Read ‚Em All – Wer die Kerze ausbläst, ist Chef!

“Zum einmaligen Gebrauch empfohlen“

Artist: Read ‚Em All

Herkunft: Braunschweig, Deutschland

Album: Wer die Kerze ausbläst, ist Chef!

Spiellänge: 75:00 Minuten

Genre: Rockliteratur – Lesung

Release: 01.08.2015

Label: Verlag Andreas Reiffer

Link: https://de-de.facebook.com/Read-em-all-Die-Heavy-Metal-Lesung-190352817754914/

Bandmitglieder:

Text, Stimme – Till Burgwächter
Text, Stimme – Axel Klingenberg
Text, Stimme – Frank Schäfer

1. Soundcheck
2. Vorstellung
3. Let there be Rock
4. Bier, Dixis
5. Was für`s Leben
6. White Power auf dem Highway to Hell
7. Kuh, Security
8. Hippies überzeugt
9. No sleep `til Jolly Joker
10. Vegan im Land des Büffels
11. Play fucking loud
12. Spucken
13. Der frühe Vogel
14. Unterste Schublade
15. Liebes Tourtagebuch
16. Bauer Trede, auf ein Wort

Read Em All - Wer die Kerze ausbläst ist chef

Seit einigen Jahren tingeln die drei Schwergewichte der Rock- und Metalliteratur Till Burgwächter, Axel Klingenberg und Frank Schäfer als Read ‚Em All durch die Clubs der Republik und präsentieren dem geneigten Publikum Auszüge aus ihren Werken. Selbige sind zum Teil im Verlag Andreas Reiffer erschienen und bieten einen meist ironischen Blick auf die Welt des Heavy Metal. Nun hat der Verlag mit Wer die Kerze ausbläst, ist Chef! einen Zusammenschnitt zweier Lesungen des Trios aus dem vergangenen Jahr veröffentlicht.

Das mit Soundcheck betitelte, äußerst schwache Vorgeplänkel und die etwas belanglose Vorstellung nicht mitgerechnet, ist jeder der Autoren für vier bis fünf Stücke der CD verantwortlich. Till Burgwächter promotet sein in Szenekreisen doch bekannteres Werk Die Wahrheit über Wacken. Zwar sind die von ihm dargebotenen Stücke durchweg kurzweilig und teils recht witzig. Besonders die Texte Bier, Dixis und Kuh, Security, die dem Kapitel Wacken von A bis Z entnommen sind, warten mit dem ein oder anderen deftigen Seitenhieb auf und auch Vegan im Land des Büffels weiß in Gänze zu überzeugen. Aber der insgesamt schwache Sound (Livemitschnitt aus zwei Jugendzentren), die vermehrten Texthänger, vor allem bei Der frühe Vogel und die teils langweiligen Flachwitze (Bauer Trede, auf ein Wort) wiegen schwer.

Axel Klingenberg präsentiert größtenteils Auszüge aus seinem biografisch angehauchten Leseheft Lasst dort Rock sein, welches bereits 2008 veröffentlicht wurde. Egal ob der Autor mit Let there be Rock von seinem Erweckungserlebnis in der Metal-Szene berichtet und dabei Songtitel von AC/DC mehr schlecht als recht verwurstet, in White Power auf dem Highway to Hell die Jugendsubkulturen der Lüneburger Heide in den 80ern beschreibt oder in Spucken unter Verwendung diverser Zitate einiger Punkrocker mit deren lästiger Angewohnheit abrechnet, zeugen Klingenbergs Texte zwar von profunder Szenekenntnis, bleiben aber meist unnötig, da sich nahezu jeder Metalhead ähnlicher eigener Erfahrungen rühmen dürfte. Spätestens beim zweiten Hören – nachdem jeder seine Erinnerungen, durchaus mit einem gehörigen Schmunzeln, aufgefrischt hat – bergen die Stücke, allen voran No sleep`til Jolly Joker und Liebes Tourtagebuch, nur noch eins: Langeweile!

Auch Frank Schäfer beginnt zunächst mit einem älteren Stück. Was für`s Leben ist seinem 2010 erschienenen Werk 111 Gründe, Heavy Metal zu lieben entnommen und versucht, dem Publikum die ethische Komponente des Metal nahe zu bringen. Dabei fungiert Lemmy als moralische Instanz, was an durchaus komischen Zitaten des Motörhead Frontmanns belegt wird. Somit geht der Wortwitz hier aber leider nicht auf Schäfers Konto. Dennoch entpuppt sich der Autor schnell als der sprachlich gewandteste Part und beste Vorleser des Trios Read ‚Em All. Sehr witzig beschreibt Hippies überzeugt die erste Tuchfühlung des Hippies Heinz mit dem Stonerrock sowie die drastischen Auswirkungen seiner „Friedenspfeifen“. Auch der sehr amüsante, augenzwinkernde Bericht von den Thüringer Literatur- und Autorentagen in Ranis Play fucking loud und die mit Unterste Schublade betitelten Grillerfahrungen Wacken`scher Prägung sind gelungen. Und zumindest letztgenanntes Stück regt das Erinnerungsvermögen alter Wackenpilger deutlich an.

Fazit: Alle dargebotenen Texte haben aufgrund ihres Anekdotenreichtums und ihres selbstkritischen, ironischen Blicks auf die Metalszene für sich betrachtet ihre Daseinsberechtigung. Allerdings bleibt unklar, warum im Jahre 2015 eine Lesung als CD veröffentlicht wird, deren Inhalt nahezu jedem, der sich für das Genre der Rockliteratur begeistern kann, bekannt sein dürfte. Darüber hinaus besteht der Gewinn des Mediums CD unter anderem in der Möglichkeit des mehrmaligen Abspielens selbiger. Dies bringt jedoch im Falle von Wer die Kerze ausbläst, ist Chef! nur wenig, da die dargebotenen literarischen Ergüsse bei zeitnaher Wiederholung ihren Reiz nahezu ganz verlieren. Außerdem sorgt die Form des Livemitschnitts zwar für Lebendigkeit und auch die eine oder andere Interaktion mit dem Publikum ist nett anzuhören, aber im Falle einer Lesung wird dadurch die Qualität erheblich beeinträchtigt. Meines Erachtens darf man sich die Scheibe also gerne zulegen, sollte diese aber im Freundeskreis kursieren lassen, um sie erst nach einigen Jahren wieder selbst anzuhören oder besser: Besucht stattdessen eine der Lesungen!

Anspieltipps: Vegan im Land des Büffels, Let there be Rock und Hippies überzeugt
Rene W.
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