Caligula’s Horse – Rise Radiant

Der nächste Schritt

Artist: Caligula’s Horse

Herkunft: Gold Coast, Brisbane, Queensland, Australien

Album: Rise Radiant

Spiellänge: 56:45 Minuten

Genre: Progressive Metal, Progressive Rock, Alternative Rock, Djent

Release: 22.05.2020

Label: InsideOut Music

Links: https://www.facebook.com/caligulashorseband/
https://caligulashorse.com/
https://twitter.com/CaligulasHorse
https://www.instagram.com/caligulashorse

Produktion: von Sam Vallen und gemischt von Jens Bogren (u. a. auch Opeth, Devin Townsend Project und Leprous) in den Fascination Street Studios in Schweden

Bandmitglieder:

Gesang – Jim Grey
Leadgitarre – Sam Vallen
Gitarre – Adrian Goleby
Bassgitarre – Dale Prinsse
Schlagzeug – Josh Griffin

Tracklist:

  1. The Tempest
  2. Slow Violence
  3. Salt
  4. Resonate
  5. Oceanrise
  6. Valkyrie
  7. Autumn
  8. The Ascent
  9. Don’t Give Up (bonus track)
  10. Message To My Girl (bonus track)

Progressive Musik umreißt all das, was sich nicht auf ein spezielles Genre oder einen expliziten Stil eingrenzen lässt. Progressivität gibt es somit in allen anderen Genres auch, gleich, ob in der Popmusik oder dergleichen mehr. Im medizinischen Umfeld beschreibt Progressivität z. B. mehr oder minder stark fortschreitende Erkrankungen. Grenzen wir Progressivität auf den Metal oder auch die Rockmusik ein, so gibt es hier eine stetig wachsende Anzahl von Bands, die sich offenbar nur zu gerne in diese nahe liegende Möglichkeit hineinbegeben und den geschützten Raum für sich zu nutzen wissen. Darin darf man sich musikalisch ungehemmt und beinahe zügellos ausleben.

Caligula’s Horse nehmen das augenscheinlich sehr ernst. Die 2010 in Australien gegründete Formation bringen mit Rise Radiant dieser Tage ihren fünften Longplayer heraus, der vor allem eines ist, in jeder Hinsicht progressiv.

Nicht selten finden sich begnadete und studierte Musiker in solchen Bands, deren Intellekt große Strahlkraft auf die technischen Fertigkeiten an den Instrumenten, im Gesang, im Besonderen aber auf das Songwriting und die Arrangements hat. Das heißt also, progressive Musik hätte ausschließlich etwas mit Intelligenz zu tun und bliebe nur diesen Personen als Voraussetzung vorbehalten? Nicht zwingend, hierdurch wird jedoch einiges mit Sicherheit vorgeebnet. Attribute, wie Disziplin, Weitblick und Experimentierfreudigkeit finden sich in der progressiven Musik zuhauf. Am Ende ist diese Musik anders und ringt dem Hörer dessen ungeteilte Aufmerksamkeit ab. So ist dies auch bei Caligula’s Horse, wer hier nur mal eben reinhören mag, der wird am Ende die Skiptaste als neuen besten Freund haben. Man sollte sich Zeit nehmen und die Musik auf sich wirken lassen.

Betritt man diesen vorgenannten Raum, so betritt man zugleich die Welt dieser Musiker. Darin erscheint auf den ersten Blick nichts begrenzt, es eröffnen sich musikalische Grenzüberschreitungen, die, anders wie beim Konsum von LSD (Lysergsäurediethylamid), dennoch in den vorgegebenen Strukturen der Arrangements eingefangen werden. Wenngleich ich nicht wirklich weiß, wie sich die Substanz LSD tatsächlich auswirkt, ich habe und werde es nie versuchen… ? allerdings eilt dieser Substanz diese Wirkung offenbar voraus.

Ungeachtet dessen, Musik löst bekanntlich Gefühle und innere Bilder aus. Bereits mit dem Opener The Tempest, der auf den ersten Metern noch einfach strukturiert erscheint, werden die progressiven Elemente schon deutlich. Der Groove, das Staccato der Gitarren wird dem Genre mehr als gerecht, die Härte, die Dynamik und auch die Anleihen an Djent klingen rund und logisch. Der cleane Gesang von Jim Grey erinnert mich des Öfteren an Tool, wenn er dann die Sanftmut verlässt und ausbricht, vermag diese Komposition in der Tat mitzureißen. Hinzu kommen Synthis, die den Hintergrund vielsagend in die Harmonie einbetten.

Die innere Meisterschaft gelingt meines Erachtens mit Slow Violence, die getragene Einleitung mit Gesang und dezent gezupft-angezerrter Gitarre baut eine stimulierende Atmosphäre auf. Die Rhythmik treibt vorzüglich und dies im Gegensatz zu den eher melancholischen Melodien. Die runtergestimmten Gitarren geben dem Track einen echten Kick und sorgen für Bums. Der Refrain vereint den musikalischen Moment zu einer in sich schlüssigen Nummer.

Jetzt käme wohl der Moment, in dem der ungeduldige Hörer Kontakt mit seinem neuen besten Freund, der Skiptaste aufnimmt. Salt fordert mich heraus. Das ist maximal eigenwillig und beinhaltet Mut und gleichermaßen gewollte Egozentrik. „Mach damit, was Du willst, es muss Dir nicht gefallen, uns gefällt es“, so, oder so ähnlich könnte sich die Haltung der Musiker dahinter gebärden, vielleicht. Caligula’s Horse bedienen sich aller möglichen Elemente, seien dies jazzige, poppige oder extravagante Anteile – dieses Stück vermittelt dennoch sehr viel Gefühl und bringt eine äußerst positive Stimmung zutage. Man kann sich daran reiben oder erfreuen, das hängt vom Hörer ab.

Resonate toppt seinen Vorgänger dann noch um ein Vielfaches. Das ist zwar progressiv, hat mit Metal oder Rock dann hingegen gar nichts mehr zu tun. Je mehr ich dem Song lausche, komme ich zur Erkenntnis, dass dies auch aus der Feder von Michael Jackson hätte stammen können, und ich liebe Michael Jacksons Musik. Chillige Musik, die man einfach nur über sich herabrieseln lassen kann. Da dieser Song nur zweieinhalb Minuten andauert, unterstelle ich der Band, dass sie einfach Bock drauf hatten.

Nach diesem Exkurs kehren Caligula’s Horse wieder zurück in die Spur. Oceanrise ist nicht weniger experimentell, aus meiner Sicht aber leichter nachzuvollziehen, folgt stringenter einem weniger komplexen Songwriting. Wesentlich grooviger und direkter geht Valkyrie zu Werke. Akzentuiertes Riffing, mehr Synthis im Einsatz und der Einschlag zum Djent ist deutlicher als bei den anderen Nummern zu hören. Die dissonanten Harmonien geben der Komposition den Charme und Wiedererkennungswert, den sich diese Art Musik sehr oft zu eigen macht.

Sollte es in der progressiven Welt so etwas wie Balladen geben, dann ist Autumn das Paradebeispiel hierfür. Eine erfrischende, freundliche und wohlige Herangehensweise an das Songwriting, auch um sich und seinen Gefühlen als Musiker Raum zu verschaffen. Autumn baut sich dynamisch zunehmend auf und fällt an anderer Stelle wieder zurück in das getragene Leitthema.

Zum Abschluss geben uns Caligula’s Horse noch ein knapp elf Minuten langes Epos mit auf die Reise. The Ascent gibt einen tiefen Einblick in die breite Palette dessen, wie sich die Herren ihre Musik vorstellen. Es gibt wunderschöne Soli zu hören. Das permanente Wechselspiel zwischen angedeuteter Härte und den durchweg emotionalen Gesangsmelodien, lassen The Ascent grundsätzlich abwechslungsreich erscheinen. Aber man muss schon etwas Liebe fürs Detail aufbringen.

Auf Rise Radiant befinden sich noch zwei weitere Bonustracks, auf die ich in dieser Promo leider nicht zurückgreifen und somit auch nicht näher beschreiben kann.

Meine Kollegin Heike L. führte 2015 zudem noch ein interessantes Interview mit Caligula’s Horse zum damaligen Album Bloom, das bei Interesse gerne hier gelesen werden kann.

Rise Radiant ist als CD Digipak, Gatefold black 2 LP + CD sowie Digital hier erhältlich.

Diskografie:
2011 – Moments From Ephemeral City
2013 – The Tide, The Thief & River’s End
2015 – Bloom
2017 – In Contact
2020 – Rise Radiant

Caligula’s Horse – Rise Radiant
Fazit
Rise Radiant ist ein in vielerlei Hinsicht ansprechendes Werk geworden, allein schon deshalb, weil sich Caligula’s Horse keineswegs auf nur das eine beschränken, sondern auch mal den Schritt über den Tellerrand hinauswagen. Darin könnte aber auch ein Risiko liegen, dergestalt, dass sich auf dieses Album nur eingefleischte Anhänger einlassen werden. Wie dem auch sei, musikalisch bewegt sich Rise Radiant auf einem recht hohen Niveau, erfordert allerdings eine gehörige Menge Hingabe des Hörers.

Anspieltipps: The Tempest, Slow Violence und Autumn
Peter H.
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