Deep Purple – Turning To Crime

Swing, Country und Dixie? Auch das können Deep Purple in ihrer eigenen Art und Weise

Artist: Deep Purple

Herkunft: London, England

Album: Turning To Crime

Spiellänge: 49:59 Minuten

Genre: Hard Rock, Blues Rock

Release: 26.11.2021

Label: EarMUSIC

Link: https://deeppurple.com/

Bandmitglieder:

Gesang – Ian Gillan
Gitarre – Steve Morse
Bassgitarre – Roger Glover
Keyboard – Don Airey
Schlagzeug – Ian Paice

Tracklist:

  1.  7 And 7 Is (Love)
  2. Rockin‘ Pneumonia And The Boogie Woogie Flu (Huey „Piano“ Smith)
  3. Oh Well (Fleetwood Mac)
  4. Jenny Take A Ride (Mitch Ryder & The Detroit Wheels)
  5. Watching The River Flow (Bob Dylan)
  6. Let The Good Times Roll (Ray Charles & Quincy Jones)
  7. Dixie Chicken (Little Feet)
  8. Shapes Of Things (The Yardbirds)
  9. The Battle Of New Orleans (Lonnie Donegan/Johnny Horton)
  10. Lucifer (Bob Seger System)
  11. White Room (Cream)
  12. Caught In The Act (Medley)

Da wird eine neue Platte von Deep Purple angekündigt und schon schlägt mein Herz höher. Seit nunmehr über 50 Jahren begleitet mich die Band, ist ursächlich für meinen Hang zu Hard Rock und dem daraus resultierenden Metal. Wenn ich eine Lieblingsband benennen müsste, wären es neben Pink Floyd eben diese Deep Purple, die bereits mehr als 20 (es ist Album Nummer 22, um genau zu sein) offizielle Studioscheiben und Unmengen an Liveplatten auf den Markt gebracht haben. Immer wieder spannend sind die diversen Besetzungen, von Mark I im Jahre 1968 bis Mark VIII heute, die die Dekaden durchliefen und das mal mehr oder auch minder erfolgreich. Heute sind die fünf Musiker so erfolgreich und populär wie in den frühen Siebzigern. Mit dem Nummer 1 Album Whoosh! von 2020 (Review hier) und den beiden Vorgängern InFinite von 2017 (Review hier) und Now What!? von 2013 wurde eine erfolgreiche Kooperation mit dem Produzenten Bob Ezrin eingegangen, der diese Time Trilogie auf die Musiker, ihre Stärken und dadurch eben auf Deep Purple zuschnitt und die Band gestärkt und voller Selbstbewusstsein in die richtige musikalische Richtung führte. Auch auf Turning To Crime hat der Erfolgsproduzent wieder ganze Arbeit geleistet, setzt auf größtmögliche Eigenständigkeit, kitzelt aber die feinen Nuancen der Individuen gekonnt heraus.

Die ersten Hinweise auf die neue Platte, die die fünf Bandmitglieder als Sträflinge zeigten, ließen zunächst auf etwas ganz anderes schließen, als das, was letztendlich daraus wurde. Eine Platte, die vielleicht als Leitmotiv Gefangenschaft, Kriminalität oder Crime Geschichten verfolgt. Zunächst war ja noch nichts Konkretes bekannt. Die Bombe platzte dann vor ein paar Wochen, als bekannt wurde, dass es sich nicht um neue Songs der Herren Gillan, Glover, Paise, Morse und Airey handelt, sondern sie hier eine reine, aus Coversongs bestehende Scheibe veröffentlichen werden. Das hörte sich zunächst befremdlich an, aber auch andere Bands haben dies ja schon praktiziert, aber Deep Purple? Ich erinnere mich noch an die ersten Scheiben, auf denen die Mark I Besetzung einige Coversongs wie River Deep Mountaun High oder Hush aufnahm. Das klang nicht so schlecht und insofern könnte dies auch hier klappen. Mit 7 And 7 Is von der Band Love wurde dann eine erste Single vorgestellt und das hörte sich dann doch schon nach Deep Purple an, jedoch eben kein eigener neuer Track. Die mit dem Song veröffentlichte Tracklist lässt natürlich die Frage zu, weshalb gerade diese Songs genommen worden sind. Da kommt eine Aussage in einem Interview mit Roger Glover natürlich gerade recht, der da sagte: „Das sind einige unserer Lieblingslieder und wir wollten denen einfach unseren Tribut zollen. Uns gefällt es und allen Kritikern sei gesagt, wem es nicht gefällt, nun ja, der muss es ja nicht hören. Für uns war es ein wichtiger und richtiger Schritt„. Alle Songs sind mit einem leichten Augenzwinkern zu sehen und sind teilweise auch eigenwillig interpretiert. Dass Deep Purple diesen Schritt wagen, zeigt, dass sie es einfach nicht nötig haben, Erfolgsalben zu machen, sondern sich auch an solchen Songs versuchen können.

Der erste Track ist ja bereits veröffentlicht und könnte, wenn man es nicht besser wüsste, auch aus eigener Feder stammen. Steve Morse brilliert und das, obwohl er ja mit Arthritis in den Fingern zu kämpfen hat. Typisch auch wieder Ian Gillans Stimme, die einen deutlichen Wiedererkennungswert hat, auch wenn sie heute nicht mehr in so sphärische Höhen steigt, wie bei Child In Time vor 52 Jahren. Das tut dem aber überhaupt keinen Abbruch, denn es ist ja immer noch der Sänger, der den Songs sofort ein „ach ja, Deep Purple“ beschert. Auch Don Airey, der seit 2002 den Platz des viel zu früh verstorbenen Jon Lord innehat, trumpft mit intelligenten Parts auf. Über die Rhythmusabteilung braucht auch nicht mehr viel gesagt zu werden. Ian Paice, übrigens das einzige ständige Mitglied von DP, an den nicht überladenen Drums sorgt für den richtigen Groove und Roger Glover am Bass tupft immer seine tiefen Töne passend dazu. Ein Beispiel für die Fähigkeit, auch einen Boogie-Woogie in Purple Manier zu performen, ist Rockin‘ Pneumonia And The Boogie Woogie Flu bei dem Don Airey einmal mehr zeigt, dass er nicht nur Hammond kann, sondern auch am Klavier eine gute Figur macht. Dieser Song zeigt deutlich, dass es der Band großen Spaß gemacht hat, gerade diese Stücke zu spielen. Oh Well, im Original von Fleetwood Mac, bekommt durch Steve Morse einen eigenen Drive und entwickelt sich zu einem Song, der in den Siebzigern auch von Deep Purple hätte geschrieben werden können. Auch das folgende, schnell gespielte Mitch Ryder Cover, inklusive Rock ’n‘ Roll Klavier und Jahrmarktorgel sowie das in die gleiche Richtung gehende Watching The River Flow von Bob Dylan zeigen die Klasse der Musiker. Ian Gillan hat ja bereits in der Vergangenheit mit den The Javelins (Review hier) bewiesen, dass ihm das liegt. Let The Good Times Roll (Ray Charles) mit Bläsereinsatz hat etwas von einer Big Band bei einer Cocktailparty und der Swing versetzt einen zurück in die 20er. Nach einem waschechten Dixie wird auch noch den Yardbirds mit Shapes Of Things gehuldigt. Die sind ja für viele Bands eine wichtige Inspiration gewesen, wer hier allerdings der ausschlaggebende Musiker ist, ist nicht überliefert. Es folgt ein Country und Western Song, zu dem ein typischer West Coast Swing getanzt werden kann. Berühmt wurde der Track bereits 1959 und da durch Johnny Horton gesungen. Auch Creams White Room hat es auf die Platte geschafft und erstrahlt in neuem Licht, wobei hier dicht am Original geblieben wird. Den Abschluss der Platte bildet dann ein fast achtminütiges Medley, bei dem diverse Songs eingearbeitet wurden. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nur wenige erkannt habe. Gimme Some Lovin‘ und auch Dazed And Confused von Led Zeppelin sind allerdings dabei. Beim letzten Song zeigen Deep Purple ihre Qualität als Meister der Verschleierung. Das Erkennen ist nicht so einfach, aber es darf sich jeder gern dran versuchen.

 

Deep Purple – Turning To Crime
Fazit
Wer hier ein typisches Deep Purple Album erwartet, wird zunächst enttäuscht. Da es sich bei allen Tracks um Coverversionen handelt, ist neues Material nicht in Sicht. Aber wer mal spannende Interpretationen hören möchte, sollte hier mehr als nur ein Ohr riskieren und nicht abwertend abwinken. Es werden bei vielen Songs Deep-Purple-typische Eigenschaften eingebaut und das kommt richtig gut. Bob Ezrin hat bereits zum vierten Mal aus den fünf gestandenen Musikern genau das Richtige rausgeholt. Für mich ein tolles Album, wobei nicht jeder Track sofort voll überzeugen kann, aber je öfter man die Scheibe hört, desto mehr wird die innewohnende Klasse klar. Diese Truppe kann sich nach über 50 Jahren und bisher 21 regulären Studioalben genau so eine Platte leisten und das tut sie hier auch. Somit kann es nur die volle Punktzahl geben.

Anspieltipps: Oh Well, 7 And 7 Is und Caught In The Act
Kay L.
10
Leser Bewertung33 Bewertungen
5.8
10
Punkte