Siamese – Elements

Vier Elemente für ein Halleluja

Artist: Siamese

Herkunft: Kopenhagen, Dänemark

Album: Elements

Spiellänge: 35:53 Minuten

Genre: Alternative Rock, Metalcore, Post-Hardcore, Rhythm and Blues

Release: 09.08.2024

Label: Long Branch Records

Link: https://siamese.dk/

Bandmitglieder:

Gesang – Mirza Radonjica
Gitarre und Violine – Christian Lauritzen
Gitarre – Andreas Kruger
Bassgitarre – Marc Nommesen
Schlagzeug – Joakim Stilling

Tracklist:

  1. The Shape Of Water (feat. Ten56)
  2. Vertigo
  3. Predator
  4. Chemistry
  5. Through My Head (feat. Resolve)
  6. On Fire
  7. God Is A Woman
  8. Utopia
  9. Hurricane
  10. This Is Not A Song

Neben Sleep Token gibt es für mich aktuell mit Siamese nur eine Band, die zahlreiche Stile zu einem modernen Metal-Cocktail zusammenrührt, der auch noch köstlich schmeckt. Die Band aus Dänemark hatte das Konzept, der natürlichen Elemente auf ihrem neuesten Release Elements gar nicht geplant (mehr dazu in unserer Podcastfolge mit Mirza und Andreas), dabei besteht die Band selbst aus vier musikalischen Elementen: Feuer steht für die harten Metalcore/Djent-Elemente; Wasser steht für die tosenden Wellen des Post-Hardcore; Erde für das solide Rhythm and Blues Fundament; und Luft für den Alternative Rock, der dem Hörer den nötigen Sauerstoff zum Durchatmen gibt.

Die Dänen tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder in meiner Playlist auf. So richtig beschäftige ich mich mit der Band aber erst seit dem grandiosen Feature von Mirza auf dem Monosphere-Song Friends & Foes. Die Hooks, die er dort abliefert, ziehen sich auch durch die bisherigen Alben des Quintetts. „Songs, die wie 2004, 2010 und hoffentlich auch 2030 klingen“, verspricht Frontmann Mirza Radonjica. Werden Siamese ihr Niveau halten oder sogar noch toppen können? Die kommende gute halbe Stunde wird es zeigen.

Zum Start gibt es direkt ein Feature mit der französischen Metalcore-Band Ten56. Genauer gesagt, mit deren Frontmann Aaron Matts (ex-Betraying The Martyrs). Die eingangs erwähnten Sleep Token poppen unweigerlich in meinem Kopf auf, wenn die elektronischen Beats den Verlauf des Songs vorantreiben. Verfremdeter Gesang dominiert die Strophen, es groovt wie Sau, köchelt im Refrain und explodiert endgültig, wenn Aaron von der Leine gelassen wird. Wie eine Sirene heulen die Gitarren von Andreas und Christian auf, mein Kopf rotiert. Amtlicher Einstieg!

Credit: Joakim Stilling

Ein geschundener Geist wie meiner fühlt sich immer wieder zu Bands hingezogen, die die Themen Depressionen und Angstzustände thematisieren. Mirza umschreibt seine Gefühle in Vertigo als Labyrinth, das kein Ende nimmt. In meinem Fall eher eine Achterbahnfahrt rückwärts im Dunkeln, ebenfalls ohne Ende. Umso verwunderlicher, dass die Nummer einfach zugänglich ist. Es wabert, es dröhnt und der Refrain geht sofort ins Ohr. Introvertiert und trotzdem tanzbar. Die Zeilen „How did you find. I need to know. Don’t leave me blinded. Under my eyelids. My vertigo“ sprechen Bände und wirken wie ein Mantra.

Beute oder Raubtier? Fressen oder gefressen werden? Diese Fragen stellen sich nicht nur im Song Predator, sondern auch in der heutigen Gesellschaft. Entmenschlichung ist das Stichwort. Meinungen und Werte sind wie Schall und Rauch. Mit sanften Keyboardanschlägen nähert sich das Raubtier aus der Ferne, Dubstep-Elemente verschaffen sich Gehör, ehe der Circle Pit so richtig Fahrt aufnimmt. Der Refrain ist wieder ein echter Ohrwurm. Was die Hooks angeht, liegen Siamese für mich auf einem Niveau mit den ersten Alben von Jared Letos Band Thirty Seconds To Mars. Im letzten Drittel nimmt Predator noch mal ordentlich Fahrt auf. So schreibt man einen harten Song ohne harte Gitarrenriffs.

Chemistry zeigt nicht nur auf, dass man sich seinen Dämonen stellen, sondern auch mit ihnen leben muss. Kein Friede, Freude, Eierkuchen. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Kein Himmel ohne Hölle. Das Duell zwischen den Gitarren und Synths ist einfach göttlich. Und dann dieses Pushen, bevor Mirza mit den Worten „I feel the rage in me. I feel it changing me. I feel the rage in me. Now I feel the change deranging me“ förmlich explodiert. Hell Yeah! Dieser Song läuft seit Veröffentlichung in Dauerschleife bei mir – 10/10. Die nächste dänisch-französische Kooperation steht auf dem Programm. Anthony Diliberto von Resolve, mit denen Siamese im vergangenen Jahr auf Co-Headliner-Tour waren, gibt sich am Mikro die Ehre. Eine fast schon klassische Alternative-Rock-Nummer mutiert zwischendrin zu einem wahren Monster. Lediglich der Refrain erreicht nicht ganz das Niveau der vorherigen Stücke.

Dreht den Bass voll rein, haltet den Arm aus dem Autofenster und bounct ordentlich zum nächsten Titel, denn dieser ist On Fire! Ich gestehe, ich bin „polyjamorous“ (Eine Art, eine Person zu beschreiben, deren Musikgeschmack sehr stark variiert). Wir Männer haben es immer gewusst – God Is A Woman. Wieder herrscht ein großer Kontrast zwischen poppigen Elementen und dicken Gitarrenwänden. Läuft gut rein, sticht aber nicht sonderlich hervor. Die Gedanken schweifen zu Utopia. Irgendwie federleicht und traumwandlerisch. Ein Gefühl, das alte Linkin Park ebenfalls hervorgerufen haben.

Zum Abschluss kommt noch mal was Gewaltiges auf euch zu: Hurricane spielt mit Hip-Hop-Einflüssen und wirbelt diese mit brachialen Djent-Riffs auf. Und wieder dieser Refrain: Den werde ich so schnell nicht los. Ohne Zweifel haben Siamese einen Hit geschrieben. Ähnlich wie Deftones schaffen es die Dänen, mit den Erwartungen der Hörer zu spielen. Handbremse los und Vollgas! Keine Frage, dieser Sturm wird aus dem Liveset der Band nicht mehr wegzudenken sein. Nach all den tiefgründigen Texten, geht es dem Rausschmeißer nur um Eines – um Spaß. „This is not a song, this is a motherfucking moshpit!“

Siamese – Elements
Fazit
Verschiedene musikalische Elemente miteinander kombinieren kann jeder. Die Kunst besteht darin, dass das Endergebnis wie aus einem Guss und gleichzeitig innovativ klingt. Wer nicht allergisch auf moderne Einflüsse im Metal reagiert und ebenfalls polyjamorous ist, hat hier sein persönliches fünftes Element gefunden.

Anspieltipps: Predator, Chemistry und Hurricane
Florian W.
8.8
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8.8
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