicherlich noch einiges hören, wenn die Qualität auch auf anderen Auftritten so großartig ist!

Am Ende des Tages, bzw. am Beginn des 20. September fahre ich zufrieden nach Hause, die Verantwortlichen haben es geschafft, so ein unglaublich ambitioniertes Projekt wie das Prophecy Fest mit Bravour zu stemmen, die Probleme mit der Tontechnik sind sicherlich bekannt und werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der nächsten Ausführung ausgebügelt werden. Der Kartenpreis war absolut gerechtfertigt, ich hoffe nur, dass im nächsten Jahr der Versuch, Metal und Intellektualität zu kombinieren, noch etwas schlagkräftiger inszeniert wird.