Artist: Amorphis
Herkunft: Helsinki, Finnland
Album: Tales From The Thousand Lakes (Live At Tavastia)
Spiellänge: 55:07 Minuten
Genre: Progressive Metal, Death Metal
Release: 12.07.2024
Label: Reigning Phoenix Music (RPM)
Format: CD, Vinyl, Download, Blue Ray
Link: Amorphis – Official Website
Bandmitglieder:
Gesang — Tomi Joutsen
Gitarre — Esa Holopainen
Gitarre, Hintergrundgesang — Tomi Koivusaari
Tasteninstrumente – Santeri Kallio
Bass – Olli-Pekka Laine
Schlagzeug – Jan Rechberger
Tracklist:
- Thousand Lakes
- Into Hiding
- The Castaway
- First Doom
- Black Winter Day
- Drowned Maid
- In The Beginning
- Forgotten Sunrise
- To Father’s Cabin
- Magic And Mayham
- Vulgar Necrolatry
- My Kantele
Erneut wird eine Platte von Amorphis im Ganzen und in chronologischer Reihenfolge im Tavastia Club in Helsinki aufgenommen. Diesmal ist es das zweite Studioalbum der finnischen Formation und sicherlich eines der Wegweisenden. Tales From The Thousand Lakes war der Anbeginn der stilistischen Veränderung, die diese Band bis heute begleiten sollte. Das Erstlingswerk. Während sich das Debüt The Karelian Isthmus noch gänzlich dem Death Metal verschrieben hatte, gab es auf den Tales From The Thousand Lakes bereits Klargesang, der damals von Ville Tuomi (Kyyria) beigesteuert wurde. Auch musikalisch war eine deutliche Entwicklung feststellbar. Auch wenn viele Passagen noch dem Death Metal zuzuordnen sind, gab es immer mehr progressivere Einflüsse. Einen festen Keyboarder gab es ab diesem Zeitpunkt auch. Hatte Jan Rechberger (Drummer der Band) beim Erstling noch die wenigen Keyboardpassagen übernommen, gehörte jetzt Kasper dazu. Es erschien, nach der Veröffentlichung des Albums, die eigentlich für davor geplante Single Black Winter Day, zu dem Amorphis auch ihr erstes Video drehten. Dieser Track ist auch heute noch immer Bestandteil der Setlist. Kurz nach Veröffentlichung der Thousand Lakes verließen Rechberger und Mårtenson die Band und wurden durch Kim Rantala (spielt heute auch bei Olli-Pekkas Octoploid) und Pekka Kasari ersetzt. Ich könnte nun in der Geschichte weitermachen, bis wir zur aktuellen Besetzung mit Tomi Joutsen, Santeri Kallio, Jan Rechberger, Tomi Kiovusaari und Olli-Pekka Laine kommen. Da es hier um die Neuaufnahme der Platte geht, spare ich mir das und verweise auf das interessante Buch Amorphis von Markus Laakso.
Ich werde mir auch nicht jeden Song vornehmen, da diese Platte bereits 1994 erschienen ist und ausgiebig besprochen wurde. Trotzdem gibt es noch das eine oder andere Wort zu verlieren. Auf der TFTTL wurden zunächst auch nur zehn Songs veröffentlicht. Vulgar Necrolatry (ursprünglich von Koivusaaris Abhorrence) und My Kantele erschien nur als ausgekoppelte EP zu Elegy und sind heute mit dabei, da sie thematisch zu der Platte zählen. Die vorliegenden Liveaufnahmen beziehen sich also auf die erste Ausgabe von 1995, da es auf der Wiederveröffentlichung 2001 bereits vier weitere Bonustracks gibt. Die Aufnahmen im Tavastia Club sind, wie bereits die Aufnahmen zu Queen Of Time (Review hier) ohne Publikum und ohne nennenswerte Anstrengungen aufgenommen worden. Alle Musiker sehen beim ersten Song Thousand Lakes bis zum letzten My Kantele gleichermaßen relaxed und frisch aus, nur nicht wie nach einem einstündigen Liveereignis. Das macht aber nichts, denn die Musik spricht für sich. Die Mischung aus Death, Gothik, Prog Metal und auch Siebzigerjahre-Rock (Hammondorgel Einsatz) und finnischer Folklore ist nahezu perfekt. Tomi Joutsen versteht es, den damals noch von Tomi Koivusaari und Ville Tuomi gesungenen Songs seinen individuellen Stempel aufzudrücken, ohne die Seele der Tracks zu ändern. Mystik und Poesie, geschöpft aus der Kalevala, dem finnischen Nationalepos, werden hier verarbeitet. Hört man sich die erste Aufnahme an, dann sind es gesanglich schon Welten, obwohl Pasi Koskinen das bereits besser als Ville Toumi vermochte. Joutsen kann diese Gefühle für die Inhalte der Kalevala richtig transportieren und ist eindeutig die bessere Wahl. Mit den technischen Mitteln von heute, den modernen Aufnahmetechniken und der musikalischen Weiterentwicklung von Amorphis, erstrahlen die Geschichten der Tausend Seen in neuem Glanz und bringt die inzwischen fast dreißig Jahre alte Platte erneut gut zur Geltung. Die Blu-Ray beginnt dann passend auch mit stimmungsvollen Bildern der winterlichen, finnischen, unendlichen und geheimnisvollen Wildnis. Into Hiding zeigt gleich, was ein Joutsen kann. Der Wechsel zwischen Growl und Klargesang ist schon krass. Dazu fette Riffs von Koivusaari und Keyboardeinsatz von Santeri lassen die Aufnahme viel moderner erscheinen, obwohl das Material dreißig Jahre auf dem Buckel hat. The Castaway liefert bereits erste orientalische Einflüsse, die sich auf späteren Werken noch weiter verstärken sollten. Und immer ist Hauptsongwriter Esa Holopainen mit brillantem Gitarrenspiel ganz vorne dabei. Jan und Olli liefern die mächtige Basis, auf der sich alle anderen austoben können. Mein Höhepunkt an dieser Stelle ist das über achtminütige My Kantele. Die Kameraführung zeigt alle Protagonisten in gutem Licht (hätte ich auch gern mal bei einem Amorphis Konzert), wenn ansonsten auch keine Showelemente da sind. Das erwartet man eigentlich aber auch nicht. In diesem Stile setzt sich das gesamte Werk durch. Brillante Musiker, geniale Songs, eine Produktion ohne Makel, auch wenn es etwas steril wirkt. Vielleicht gibt es ja mal eine Möglichkeit, dass sie das vor Publikum spielen. Zunächst sind sie aber erst mal auf einigen Festivals als Gäste und ich freue mich, sie auf dem Rockharz erneut sehen zu dürfen.