Time For Metal Zeitreise – Helloween – Keeper Of The Seven Keys Part I (1987)

Klassiker von damals neu gehört - mit René W. und Andreas B.

In dieser Kolumne plaudern Redakteur Andreas B. und Chefredakteur René W. zweimal im Monat über einen Klassiker der Metal- und Hardrock-Geschichte. Der Fokus liegt dabei nicht auf Bands aus der zweiten Reihe oder auf vergessenen Underground-Perlen.

Die Time For Metal Zeitreise ist die Bühne für die einflussreichen und großen Bands unserer Szene. Hier wird über deren Alben gefachsimpelt, sich erinnert, diskutiert und manchmal auch gestritten. Von Fans, für Fans.

Lehnt euch gemütlich zurück und erinnert euch mit uns an die alten Zeiten und die großen Momente, die uns alle so sehr geprägt haben.

Dieses Mal: Die beiden Keeper Of The Seven Keys-Alben von Helloween aus den Jahren 1987 und 1988, aufgeteilt in zwei aufeinanderfolgenden Kolumnen.

Andreas B.:
Als René und ich den Redaktionsplan für die Time For Metal Zeitreisen für dieses Jahr planten, sind wir auch einstimmig auf die Kürbisköpfe aus Hamburg gekommen. Zu groß ist unsere Begeisterung für die alten Scheiben aus den Achtzigern und zu groß ist auch der Einfluss der Hanseaten auf die Entwicklung des (Power) Metal europäischer Prägung.

Meine ganz persönliche Verehrung erfahren Helloween für die ersten dreieinhalb Alben. Sprich, die Walls Of Jericho, die beiden Keeper-Platten und, in Teilen, die Pink Bubbles Go Ape. Während das Debüt noch für rauen Speedmetal steht und die rosa Blasen ziemlich experimentell und „erwachsen“ erscheinen, habe ich die Keeper Of The Seven Keys-Scheiben immer als Einheit gesehen. Auf beiden Veröffentlichungen befinden sich zeitlose Klassiker, die heute so ziemlich jeder sofort mitsingen kann. Griffige Hits und überlange Epen geben sich die Klinke in die Hand und haben auch vierunddreißig Jahre nach der ersten Veröffentlichung nichts von ihrer Magie verloren.

Wie kam ich eigentlich damals zu Helloween?
1991 war ich im Zuge eines Schüleraustausches in Wales. Siebte Klasse. Mit dem Bus ging es damals von der Schule in Mold in das ca. einer Autostunde entfernte Liverpool.
Das volle Programm: Fish & Chips, Quarterpounder und Beatles-Museum.

Irgendwo dort in einer Fußgängerzone sind wir in einer kleinen Schülergruppe an einem Plattenladen vorbeigekommen. Geil. Nix wie rein da.
Im Keller war die Heavy-Abteilung und mir ist sofort das ziemlich geniale Cover der Live In The UK-Livescheibe ins Auge gesprungen. Ui, da ist ja auch Dr. Stein drauf. Hammer!
Ein oder zwei Jahre vorher hatte ich nämlich im Keller eines befreundeten Nachbarjungen die Plattensammlung seines großen Bruders gefunden und in dieser die Maxi-Single von Dr. Stein gesehen. Was hab ich den Song abgefeiert.. Helloween also… Kürbisse. Fair enough, warum auch nicht.

Zurück in den Liverpooler Plattenladen: Kurz die Finanzen gecheckt… Ja, genug Pfund dabei, das passt schon. Für die im Regal unmittelbar daneben stehende Pink Bubbles Go Ape-Kassette reichte es sogar auch noch. Dass ich damit einer der ersten war, der diese Scheibe hören durfte, wusste ich damals noch nicht. Aus rechtlichen Gründen war das Album die erste Zeit lang nicht in Deutschland erhältlich, dafür aber offensichtlich auf der Insel. Aber diese Geschichte erzähle ich in einer anderen Kolumne, schließlich feiert das Release dieses Jahr einen runden Geburtstag 😉

Ja, und so kam es, dass ich auf der Rückfahrt von Liverpool ins walisische Grün mit meinem Walkman im Bussitz versank und die ersten Takte des soeben erworbenen Livealbums genießen konnte. Bis auf How Many Tears besteht die Scheibe ausschließlich aus Songs der beiden Keeper-Platten. Und ich war (und bin) immer noch hin und weg.

Also, sehr lange Rede, kurzer Sinn: Lasst uns abtauchen in die Vergangenheit und diese beiden Scheiben ehren.

Ich übergebe die Tastatur an Oberkürbis Wolters… Möge er sich mit mir auf Zeitreise begeben.

René W.:
Danke, dass du mich auch noch zu Wort kommen lässt. Ich habe schon gedacht, du möchtest alleine diesen beiden Meisterwerken huldigen 😉
Hier dürften wir uns mehr als einig sein: Keeper Of The Seven Keys ist eine Einheit und genauso lebe ich die Klänge immer noch. Meine Anfänge im Metalbereich wurden bei der Killers schon ganz gut angesprochen. Da zwischen uns ein ganzes Jahrzehnt liegt, wurden die Klassiker von meinen älteren Kumpels immer häppchenweise serviert. Für den Heavy Metal Sektor war mein damaliger Schachkollege zuständig und drückte mir Hammerfall, eben Iron Maiden, Blind Guardian und Rage auf die Ohren. Wohlgemerkt sind wir immer noch Metal-Brothers, wie es sich für echte Freunde fürs Leben gehört.

Irgendwann landete, bei einem meiner ersten Biere, Helloween auf dem Tisch. Die waren irgendwie ruhiger als die kraftvollen Genrekollegen, die sonst liefen. Am Anfang überhaupt nicht mein Ding; und wie bei einigen anderen Gruppen dauerte es recht lange, bis mir die Augen geöffnet wurden. Future World und Dr. Stein gingen immer gut und Ende 2005 fragte eben dieser Kollege „René, kommst mit zu Helloween nach Bremen? Ich wohne da jetzt und wir können eben rüber zum Konzert und danach ein paar Bierchen zischen„. Das Angebot klang hervorragend –  wäre mein Urlaubsplan nicht schon durch gewesen für die Festivals im Sommer. Als Azubi musste man eben nehmen, was ging. Da fiel mir der Resturlaub ein, der eigentlich nicht mit ins nächste Jahr genommen werden durfte. Mutig, wie man mit 18 Jahren nun mal ist, ging es also ab zum Meister.

Du, kann ich einen Tag mit ins nächste Jahr nehmen?“
Warum?“
Helloween spielen im Januar in Bremen„.
Der Knaller! Ich habe Helloween gehört, da warst du noch nicht geboren„.

Der Tag war geritzt und der Auftritt unglaublich fett. Das Eis mit der deutschen Ikone gebrochen und meine Initialzündung, die Diskografie durchzuhören. Mein Höhepunkt ist da unser heutiges Thema: Keeper Of The Seven Keys.

Auf Vinyl musste das Material schnell her, und in meiner damaligen Heimat Oldenburg gab – und gibt – es immer noch den kultigen Musikstore Scheibenkleister mit einem noch bekannteren Dealer der besten Klänge. Den Part 1 aus dem Regal gefischt und Part 2 reserviert, wurde wenige Tage nach dem oben erwähnten Gig in Bremen meine WG gequält. Auf Nachschub musste nicht lange gewartet werden, auf Hans „Akka“ Feve Beckmann war immer Verlass. Leider hat er uns im letzten Dezember verlassen. R.I.P.!
Die Kombination Scheibenkleister, Helloween, Oldenburg und viele erworbene Alben war mit meinen knapp unter 20 Jahren sehr prägend bis heute! Heute holen wir mal ganz wild aus, mein lieber Andi.

Andreas B.:
Offensichtlich. Wir starten hier gerade eine kleine Selbstfindungsgruppe und arbeiten unsere Jugend auf, haha.
Aber lass uns doch mal zu den beiden Alben kommen. Auch wenn ich Part 2 aus irgendeinem Grund zuerst in meiner Stereoanlage hatte, möchte ich natürlich mit dem ersten Teil anfangen.

Während ich diese Zeilen schreibe, laufen die ersten Takte von I’m Alive im Kopfhörer. Eingeleitet durch ein kurzes, aber episches Intro (Initiation), geht es dann sofort mit diesem Uptempo-Kracher los. Der Unterschied zum Vorgänger Walls Of Jericho ist natürlich gewaltig.
Der größte Unterschied ist sicherlich der Sängerwechsel. Kai Hansen – den ich übrigens sehr schätze – konzentriert sich hauptsächlich auf die Gitarre, während ein gewisser blutjunger Michael Kiske wie aus dem Nichts erscheint und mit seiner einzigartigen Stimme erst mal für ungläubiges Staunen sorgt. Ich mein, der Kerl war damals achtzehn Jahre alt, als er zur Band kam und liefert einfach mal ein Brett von internationalem Weltformat ab.
Die ersten zehn Sekunden von I’m Alive sorgen immer noch für Gänsehaut bei mir, Kiskes einsetzende Vocals und der mit Doublebass unterlegte Refrain lassen diese auch nicht abklingen. Was für ein genialer Opener!

A Little Time war mir damals schon von der erwähnten Live In The UK bekannt. Etwas langsamer und getragener, lebt der Song vor allem von den wahnsinnig guten Vocals. Ganz nett, aber für mich kein Highlight.

Dafür dann aber Twilight Of The Gods. Meine Güte, was habe ich diesen Song hoch und runter gehört. Dieser speedige, melodische Anfang, wie ihn eben auch nur Helloween hingekriegt haben. Müsste ich einem Alien – oder Stefanie Heinzmann – den Begriff Power Metal erklären… ich würde eigentlich nur genau diesen Song vorspielen. Schnelles Tempo, viel Doublebass, irrwitzige und melodische Gitarrenläufe und ein epischer und großer Refrain.
Dieses „Fire and flash in the night„… dazu dieses Gitarrenlick im Hintergrund.. meine Güte. René, halt mich zurück oder ich fange an, durchzudrehen.
Für mich steht der Song auf einer Ebene mit Klassikern wie Eagle Fly Free, March Of Time oder Victim Of Fate.

Schau dir einmal diesen Livemitschnitt von 1987 an. So kraftvoll und energiegeladen. Herrgott, ich liebe Heavy Metal.

A Tale That Wasn’t Right steht dann im krassen Gegensatz zu dem, was man bisher von den Hamburgern kannte. Bisher gab es musikalisch ja nur auf die Fresse, und dann das.

Should be strong, young and bold. But the only thing I feel is pain

Im Internet (und wahrscheinlich auch im echten Leben) finden sich dazu auch sofort zwei Lager. Die einen, die das Ding – sowie in Teilen auch das Album – verteufeln und viel zu poppig finden.
Auf der anderen Seite dann eben so Pappnasen wie mich, die von dieser, zugegeben leicht kitschigen Ballade nicht genug bekommen.

Als Vergleich zum oberen Video kann ja der 2018er Wacken-Auftritt der Pumpkins United-Tour dienen. Sechsundzwanzig (!) Jahre später und mit Kiske, Deris und Hansen.

Wie stehst du zu beiden Songs, René?

Beim darauf folgenden Knaller weiß ich übrigens, dass es einer deiner Favoriten ist. Bitte, Herr von und zu Wolters, übernehmen und worshippen Sie 😉

René W.:
Den Vergleich zu Walls Of Jericho kannst du deutlich besser vollziehen. Für mich geht das Album in die Killers-Schiene unserer ersten Kolumne. Mit dem Unterschied, dass die Scheibe noch nie intensiv bei mir lief. Mit Kai Hansen und Michael Kiske geht es wieder in ein Sänger-Duell und bei mir siegt von allem die Stimme, die damals für Helloween das Zepter geschwungen hat, der von dir in Szene gebrachte Kiske. Die Avantasia-Stücke mit ihm kann man ebenfalls nur vergöttern. Wobei der „neue“ Sänger Andi Deris auch immer einen guten Job abliefert und das seit fast drei Jahrzehnten! Der erste Part kam nur als Randnotiz in meinem Geburtsjahr heraus.

Das Intro macht Lust auf mehr und dann kommt I’m Alive. Saugeile Nummer, die immer noch wie Öl runtergeht. Wie schon gesagt, beide Alben liegen bei mir als Vinyl in der Sammlung. Nichts gegen digitalen Musikkonsum, aber alleine Keeper Of The Seven Keys ist der Grund, warum bei mir am liebsten die Nadel über das schwarze Gold flitzt.

I’m Alive ist zeitlose Kunst. Die instrumentellen Passagen bringen den mittlerweile strapazierten Nacken zum Knacken und der Refrain setzt jedes Mal auf’s neue einen Punch der Glückseligkeit. Für mich gehört auch A Little Time dazu. Beide Nummern machen schon am Anfang den Unterschied. Freiheit und der Geist des Heavy Metal werden mit Leben eingehaucht. Wäre die Corona-Situation anders, würden wir, mein lieber Andi, die beiden Scheiben laut aufgedreht in meiner Bar bei gutem Bier und Whiskey zelebrieren können. Der Effekt der Uhr in A Little Time gehört zu einem der epischsten Momente der deutschen Heavy Metal-Geschichte in den Achtzigern.

Im Gegensatz zu dir hat Twilight Of The Gods einen geringeren Stellenwert für mich. Gleiches gilt für A Tale That Wasn’t Right. Diese psychische minimale Pause in meinen Gehirnwindungen ist jedoch auf absolut höchstem Niveau.

Ja absolut, der folgende Titel Future World gehört in die Top 50 der besten Heavy Metal Songs aller Zeiten. Kai hat als Songwriter einen derben Kracher rausgehauen und Kiske veredelt das Ding. Alleine diese Kombi zeigt auf, in welcher Liga die Hamburger zu dieser Zeit spielten.

Zum Ende der Achtziger, bitte korrigiere mich falls nötig, waren die Deutschen weltweit in oberste Gefilde aufgestiegen. Nach Iron Maiden mit Somewhere In Time und Seventh Son Of A Seventh Son ist die zweiteilige Keeper ein Stück Heavy Metal Musikgeschichte, die man fühlen muss. Alleine der Anfang von Future World zaubert ein Glitzern in die Augen. Irgendwie totgehört, kann man den Titel trotzdem jeden Tag rauf- und runterspielen. Die eingebauten Elemente beeindrucken mich persönlich immer wieder. Man hat halt nicht den Laptop aufgeklappt und was aus dem Plastikkasten abgespielt, sondern es wurde alles fein per Hand gestreut.

Nach meinem Lieblingssong kommt Halloween, fast 14 Minuten stark, und trotzdem im Bruchteil einer Sekunde durchgehört. Das beweist das geniale Songwriting des Fünfers und wurde mit 500.000 verkauften Scheiben der Part 1 belohnt.
Erpelpelle kommt mit „..and there’s magic in the air„. Die Strophe bricht in mir den inneren Bann und sorgt für Ektase.

Wie du merkst Andi, vier Hits haben es mir bis dahin am meisten angetan, aber wer kommt bei dir ganz oben aufs Treppchen?

Andreas B.:
Grundsätzlich stimme ich dir bei fast allem zu. Auch für mich stehen die beiden Keeper-Platten auf einer Höhe mit den von dir genannten Scheiben von Maiden.
Die Alben der Engländer atmen vielleicht noch etwas mehr klassischen Rock ’n‘ Roll und Metal, wohingegen die Hamburger ja schon deutlich mehr Augenmerk auf Bombast und „Power“ legten.

Future World ist natürlich einer der großen Songs des ersten Teils. Live eine Granate und totaler Publikumsliebling. Trotzdem catcht mich Twilight Of The Gods irgendwie mehr.
Halloween sprengt dann auch erst mal den Rahmen mit seiner knappen Viertelstunde. Unglaublich vielschichtig, episch und abwechslungsreich. Und nach 12:15 Minuten mit einem wunderbar geklauten Maiden-Riffing ausgestattet, haha. Sehr fettes Teil und auch von mir hoch- und runtergehört.

Wenn ich jetzt eine Siegerehrung vornehmen müsste, wäre es – im Vergleich zu Part 2 – relativ einfach: Ganz vorne, mit großem Abstand, Twilight Of The Gods. Danach I’m Alive, gefolgt von A Tale That Wasn’t Right.

Das abschließende Outro Follow The Sign können wir uns, denke ich mal, sparen. Und gleich zum Nachfolger aus 1988, Keeper Of The Seven Keys Part II, rüberhüpfen, wenn du einverstanden bist.

René W.:
Sehr gerne, damit haben wir bereits das Thema für in 14 Tagen, wie schon am Anfang erwähnt, verraten. 😉 Wer möchte auch diese beiden siamesischen Zwillinge trennen?

Eigentlich waren beide Keeper-Alben für diese Ausgabe geplant, aber wir haben einfach wieder zu viel geschrieben. Ich persönlich freue mich auf den zweiten Teil und wir hoffen, ihr seid dann wieder mit dabei!

Euch gefällt unsere Time For Metal Zeitreise? Dann schaut euch auch gerne die anderen Folgen an.

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Time For Metal Zeitreise – Metallica – Metallica (1991)

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