Völur – Disir

“Schmaler Grat zwischen Monotonie und Genialität“


Artist:
Völur

Herkunft: Kanada

Album: Disir

Spiellänge: 40:00 Minuten

Genre: Doom Metal, Folk

Release: 24.06.2016

Label: Prophecy Productions

Bandmitglieder:

Violine, Gesang – Laura Bates
Bass, Gesang – Lucas Gadke
Schlagzeug – Jimmy P. Lightning

Tracklist:

  1. Es Wächst Aus Seinem Grab
  2. The Deep-Minded
  3. White Phantom
  4. Heiemo

Völur - Disir

2014 bereits als Eigenregie-Demo unter das Hörervolk verteilt, veröffentlicht das kanadische Trio um Völur ihr Debüt Disir (diesmal unter den Fittichen von Prophecy Records) 2016 erneut. Dabei klingt allein die Instrumentierung der Besetzung schon ein wenig eigen: Gerade mal Schlagzeug, Bass und Violine. Ersatz für den Sechssaiter liefert die elektronische Bassgitarre mit ordentlichst Verzerrung und Gain-Rechtsanschlag, um für den Grundstein der Psychedelik zu sorgen. Richtig abgefahren sorgt dann die Geige im Vordergrund als Soloinstrument für musikalische Unruhe und Chaos. Für Völur da die typische Genre-Schublade zu finden, ist deshalb glücklicherweise gar nicht so einfach. Doom-Post-Folk? Solstafír-Isis? EyeHateGod-Sigur-Ros? Irgendwie so etwas in der Art und doch noch meilenweit entfernt.

Es Wächst Aus Seinem Grab legt sogleich schleppend-träge in gekonnter Doom-Manier los mit herzzerreißender Violinenspur und dem auf Disir eher seltener aufzufindenden weiblichen Gesang, unterstützt durch Chöre. Wer Family Affairs von den Gladbachern um Sun kennt, kann sich ganz gut vorstellen, wie das klingen kann.

Nahtlos führt der zweite Titel The Deep-Minded den Pfad durch Disir weiter. Ruhiger und sanftmütiger Basslauf im Wechselspiel mit der präsenten Violine. Was von der Grundstimmung anfängt wie Unkles Übersong Rabbit In Your Headlight, entwickelt sich folkig weiter zur Black Sabbath-artigen Doom-Trägheit. Nicht schlecht, aber bereits zuhauf aus dem Genre gehört, reißt auch selbst die Violine nichts heraus. Was fehlt, ist entweder kolossale Wucht wie sie Year Of No Light draufhaben oder packende Melodien à la Isis. Einfach zwischen zwei Akkorden zu wechseln, ist gängig im Black- Doom- und Post-Metal, aber ein mittlerweile so oft verwendeter Schachzug, dass man damit keinen Hund vor dem Ofen vorlockt. Gerettet wird der Song dann doch noch von weiblichen Gesangseinlagen im Hintergrund und den angenehmen Violinen-Soli.

White Phantom fährt instrumental ebenfalls ruhige Gewässer an, bleibt auch dort und entführt damit gedanklich in eine Soundtrackwelt zu einem skandinavischen Drama. Melancholie, karge Landschaften, Einsamkeit, das Leben auf dem Land. Volles Programm. Und trotzdem oder gerade deswegen ein Gefühl von Harmonie.
Wunderschöne (!) Abwechslung zum sonstigen Geprügel auf Disir.

Mit Heiemo schicken Völur den vierten und damit letzten Song ins Rennen. Der Vierzehnminüter dümpelt anfangs genauso langsam und sanft vor sich hin wie sein Vorgänger, nimmt jedoch ab der dritten Minute immer mehr Fahrt auf.
Bremst wieder ab, beschleunigt nochmals, bremst erneut.
Ein bisschen wie das erste Mal Schleifpunkt finden. Mit dem Unterschied, dass Einsatz von dumpfen Trommeln dem Ganzen ein gewisses Videospielmusik-Flair gibt. Im letzten Drittel wird endlich die eingängige, aber über alle Maßen effektive, Violine ausgepackt, alles rastet aus und treibt voran für ein Hau-mir-ins-Gesicht-Finale. Der letzte Part ist jede der zehn Minuten wert, die man sich im Song vorher anhören muss, um dahin zu gelangen. Großartig.

Fazit: Trotz minimaler Instrumentierung und Songaufbauten ist es gar nicht so einfach, Völur einen Genre-Namen zu verleihen oder sich über eine Bewertung wirklich sicher zu sein. Folk würde nur eine miese Eluveitie-Assoziation herstellen, die kaum falscher sein könnte. Und trotzdem ist eine gewisse Naturverbundenheit der Kanadier so unglaublich präsent, dass es bereits atmosphärisch zum Anfassen reicht. Für Doom ist Völur zu wohlwollend. Fans von üblichen Prophecy-Veröffentlichungen können deshalb gern mal ihre experimentellen Ohren reinhalten. Alle anderen natürlich auch, aber da kann man für keine absolute Begeisterung garantieren.

Anspieltipps: White Phantom und Heiemo
Glenn V.
7.5
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