Sodom und Revolt am 26.01.2019 im Hallenbad, Wolfsburg

“Sodom mächtig motiviert mit ungewollten Lichteffekten“

Headliner: Sodom

Vorband(s): Revolt

Ort: Hallenbad, Wolfsburg

Datum: 26.01.2019

Kosten: 22 € VK zzgl. Gebühren, 28 € AK

Genre: Thrash Metal

Besucher: ca. 700 Besucher

Veranstalter: http://www.hallenbad.de/

Link: http://www.hallenbad.de/veranstaltungen/sodom/

Setlisten:

  1. Agent Orange
  2. Sodomy And Lust
  3. Outbreak Of Evil
  4. Partisan
  5. The Saw Is The Law
  6. City Of God
  7. Nuclear Winter
  8. Sign Of Evil
  9. One Step Over The Line
  10. Persecution Mania
  11. Tired & Red
  12. Conflagration
  13. Der Wachturm
  14. Witching Metal
  15. The Crippler
  16. Obsessed By Cruelty
  17. Remember The Fallen
  18. ??
  19. Ausgebombt
  20. Bombenhagel

Sodom hatten in Wolfsburg etwas gut zu machen und haben das überzeugend getan. Vor gut einem Jahr hatte Bandkopf Tom Angelripper überraschend seine beiden Mitmusiker Gitarrist Bernemann und Drummer Makka gefeuert und unter anderem den geplanten Auftritt in Wolfsburg kurzfristig absagen lassen. Gut ein Jahr verging, in dem sich das nicht gerade mit Metalkonzerten verwöhnte Publikum in Wolfsburg und Umland gedulden musste, dass Sodom in neuer Besetzung mit Frank Blackfire (Gitarre, Ex-Sodom, Ex-Kreator, Assassin), Yorck Segatz (Gitarre, Beyondition) und Husky (Schlagzeug, Asphyx, Desaster) doch noch in der VW-Stadt spielen. Angelripper hatte sich bereits vor einiger Zeit begeistert über die neue Zusammensetzung geäußert: „Die neue Besetzung macht uns allen tierisch Spaß. Es herrscht wieder ein kollegiales Klima, wir sind gerne zusammen, jeder ist an allem interessiert, und – besonders wichtig! – jeder ist für jeden da. Eine solche Atmosphäre wirkt sich natürlich auch positiv aufs Songwriting aus.“ Wer Sodom vor der Umbesetzung live gesehen hat, kann in Wolfsburg diese Begeisterung ob der neuen Zusammensetzung klar merken. Der Auftritt sprüht vor Spielfreude.

Zuvor sind aber die Locals Revolt dran. Die Thrasher, die mit Torture To Exist bereits ihr drittes Studioalbum veröffentlicht haben (hier ein YouTube-Link), zocken technisch anspruchsvollen Thrashmetal mit moderner Note. Also so Richtung Lamb Of God oder Machine Head. Thrash-Fans sollten der Truppe unbedingt ein Ohr leihen! Dass die Truppe musikalisch einiges drauf hat, können auch die rund 700 Zuschauer des Wolfsburger Hallenbads hören. Einen überaus tighten Sound bieten die vier Wolfsburger Jungs. Das klingt alles richtig und durchaus fett. Dennoch will der Funke nicht so recht überspringen. Vielleicht spart sich das Publikum noch für Sodom auf, mehr als vereinzelte Fäuste und Höflichkeitsapplaus ist nicht drin. Die eher zurückhaltenden Reaktionen des Publikums kann, neben dem Problem der weithin dann doch unbekannten Undergroundband, in dem Bewegungsradius von Gitarrist, Bassist und Sänger begründet sein: Klar, es ist nicht einfach, so eine spieltechnisch anspruchsvolle Musik zu zocken und sich gleichzeitig auf der Bühne zu bewegen, aber das ist dann doch viel zu viel auf dem Fleck Rumgestehe, zu wenig Agieren miteinander, geschweige denn mit dem Publikum. Doch das kann ja noch werden. Revolt sollte man im Auge behalten!

Um fast Punkt 21 Uhr betreten dann Sodom die Bühne. Und sofort merkt man: Die Jungs haben Bock! Der Band-Klassiker Agent Orange heizt den gut 700 Zuschauern im umgebauten, ehemaligen Schwimmbad gleich gut ein, sodass schon beim darauffolgenden Sodomy And Lust vor der Bühne die ersten Mosh-Pits entstehen. Fäuste werden gereckt, es wird mitgegrölt, kurzum: Die Thrash-Sause hat richtig losgelegt. Nach dem superb vorgetragenen dämonischen Outbreak Of Evil kommt mit Partisan der erste neuere Song in einer Songlist, die überraschend viel mit alten Tracks gespickt ist.

Zunächst passiert jedoch etwas, was für so einige Bands ein Grund wäre, um die Freude am Konzert oder einfach den Faden zu verlieren: Das Hallenbad Wolfsburg wartet mit einem ganz besonderen Lichteffekt auf – es herrscht plötzlich völlige Dunkelheit. Irgendwo muss es einen Kurzschluss gegeben haben, nur die Lichter der Notausgänge sind an. Erste Handys mit angeschalteter Taschenlampenfunktion werden im Publikum hochgehalten, die Band bleibt gelassen und spielt einfach im Dunkeln weiter für einige Sekunden, bis Roadies ihnen ein bisschen Licht auf ihre Instrumente mit ihren Handys geben. Angelripper nimmt die Situation mit Humor und meint lakonisch: „Bisschen dunkel hier, aber dann sehr ihr wenigstens unsere Hackfressen nicht!“ Großartig! Ohne weitere Worte wird dann bei Handylicht The Saw Is The Law gethrash-rockt, wohl in der Hoffnung, dass das Problem während des Songs behoben wird. Das ist aber nicht der Fall. Daher geht die Band dann doch von der Bühne. Aber nur kurz, da das Licht wieder angeht, kaum dass die vier Musiker weg sind.

Also flugs zurück auf die spartanisch dekorierte Bühne und das starke City Of God runtergeprügelt. Wie schon bei den zuvor gespielten Songs wirkt das alles wie aus einem Guss und sehr knackig druckvoll. Der Sound passt und die Musiker haben sichtlich Spaß. Das kommt auch bei den wenigen Pausen zum Ausdruck. Es stört die Jungs auch nicht, dass die Mehrzahl der Wolfsburger keine Lust hat, ein Schalke-04-Lied anzustimmen. Nach dem noch immer mitreißenden Brecher Nuclear Winter entschuldigt sich Tom Angelripper für den Ausfall des Konzerts im vergangenen Jahr und stellt seine aktuellen Mitstreiter vor („Endlich können wir wieder die alten Songs zocken!“). Schließlich dankt er noch glaubhaft den Fans, weil ohne sie gar nichts ginge und das schon immer so gewesen sei.

Mit den besonderen Momenten bei den Lichteffekten, die sonst eher zurückhaltend bis düster gehalten sind, war es das an diesem Abend aber noch nicht: Beim groovigen One Step Over The Line geht plötzlich das komplette Licht des Hallenbads an, es wird taghell: Ja, ist denn nun vorzeitig Schluss, oder wie? Sodom machen mit Persecution Mania einfach weiter, das Licht geht wieder aus, also zumindest das, das aus sein soll und vor der Bühne sorgt weiter ein großer Mosh-Pit für schweißtreibende Temperaturen. Das ebenfalls bockstarke, alte Tired And Red bringt mit seinem balladenhaften, ruhigen Mittelteil etwas Zeit zum Durchschnaufen, bevor der zweite neuere Song Conflagration das Tempo wieder konstanter hochhält und sich gut in die alten Klassiker der Band einreiht.

In Erinnerung an den ehemaligen Schlagzeuger Chris Witchhunter, der der Legende nach Ärger mit den Zeugen Jehovas hatte, verbrennt dann Sänger Angelripper eine Ausgabe des Wachturms, was nicht ganz so klappen will, wie geplant („Noch nicht mal richtig brennen tut das Scheißding!“) und sagt Der Wachturm an. Witching Metal aus dem Jahr ’82 folgt. Old-school ist heute also Trumpf. Und allen gefällt´s. Nach The Crippler vom Album Tapping The Vein erinnert der Bandchef an den alten Sodom-Fanclub in Wolfsburg und kündigt ihm zu Ehren Obsessed By Cruelty an. Vorher gibt der Bandkopf aber noch eine Spitze in Richtung Konkurrenz zum Besten: „Kennt ihr Bands, die so lange spielen wie wir? Die meisten Thrash-Metal-Bands spielen eine Stunde, eine Zugabe und tschüss! Wir nicht! Wir bleiben!“ Und weiter geht’s, und zwar mit Schmackes: In der neuen Bandzusammensetzung gewinnen die alten Schinken merklich an Druck hinzu.

Im Zugabenblock glänzt zunächst das obligatorische Remember The Fallen, dann irgendein Lied, bei dem der Verfasser dieser Zeilen doch mal aufs stille Örtchen muss und es daher verpasst und mit Ausgebombt ein weiterer Band-Klassiker, bei dem das Publikum wie beim abschließenden Bombenhagel noch mal alles gibt. Schweißgetränkte Leiber, wo man hinschaut. Auch die Musiker sind durchnässt, was der Aktion von Angelripper vor Ausgebombt und Bombenhagel eine besondere Note verleiht: Er zieht sich sein T-Shirt aus und wirft es ins Publikum mit der launischen Warnung: „Aber wehe ich finde das bei Ebay. Ist mir schon mal passiert, habe es da für 350 Euro gefunden. Völlig bekloppt!“

Nach etwas über sagenhaften 120 Minuten feinstem Thrash-Gewitter ist dann tatsächlich Schluss. Saustarke Setlist, Musiker mit sichtbar Spaß in den Backen, eine neue Bandkonstellation, die live mehr Wumms macht als die alte und ein Bandkopf, der wie eh und je geerdet und sympathisch ein dankbares Wolfsburger Publikum zu begeistern wusste. Dass er einem Fan am Bühnenrand Bier herabreichte, passte da nur allzu gut ins Bild von einem gelungenen Konzert.