30. Gößnitz Open Air am 04.08. und 05.08.2023 in Gößnitz

Drei Dekaden kunterbunte Rock- und Metal-Vielfalt

Eventname: Gößnitz Open Air

Bands: The Birch, Die Art, Disillusion, dArtagnan. Subway To Sally, Purple Callas, Saltatio Mortis, Crossplane, T.R. Booze Conspiration, Osaka Rising, Die Skeptiker, Lacrimas Profundere, Uhai, Andreas Dielmann Band, Die Apokalyptischen Reiter, Knorkator, Black Widow, The Nickajacks

Ort: Festwiese neben dem Fußballplatz, 04639 Gößnitz

Datum: 04.08. – 05.08.2023

Kosten: ab 69,90 €

Genres: Folk Metal, Mittelalter Rock, Gothic Rock, Hard Rock, Punk Rock

Link: https://www.openairgoessnitz.de/

Freitag, 04.08.2023

Festivals in der eigenen Region sind per se kleine Highlights, schon allein aufgrund des vergleichsweise vereinfachten Anreiseprocederes. Nichtsdestotrotz ist meine letzte Teilnahme am Gößnitz Open Air bereits elf Jahre her, daher bin ich schon seit Tagen ziemlich aufgeregt, endlich auf dieses extrem familiäre, gemütliche Festival zurückzukehren, da ich mit dem G:O:A viele gute und sehr schöne Erinnerungen in Verbindung bringen kann.

Dieses Jahr ist im Gegensatz zu den ersten Festivalwochen des Jahres bereits im Vorfeld das Wetter, gelinde gesagt, etwas unstet. Große Festivals kämpfen zum Teil mit Wasser und Schlamm, müssen gar Zutrittsstopps verhängen. Aus Gößnitz erreichen uns lemmyseidank keinerlei Horrormeldungen. Ein guter Bekannter hatte mir schon vor geraumer Zeit angeboten, mich mitzunehmen und Freitagmittag steht also ein Teil unserer Reisegruppe überpünktlich vor meinem Hau. Tetris-like verstauen wir mein Equipment und dann geht’s auch schon los.

In Gößnitz angekommen, reihen wir uns zum Check-in ein. Der vordere Platz ist schon gut gefüllt und wir entscheiden uns für den Bereich hinter der Brücke, ist zwar weiter weg von der Bühne, aber selbst nach ein paar Kaltgetränken machbar. Da es mittlerweile zu nieseln angefangen hat und auch die Regenfälle an den Vortagen für ungünstige Untergründe gesorgt haben, gerät der Campaufbau zu einer eher unspaßigen Angelegenheit, aber mit vereinten Kräften schaffen wir es schlussendlich dann doch. Leider verpassen wir dadurch die ersten beiden Bands.

04.08.2023, Gößnitz Open Air, Disillusion
04.08.2023, Gößnitz Open Air, Disillusion

Im ersten Drittel der Disillusion-Show schaffe ich es dann endlich auf den Platz. Es hat bereits wieder aufgehört, Wasser von oben auf dem Platz zu verteilen. Der Bereich vor der Bühne ist gut gefüllt und langsam kommt auch bei mir Festivalstimmung auf. Die Leipziger können wie gewohnt mit ihrem größtenteils sehr melodischen Prog Metal die meisten Zuschauer überzeugen. Zwar hab ich aufgrund der Ursprünge der Band in meiner Heimatstadt eine gewisse Verbindung zu den Jungs und kann ihre Songs von Platte auch ganz gut haben, aber heute holt mich dich Show irgendwie nicht ab.

  1. The Great Unknown
  2. Am Abgund
  3. Driftwood
  4. …And The Mirror Cracked
  5. The Black Sea
  6. Tormento
  7. Alea
  8. Don’t Go Any Further
04.08.2023, Gößnitz Open Air, dArtagnan
04.08.2023, Gößnitz Open Air, dArtagnan

Nach dem Abendessen startet mit dArtagnan das, was mein Kumpel Medival-Marathon nennt. Ok, die Band wird oft als Ballermann-Folk verschrien, aber heut brauch ich leichte Gute-Laune-Mucke, um endlich richtig in Stimmung zu kommen. Und genau das schafft die Truppe um Ben Metzger vom ersten Song an spielend. Die Stimmung auf dem Platz ist bombastisch und eine reichliche Stunde feuert die Band eine Hitgranate nach der anderen von der Bühne, Ja, meine Fresse, kann schon sein, dass die Nürnberger Formation sich zu sehr im Schlagerfahrwasser bewegt, aber wer mal einen Gig von denen erlebt hat, muss neidlos anerkennt, dass das Konzept aufgeht, einige hundert feierwütige Besucher vor der Bühne können nicht irren.

05.08.2023. Gößnitz Open Air, Subway To Sally
05.08.2023. Gößnitz Open Air, Subway To Sally

Mit Einbruch der Dämmerung ist es Zeit für Subway To Sally, die zum Hochadel des deutschen Mittelalterrocks zählen. Mit tosendem Jubel betritt die Band die Bühne und eröffnet mit Was Ihr Wollt von ihrem brandaktuellen Album Himmelfahrt. Weiter geht’s mit einem weiteren Song von derselbigen Scheibe, die Die-Hard-Fans singen die Nummern schon textsicher mit, während andere noch etwas verhalten reagieren. Danach wird es flächendeckend textsicherer. Ungefähr in der Mitte der Show gibt es ein paar technische Probleme, aber das tut der gigantischen Stimmung auf dem Platz keinen Abbruch und mit Henkersbraut fahren die Potsdamer den nächsten Sieg ein. Die restliche Show besteht durch die Bank weg aus Klassikern der Bandgeschichte, die im Kleid Aus Rosen kulminiert. Als Zugabe und klassisches Ende einer STS-Show fungiert, wie sollte es anders sein, Julia Und Die Räuber, das die Fans lautstark mitsingen und die Band verlässt unter donnerndem Applaus die Bühne.

Dankbar für eine längere Pause auf der Mainstage pausiere ich ein wenig und lausche Purple Callas auf der Zeltbühne. Die Jungs covern Deep Purple und machen ihre Sache an und für sich gar nicht so schlecht. Die Originale kenn ich ausschließlich von Platte und hab daher keinen Vergleich, aber wenn ich so in die Gesichter der zahlreichen Graubärte schaue, muss es wohl relativ amtlich sein.

Auf der Mainstage ist nun Headliner-Time. Laute Saltatio Mortis-Rufe schallen aus dem Publikum, und als das Intro ertönt, rastet die Meute schier aus. Eröffnet wird mit Alive Now vom aktuellen Album. Danach geht es weiter mit einer wahnsinnig geilen Mischung aus dem gesamten Backkatalog von SalMo. Alea und seine Mannschaft sind wahnsinnig gut aufgelegt. Ungefähr in der Showmitte erreicht der Auftritt einen kleinen Höhepunkt, als gefühlt das gesamte Publikum den Überhit My Mother Told Me mitschmettert. Bekannt wurde dieser altisländische Titel durch die Serie Vikings und dieses eigentlich tragische Lied erlebte auch durch Saltatio einen weiteren Frühling. Einen Popularitätsschub hat der Titel sicher auch durch den TikTok-Star Peyton Parrish erhalten, dem wiederum eine Menge Menschen auf dieser Plattform mit einer eigenen Interpretation nachgeeifert haben.
Im Schlussviertel der Show gibt die Band eine Coverversion von Electric Callboys Song Hypa Hypa  zum Besten. Ich sag’s euch ehrlich, den Core-Knaben kann ich normalerweise absolut nix abgewinnen, aber besagte Nummer im SalMo-Gewand macht richtig Laune. Vor dem Grande Finale gibt’s noch die Premiere eines neuen Songs zu hören, dessen Titel ich allerdings vergessen hab, man darf künftig gespannt sein. Zum Abschied bekommen wir einen Song kredenzt, der schon seit vielen Jahren zur Hymne von Saltatio Mortis avanciert ist. Die Rede ist vom Spielmannsschwur, den das gesamte Auditorium der Welt textsicher leistet.

  1. Intro
  2. Alive Now
  3. Brot Und Spiele
  4. Loki
  5. Wo Sind Die Clowns
  6. Dorn Im Ohr
  7. Taugenichts
  8. Brunhild
  9. Heimdall
  10. What Shall We Do With The Drunken Sailor
  11. My Mother Told Me
  12. Prometheus
  13. Ich Werde Wind
  14. Mittelalter
  15. Seidem Du Weg Bist
  16. Hypa Hypa (Escimo Callboy-Cover)
  17. Für Immer Jung
  18. – neues Lied –
  19. Spielmannsschwur

Nach dem Konzert ist für mich Feierabend, da vermutlich auch witterungsbedingt meine gesundheitlichen Beschwerden anfangen, sich mal wieder bemerkbar zu machen.

Samstag, 05.08.2023
05.08.2023, Gößnitz Open Air, Osaka Rising
05.08.2023, Gößnitz Open Air, Osaka Rising

Leider beginnt der Tag für mich wenig erfreulich. Meine gesundheitlichen Probleme haben sich offensichtlich über Nacht verstärkt und ich denke mehr als nur einmal über einen Abbruch nach. Da das allerdings mit einer Menge logistischer Schwierigkeiten verbunden wäre, bleibe ich und quäle mich bewaffnet mit Wasser und der guten Betreuung durch die Sanitäter und meiner hilfsbereiten Reisegruppe durch den Nachmittag, allerdings bekomme ich auch bis halb vier kaum etwas vom Geschehen auf dem Bühnengelände mit. Während Osaka Rising schleppe ich mich dann doch nach vorn und bedauere ein wenig, nicht mehr von der Zwei-Mann-Truppe mitbekommen zu haben. Denn die Jungs betreiben ganz offensichtlich feinstes John Lord-Worshipping, und ich bin mir ziemlich sicher, dass alle Psychedelic-Heads auf dem Platz an diesem noch sehr frühen Nachmittag für eine dreiviertel Stunde Vollbedienung erhalten haben.

Die Skeptiker erlebe ich nur aus dem Bierzelt-Bereich, wo ich mich an meiner Wasserflasche festhalte. Na ja, Deutschpunk war nach Ende meiner Zeit in der Unterstufe schon nicht mehr meins und ich verbuche diesen Gig für mich als komplett aus der Zeit gefallen. Aber so was gehört für das Gößnitz Open Air einfach dazu, wo so ziemlich alle Rockstile aufeinandertreffen. Alles ist friedlich, alle sind am Feiern und jeder kann mal für ein Wochenende den Alltag hinter sich lassen.

05.08.2023, Gäßnitz Open Air, Lacrimas Profundere
05.08.2023, Gäßnitz Open Air, Lacrimas Profundere

Interessant wird’s am frühen Abend mit den Düsterrockern Lacrimas Profundere. Einzig Gründungsgitarrist Oliver Nikolas Schmid ist von der ursprünglichen Formation noch übrig. Das Besetzungskarussell hat sich in den 20 Jahren erstaunlich oft gedreht und heute ist die Band, die seinerzeit tief im Gothic Metal verwurzelt war, nach ihren zwei Jahrzehnten Bandgeschichte im Dark Rock angekommen. Das Set kann bei 13 Alben aus einer ganzen Menge Material schöpfen, aber bei knappen 50 Minuten Stagetime muss die Setlist zum Bedauern der anwesenden dunklen Seelen leider auf das Minimum der dunkelbunten Bandhistorie beschränkt werden. Ich selbst kenne die Band live noch nicht, habe aber den einen oder anderen Song bereits gehört und bin daher vom Stilreichtum der Band sehr überrascht, aber finde auch, dass der Show dadurch ein bisschen ein roter Faden fehlt.

05.08.2023. Gößnitz Open Air, Uuhai
05.08.2023. Gößnitz Open Air, Uuhai

Als nächster Punkt auf der Agenda folgt eine Band, auf die ich bereits seit Wochen sehr gespannt bin. Ich hab mich zwingen müssen, nicht bei Spotify oder YouTube vorher reinzuhören, um mir eine größtmögliche Überraschung zu gönnen. Uuhai machen Folk Metal mit mongolischem Kehlkopfgesang. Irrsinnig faszinierend. Und zwar nicht nur der Gesang, sondern auch die Instrumentierung. Neben den klassischen Instrumenten E-Gitarre, Bass und Schlagzeug wird die Musik der Mongolen dominiert von zweiseitigen Streichinstrumenten, laut deren Manager nennt man die Morin Khuur. Anders als bei gewohnten Auftritten singt logischerweise niemand mit und der meditative Gesang ist im Ansatz vergleichbar mit dem Klang eines Didgeridoo – nur gesungen. Na ja, keine Ahnung, ob ihr’s euch vorstellen könnt. Wenn die Truppe, die dieses Jahr erstmals in Europa gastiert, mal in erreichbarer Nähe gastiert, dann gönnt euch das mal. Faszination ist eigentlich gar kein Ausdruck!

05.08.2023, Gößnitz Open Air, Die Apokalyptischen Reiter
05.08.2023, Gößnitz Open Air, Die Apokalyptischen Reiter

Nach diesem gemütlichen Konzerterlebnis ist für mich allmählich Headlinertime. Mit Einbruch der Dämmerung hat es sich auch etwas abgekühlt, die Schwüle des Tages hat sich gelegt und mein Kreislauf bewegt sich in brauchbaren Fahrwassern. Ich begebe mich mit ausreichendem Vorlauf an die Bühnenabsperrung und erwarte gespannt die Apokalyptischen Reiter, die ich nun schon seit vielen Jahren nicht mehr live gesehen hab. Nachdem die Tour vergangenen Herbst gecancelt worden war – einige erinnern sich vielleicht noch an das traurige Bandstatement – bin ich Feuer und Flamme und gespannt wie der sprichwörtliche Flitzebogen. Und was soll ich sagen? Die Show ist auf der ganzen Länge der absolute Wahnsinn, die Menge tobt am Stück und auch ich singe viele der Stücke textsicher mit. Gelegentlich kriecht leichte Gänsehaut den Rücken hinauf, wenn die Band kurz stoppt und nur die Zuschauer unisono die Lieder mitsingen. Eine großartige Setlist lässt nahezu keine Wünsche offen, auch wenn es mich erstaunt hat, dass die Reitermaniacs dieses Mal gefehlt haben.

  1. Intro
  2. Die Boten
  3. Auf Und Nieder
  4. Der Adler
  5. Es Wird Schlimmer
  6. Friede Sei Mit Dir
  7. Herz In Flammen
  8. Revolution
  9. – Drum Solo –
  10. Die Sonne Scheint
  11. Du Kleiner Wicht
  12. Voll Kraft
  13. Wilde Kinder
  14. Reitermania
  15. Seemann
  16. Leinen Los
  17. Franz Weiss
  18. The Great Experience Of Ecstacy
  19. Wir Reiten
  20. Outro
05.08.2023, Gößnitz Open Air, Knorkator
05.08.2023, Gößnitz Open Air, Knorkator

Während ich nach dem Ende der Reiter-Show direkt an der Bühnenabsperrung bleibe, um auf den Headliner zu warten, unterhalte ich mich mit einer jungen Familie, die mit ihren Kids zum G:O:A gekommen ist, um die Bands abzufeiern. So was ist unter anderem das, wofür ich solche Festivals liebe: Eigentlich unbekannte Menschen kennenlernen und direkt durch das gemeinsame Erleben spontan verbunden sein. Falls ihr das hier lesen solltet: Ganz liebe Grüße 😉

Kurz nach halb 11 und nachdem wir dem Aufbau und dem Soundcheck zugeschaut haben, geht es nun endlich los. Die Sicherheitsleute im Bühnengraben heben noch eben alle Kids über die Absperrung in den sicheren Bereich, versorgen die, bei denen er fehlt, mit Gehörschutz und dann endlich geht es los: Die meiste Band der Welt, Knorkator, beginnt ihr wirklich umfangreiches Set. Das besteht zwar zu gut einem Drittel aus Stücken des aktuellen Albums Sieg Der Vernunft, aber als altgedienter Knorkator-Fan muss ich neidlos anerkennen, dass der Band mit dieser Platte wieder ein echter Paukenschlag gelungen ist, die Stücke live wirklich spitzenmäßig funktionieren und ausnahmslos jede Nummer gut zündet. Auch die anderen beiden Drittel des Programms sind mit Hochkarätern aller Schaffensphasen der Berliner besetzt. Was ich absolut klasse finde, ist der vermehrte Einsatz von Stumpens Tochter Agnetha, genannt Nettie. Das Mädel hat genau wie ihr Vater eine Wahnsinnsstimme, chapeau junges Fräulein!
Nach dem furiosen Finale und einer mehr als großzügigen Zugabe ist meine Stimme nun endgültig im Eimer und ich verlasse den Platz ein letztes Mal, extrem glücklich grinsend.

  1. Intro
  2. Sieg Der Vernunft
  3. Kurz Und Klein
  4. Der Ultimative Mann
  5. Die Welt Wird Nie Wieder So, Wie Sie Vorher War
  6. Der Hofstaat
  7. Tut Uns Leid
  8. Böse
  9. Du Nicht
  10. Ma Baker (Boney M.-Cover)
  11. Ihr Habt Gewonnen
  12. Rette Sich Wer Kann
  13. Milliardäre
  14. Es Lebe Der Tod
  15. Alter Mann
  16. Ding Inne Schnauze
  17. Weg Nach Unten
  18. Wir Werden Alle Sterben
  19. Eigentum
  20. Du Bist Schuld
  21. Zähneputzen, Pullern und Ab Ins Bett
  22. Outro

Angekommen am Basislager, verfeinern wir noch das restliche bisschen an Energie, bis in weiter Ferne bereits die Morgendämmerung über Gößnitz beginnt hereinzubrechen und wir in unseren Folienbehausungen verschwinden. Der Abbau am nächsten Morgen ist von Katerstimmung, aber doch guter Laune geprägt, allerdings kämpfen wir mit klatschnassen Zelten und einem zerschmetterten Pavillon, es hat offensichtlich in den frühen Morgenstunden noch einmal fürchterlich geschüttet. Na, die Götter müssen uns gnädig gesonnen gewesen sein, da ja fast das gesamte Festival trocken über die Bühne gelaufen ist. Schwein gehabt!

Danke dafür und ein Dank geht raus an das Veranstalterteam vom IMUK e.V., an all die fantastischen Bands, an meine supercoole Reisegruppe und den vielen bekannten und unbekannten Besuchern, mit denen ich tolle Schwätzchen halten durfte. Sehen und rocken wir uns im nächsten Jahr wieder?