Chaosbay – Asylum

Ernste Themen in ein musikalisches Kleid gehüllt

Artist: Chaosbay

Herkunft: Berlin und Kaiserslautern, Deutschland

Album: Asylum

Spiellänge: 41:25 Minuten

Genre: Progressive Metal

Release: 18.09.2020

Label: Timezone Records

Link: https://www.facebook.com/chaosbay/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Jan Listing
Gitarre – Alexander Langner
Bassgitarre – Matthias Heising
Schlagzeug – Patrick Bernath

Tracklist:

  1. Enjoy The Rise
  2. Amen
  3. Mediterranean
  4. D.O.A.
  5. Limbus Inn
  6. Soldiers
  7. Criminals & Sons
  8. The Lyin‘ King
  9. Heavenly Island (Epilogue)

Tatsächlich schon seit acht Jahren gibt es die Band Chaosbay, die im Jahr 2012 von Jan Listing gegründet wurde. Bislang stehen drei EPs und das Full-Length-Album Vasilia aus 2015 auf der Haben-Seite von Chaosbay. Noch im Soll sind sie mit dem Album Asylum, das am 18.09. über Timezone Records veröffentlicht wird. Für das Songwriting ist überwiegend Jan Listing verantwortlich, der sich in den Texten dem aktuellen Zeitgeschehen widmet, das einem in Form von großen Lettern aus der Presse entgegenschreit, das man tagtäglich im Fernsehen oder auch in den sozialen Medien erlebt – oder sollte ich schreiben „erleben muss“? Es geht um Flüchtlingsdramen und Fremdenhass, um soziale Kälte und Ausgrenzung, um Kriege und soziale Missstände im Allgemeinen. Klingt nach schwerer Kost, aber, so viel sei schon mal verraten, Chaosbay setzen das musikalisch tatsächlich sehr gekonnt, um nicht zu sagen unterhaltsam, um.

Los geht es mit Enjoy The Rise. Ungefähr 40 Sekunden lang erhöht die Instrumentalfraktion die Spannung auf das, was da kommen mag. Dann darf ich sofort feststellen, dass Jan ein richtig guter Sänger ist. Wunderbar melodisch die erste Strophe, die Gitarren klingen leicht orientalisch, aufbrausend und energiegeladen kommt dann der Chorus um die Ecke. Da wechselt Jan zu Growls, der Bass donnert satt aus den Boxen. Es geht aber auch umgedreht, nämlich volle Power in der (zweiten) Strophe und ein ruhigerer Chorus. Sehr cool gemacht!

Nach der djentigen Eröffnung von Amen kommen Chaosbay zunächst mal ziemlich jazzig und sehr lässig daher. Aber Chaosbay stehen ja für Progressive Metal, und den liefern sie auch hier wieder. Es wäre müßig, die kleinen Finten und Haken, die die Männer auch hier wieder schlagen, alle zu erwähnen. Gelegenheiten zum Headbangen gibt es auch hier wieder zu Genüge, aber auch für ein – jazziges – Gitarrensolo ist genug Zeit.

Der Songtitel Mediterranean ist selbsterklärend, und Chaosbay setzen dieses sowieso schon sehr aufwühlende Thema entsprechend um. Auf sehr harter Schiene fahren die Strophen mit den ein wenig heiseren Growls von Jan, die Gitarren scheinen fast zu den Luftblasen zu werden, die das Mittelmeer durchziehen, so pulsierend klingen sie. In Kontrast dazu die immer wieder großartigen djentigen Basseinlagen. Mein Nacken wird weiter trainiert.

Ich habe tatsächlich ziemlich lange überlegt und gesucht, was die drei Buchstaben D.O.A. wohl bedeuten mögen. Es geht hier um das Schicksal, das immer wieder und viel zu oft zuschlägt, des „death on arrival“. Die Thematik des vorangegangenen Mediterranean sehr schön fortgeführt und beendet mit den Worten „If there is a god, how could this happen?“.

Bewegen sich die meisten Songs auf Asylum so um die vier Minuten Spielzeit herum, kommt mit Limbus Inn ein kleiner Ausreißer. Der längste Track des Albums kommt nämlich auf etwas über sechs Minuten. Die sind dann größtenteils fast schon tanzbar und ich schaue erst mal, ob sich da ein Track von einem anderen Album in meine Playlist eingeschlichen hat. Aber nein, auch hier gibt es wieder diese großartigen Stakkato-Rhythmen, die immer mal wieder wie Perlen in ihrer Schale von Chaosbay sorgfältig in jeden Song eingebettet wurden.

Die schöne Ballade Soldiers fährt die erhitzten Gemüter mal runter, und bei diesem Song darf einem dann auch gern mal der Bandname Subsignal durchs Hirn schießen. Mich erinnert der Klargesang von Jan sowieso ein ganz klein wenig an den von Arno Menses, passt also auch. Aber zurück zu den Growls – wobei ich fast eher zu dem Wort Shouts tendiere. Mit denen startet nämlich Criminals & Sons, und der Track setzt allein vom Tempo her schon mal wieder den nächsten Kontrastpunkt. Direkt nach der Ballade geht’s jetzt überwiegend im Uptempo weiter, auch der Härtegrad nimmt wieder deutlich zu.

Und dann ist mit The Lyin‘ King auch schon der vorletzte Song erreicht. Auch hier blitzt mal wieder ein wenig Subsignal durch. Aber nicht nur bei diesem Track darf man neben der Saitenfraktion auch die Arbeit von Patrick an den Drums bewundern, der hier so wunderbar auf die Toms eindrischt und damit den härteren Passagen noch einmal den extra Schwung zu verpassen scheint.

An den Schluss des Albums haben Chaosbay den Song Heavenly Island (Epilogue) gesetzt. Der kommt ein wenig elektronisch verfremdet daher und zitiert auch gern aus vorangegangenen Songs. Die zentrale Frage aus Song Nummer vier „If there is a god, how could this happen?“ wird hier dann noch fortgeführt mit „If there is a god, we don’t need a devil“. Großartig, wie sich der Song langsam und fast unmerklich aufbaut, um im großen Finale zu schließen. Das erinnert mich dann wiederum an die Soundwände, die die Instrumente beim ersten Track mühelos errichtet haben. Und wie schon beim Opener muss ich auch hier wieder an Songs wie Love oder Grace vom Album The Retinal Circus von Devin Townsend denken. Ob Jan auch so eine Mimik wie Devin hervorzaubern kann, weiß ich nicht, mit seinen Shouts muss er sich jedenfalls nicht verstecken.

Zu diesem Album haben Chaosbay schon verschiedene Videos veröffentlicht, die neben der musikalischen auch noch die visuelle Umsetzung liefern. Meinen Lieblingstrack Enjoy The Rise gibt es leider noch nicht als Video, aber nach Mediterranean kommt hier ein weiterer Anspieltipp, nämlich Limbus Inn:

Chaosbay – Asylum
Fazit
Jeder ansatzweise normal denkende Mensch macht sich sicherlich gerade in dieser besonderen Zeit so seine Gedanken über den Zustand der Welt und ihrer Bewohner. So haben das auch die Jungs von Chaosbay getan und ihre Gedanken in ein musikalisches Kleid gewandet. Und trotz der sicherlich nicht einfachen Themen darf man einfach mal genießen, was die Jungs hier zustande gebracht haben. Fans von den von mir mehrfach erwähnten Subsignal sollten auch härteren Klängen gegenüber aufgeschlossen sein, ich musste auch des Öfteren an den ebenfalls bereits erwähnten Devin Townsend, aber auch an Monuments denken. Wer jetzt komplett verwirrt ist, sollte sich zunächst mal die beiden Videos anschauen. 😀

Anspieltipps: Enjoy The Rise, Mediterranean, Limbus Inn und The Lyin' King
Heike L.
8.5
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