Das Interview mit den Marshall Ar.ts Musikern zum aktuellen Album „…The Pallid Mask Is Talking…“

Über Genre-Experimente, Nintendoom und gerappte Lyrics

Artist: Marshall Ar.ts

Herkunft: Berlin, Deutschland

Genre: Nintendoom, Crossover, Nu Metal

Label: Ming Records

Link: https://www.facebook.com/marshallartsberlin

Bandmitglieder:

Gesang, Bass, Synthesizer – Marshall
Gitarre, Gesang – Defkis
Bass – Burns
Schlagzeug – Alex

Time For Metal / René W.:
Hallo Defkis, Marshall, Burn und Alex,
vielen Dank für eure Zeit. Heute wollen wir in einem kurzen Interview über eure Band und auch das letzte Langeisen …The Pallid Mask Is Talking… sprechen, welches im Februar erschienen ist. Ihr wurdet vor zwölf Jahren in der Hauptstadt gegründet. Wie habt ihr zusammengefunden? Kanntet ihr euch von anderen Projekten und wie wuchs in euch der Plan, mit Marshall Ar.ts eigene Stücke zu schreiben?

Marshall Ar.ts / Defkis:
Erst mal vielen Dank für die Anfrage! Marshall und ich kennen uns auf jeden Fall schon seit über 15 Jahren und machen gemeinsam Musik, seit wir uns kennen. Wir haben damals in einer Agit-Rock Band mit dem Namen Don’t Dance und später bei Knockout Allstars (KOAS) gespielt. Seitdem kennen wir auch Alex.

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Ich hab schon während KOAS begonnen, eigene elektronische Musik zu machen und nachdem sich KOAS aufgelöst hatten, haben Defkis und ich nach einiger Zeit die Idee entwickelt, diese Stücke live umzusetzen. Wir hatten mit KOAS auch Prodigy-Songs im klassischen Rockband Line-Up gecovert und aus den beiden Ansätzen entstand die Idee, elektronische Musik als Rockband umzusetzen.

Time For Metal / René W.:
Mit Dance Of The Undead entstand 2014 ein Album, welches zur Entwicklung maßgeblich beitrug. Um auch live agieren zu können, wurde weiter an der Konstellation gefeilt. Wie schwer war das Unterfangen, Mitstreiter für Marshall Ar.ts zu finden?

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Eher nicht schwer… Wir haben auch als Duo Gigs gespielt und haben nicht direkt aktiv Verstärkung gesucht. Es gab ein paar Drummer, die interessiert waren mitzuspielen, aber daraus hat sich dann nichts ergeben. Als Alex dann irgendwann in 2012 ein paarmal zum Jammen vorbeikam, haben wir ihm auch unsere Tracks gezeigt. Wir haben die Songs im Bandraum gemeinsam gespielt und wir haben sofort gefühlt, dass das sehr organisch ineinandergreift und einfach passt…

Marshall Ar.ts / Defkis:
Jepp, wir haben dann jahrelang Gigs gespielt und Burn hat sich 2019 quasi an uns herangeworfen. Also er war auf ein paar unserer Gigs und hat uns dann nach nem Gig direkt angesprochen, ob er bei uns einsteigen kann. Wir haben uns zu der Zeit damit auseinandergesetzt, wie Marshall Synths und Bass gleichzeitig unter einen Hut kriegt, also war das perfekt…

Time For Metal / René W.:
Euer Genre-Cocktail Nintendoom, Crossover gepaart mit Nu Metal Elementen findet man nicht an jeder Straßenecke. Erklärt unseren Lesern und potenziellen neuen Hörern eurer Kunst einmal in wenigen Sätzen, was es dabei auf sich hat und welche Bands ihren Einfluss auf die Musik haben.

Marshall Ar.ts / Defkis:
Wir haben mit Nu Metal eigentlich nicht viel am Hut. Ich meine, klar, hat jeder von uns mal System Of A Down, Soulfly, Slipknot oder KoRn gehört.

Marshall Ar.ts / Burn:
Ich nicht…

Marshall Ar.ts / Defkis:
Ok, jeder außer Burn. Aber der Kern unserer Musik sind die zwei Worte Heaviness und Groove. D.h. wir wollten den Metal finden, der am meisten groovt und Einflüsse sind hier ganz klar White Zombie, Pantera und Megadeth (bis Risk). The Prodigy standen da auf der anderen Seite als der Punkrock unter der Tanzmusik. Aber auch Alternative Rock von Rage Against The Machine und Primus oder Pendulum als D&B-Liveband waren als Inspiration immer sehr präsent.

Marshall Ar.ts / Alex:
Wir haben uns halt auch nie direkt vorgenommen, diese oder jene Musik zu machen. Jeder hat seine eigenen musikalischen Einflüsse, die sich natürlich auch überschneiden. Wir haben – so blöd das klingt – die Musik gemacht, die wir selber hören möchten, und das beginnt dann halt mal bei ’nem Bassriff oder bei einem Breakbeat und der Rest entwickelt sich dann drumherum…

Time For Metal / René W.:
Das Artwork sagt viel aus und ließ bei mir eine böse Vorahnung aufsteigen. Neben Nu Metal Klängen vermutet man bei dem Design moderne Rap bzw. Hip-Hop Handschriften. Wie kamt ihr auf die Idee für das Cover, welches den Käufer direkt in das kalte Wasser taucht?

Marshall Ar.ts / Alex:
Dann hat das ja funktioniert. Nur „kaltes Wasser“ würde ich nicht sagen. Natürlich soll das Cover die Hörerenden auf das einstimmen, was auf der Platte passieren wird.

Marshall Ar.ts / Burn:
Und hast du je ein Cover gesehen, das mit so viel gelb und lila so düster aussieht?

Marshall Ar.ts / Alex:
Wir wollten, dass das Cover nicht wie ein reines Metalcover oder das Cover einer Elektro- oder Hip-Hop-EP aussieht. Wir hatten auch am Anfang der Entwicklung eine komplett gezeichnete Figur mit gelbem Mantel und fahler Maske, aber das sah dann zu sehr nach einem klassischen Metal-Cover aus. So entstand die Idee, dass wir Maske und Figur als Foto-Collage von Defkis einfügen…

Marshall Ar.ts / Defkis:
Das Cover zeigt auch vor allem unsere Bezugspunkte in den Lyrics. Die Idee war eine moderne Version von „the king in yellow“ bzw. „Hastur“ aus dem Chambers/Lovecraft-Kosmos zu zeichnen. Wir beziehen uns fast überall, angefangen bei den Lyrics, dem EP-Titel und vor allem auch der Maske sowie der gelben Windbreaker, den ich auf der Bühne trage, auf den Lovecraft/Chambers-Kosmos. Das Bild zeigt also Defkis/Hastur in Carcosa.

Time For Metal / René W.:
Der Genre-Cocktail ist für viele sicher gewagt und ob düstere Elemente in einen klassischen Nu Metal Deckmantel passen, ist der nächste erschwerende Punkt, den es gilt herauszufinden. Wie ist das Feedback dazu, welches ihr erhaltet und gab es schon Anfeindungen bezüglich der gerappten Vocals?

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Wie gesagt, wir verstehen uns nicht als Nu Metal, bzw. würde ich nie in einer Nu Metal Band spielen. Das ist aber auch am Ende nicht so wichtig, weil wir glauben, dass die klassischen Genres durch Streaming-Plattformen und die Digitalisierung in Zukunft immer weniger eine Rolle spielen werden.

Marshall Ar.ts / Defkis:
Was das Feedback und die Raps angeht: Live haben wir noch kein negatives Feedback bekommen, eher positive Überraschung. Ich meine, Leute kamen nach Gigs einfach so zu uns und haben uns gesagt, wie cool es ist, endlich mal was „Freshes“ und Mitreißendes zu hören. Dasselbe positive Feedback kam von den Kritikern und Jurys, die uns live gesehen haben. Vielleicht sagen uns Leute, denen das nicht gefällt, uns das nicht ins Gesicht. Ein paar Kritikern der EP gefällt grundsätzlich der Rap nicht, ich glaube, ein Review aus Italien nannte das „opache partiture rap“ also „diffuse Rapparts“ andere lieben sie und schreiben, dass die Raps „selbst Ur-Crossover-Formationen zeigen, wo der Hammer hängt“. Geschmäcker sind halt verschieden…

Time For Metal / René W.:
Wollen wir einmal tiefer in …The Pallid Mask Is Talking… eintauchen. Wie seid ihr beim Songwriting vorgegangen? Habt ihr klare, immer wiederkehrende Strukturen, oder überlasst ihr beim Songschreiben viel dem spontanen sowie kreativen Zufall?

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Ich würde das Songwriting als „spontanen aber lang andauernder Zufall“ beschreiben… Das ist echt unterschiedlich. Defkis und ich schreiben die Songs meistens auch unabhängig voneinander. Ich fange dann meistens mit einem Beat an, jamme dazu und nehme das auf. Wenn es am nächsten Tag noch cool ist, arbeite ich daran weiter, wenn nicht, bleibt es liegen. Am Ende sind das dann schon relativ fertige Songs. Die hören wir uns dann in der Band an und überlegen, ob oder wie wir das umsetzen. Ein paar Songs von mir haben so den Weg in unser Liveset gefunden, obwohl sie nie dafür gedacht waren… Die Band hört da manchmal mehr als ich.

Marshall Ar.ts / Defkis:
Ich glaube ja, dass Marshall einen superintelligenten Roboter zu Hause zu stehen hat, in den er zufällig gute Platten einwirft und seine Maschine schmilzt das zu einem Track zusammen und das Ergebnis zeigt er uns dann… Ansonsten habe ich auch keine feste Songwriting-Routine, mal ist es ein Riff, mal ein Zitat, mal ein Sample, was den Prozess in Gang setzt, aber am Ende komme ich auch schon mit relativ fertigen Songstrukturen in den Bandraum, nur an die hält sich die Band dann meistens nicht…

Marshall Ar.ts / Alex:
Bei Songs wie Mad Man Sin oder Russian Standarts haben wir auch Parts gemeinsam im Bandraum beim Jammen entwickelt.

Time For Metal / René W.:
Geht bitte einmal in wenigen Sätzen auf  …The Pallid Mask Is Talking… ein und offenbart uns die Thematik sowie eure persönlichen Gedanken und Gefühle zum Album bzw. zu einzelnen Songs, die den Hörer auf eine emotionale Reise nehmen sollen?

Marshall Ar.ts / Defkis:
Um ehrlich zu sein, denken wir beim Musikmachen nicht an die Hörenden. Natürlich ist uns jeder einzelne Fan wichtig, aber wir richten uns nicht nach Hörergruppen aus. Das würde uns auch eher in unserer Kreativität beschränken und wir würden uns damit selbst Daumenschrauben anlegen. Das heißt für uns, dass die Songs für uns emotional sehr wichtig sind, weil wir nur Songs spielen, die wir fühlen.

Marshall Ar.ts / Burn:
Alle, die möchten, dürfen gern Mitfahrer in unserem BumBumBus sein.

Marshall Ar.ts / Defkis:
Im Idealfall hören, sehen und fühlen die Hörenden das, was wir fühlen. Also Groove, positive Vibes ohne „lustig“ zu klingen und einen Sound, der alles an die Wand drückt. Und ich hoffe, dass die Lyrics das eine oder andere Lächeln hervorrufen. Ich persönlich liebe Al2El sehr, weil ich glaube, dass der Song in allen Belangen eine Art Zentrum im Spektrum unserer Songs ist. Außerdem haben wir da EasyE von Bass Sick Shit als Feature dabei und ich fühle bei dem Track extrem gute Vibes.

Marshall Ar.ts / Burn:
Vom ruhigen verspielten Pink Floyd-Intro über schweres Headbangen zu funky Bassriff… eine Berg- und Talfahrt durch Atmosphären, die nur Musik erzeugen kann… und dann war das nur der erste Song.

Time For Metal / René W.:
Eure Zielgruppe kann man als limitiert und deutlich kleiner als in Mainstream-Ausrichtungen zusammenfassen, trotzdem habt ihr viel Freude, genau dort den Finger in die Wunde zu stecken und diese treue Fanschar abzuholen. Wie muss man sich daher ein Konzert von Marshall Ar.ts vorstellen?

Marshall Ar.ts / Defkis:
Ich denke, wir fischen nicht in einer bestimmten Zielgruppe. Ich würde die Frage mal an Burn weitergeben, weil er als einziger unsere Gigs von der anderen Seite erlebt hat.

Marshall Ar.ts / Burn:
Laut, voll, Videoprojektionen, Lichter und viel Strobo.

Marshall Ar.ts / Defkis:
Vor der Bühne findet ihr bei unseren Gigs alle möglichen Leute (außer Nazis zum Glück), angefangen von Punks über HipHop-People, Metalheads, Stoner, Hippies… Aktuell spielen wir eher auf Festivals ohne starre musikalische Ausrichtung, daher ist das Publikum bunt gemischt. Ansonsten ist immer viel Bewegung auf und vor der Bühne.

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Checkt mal das Video zu Black Dogs. Genau so läuft das…

Time For Metal / René W.:
Wir kommen weiter nicht drumherum, aber die Corona-Pandemie müssen wir auch hier einmal kurz ansprechen. Welche Schwierigkeiten hat die neue Situation mit sich gebracht oder gar beim Aufnehmen der neuen Werke für Verzögerung gesorgt?

Marshall Ar.ts / Burn:
Überhaupt nicht. Das hat es sehr beschleunigt, weil wir keine Gigs spielen konnten und deshalb wie wahrscheinlich viele Bands sehr viel Zeit zum Aufnehmen hatten. Wir hatten Glück, dass die Songs zu Beginn der Pandemie schon fertig waren und „nur noch“ eingespielt werden mussten. Komplett neue Songs zu schreiben wäre deutlich schwieriger gewesen. Aber wir vermissen die Gigs und gemeinsames Proben und natürlich wieder mit unserem Publikum den Laden abzureißen…

Time For Metal / René W.:
Scheinbar werden ab Sommer wieder kleine limitierte Shows durch Hygienekonzepte möglich gemacht. Für euch eine große Chance, schnell wieder auf eine Bühne zu kommen, oder steht ihr dieser Tendenz eher skeptisch gegenüber?

Marshall Ar.ts / Defkis:
Wir empfinden die Hygienemaßnahmen zum Schutz vor und Eindämmung der Pandemie als sehr wichtig. Natürlich fühlen wir auch sehr mit den VeranstalterInnen, deren Existenz bedroht ist. Wir denken, dass Hygienekonzepte und das Spielen vor wenigen Leuten ein vorübergehender Weg in die Normalität sein kann. Am Ende des Tages wollen wir immer live spielen, egal ob vor 1000 oder vor 10 Leuten. Wir geben eh immer alles, was wir haben.

Time For Metal / René W.:
Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft  und möchte euch abschließend das Wort übergeben, welches ihr ganz offen an unsere Leser und eure Anhänger wenden könnt. Bleibt gesund und habt weiter viel Freude an euren nicht Mainstream-lastigen Klängen!

Marshall Ar.ts / Defkis:
Wir danken erst mal dir für das Interview und dann vor allem allen Fans und allen Leuten, die es möglich gemacht haben, dass wir …The Pallid Mask Is Talking… rausbringen konnten. Wir wünschen allen viel Spaß mit diesem Trip. Bleibt alle gesund, habt euch lieb oder mit den Worten von Bass Sick Shit: Spread diversity!

Marshall Ar.ts  / Marshall:
Und esst mehr Blumenkohl.