Deep Purple – InFinite

“Die Godfather des Hard Rock schlagen noch einmal zu!“

Artist: Deep Purple

Herkunft: Hertford, England

Album: InFinite

Spiellänge: 39:37 Minuten

Genre: Hard Rock, Classic Rock

Release: 07.04.2017

Label: earMusic

Link: http://www.ear-music.net/en/news/

http://www.deep-purple.com/

http://www.deeppurple-infinite.com/

Produktion: Nimbus Studios Nashville, USA, von Bob Ezrin

Bandmitglieder:

Gesang – Ian Gillan
Gitarre – Steve Morse
Bassgitarre – Roger Glover
Keyboard – Don Airey
Schlagzeug – Ian Paice

Tracklist:

  1. Time for Bedlam
  2. Hip Boots
  3. All I Got Is You
  4. One Night In Vegas
  5. Get Me Outta Here
  6. The Surprising
  7. Johnny’s Band
  8. On Top Of The World
  9. Birds Of Prey
  10. Roadhouse Blues (Doors Cover)

Endlich! Das zwanzigste Studio Album von Deep Purple. Seit fast fünfzig Jahren sind die Herren Ian Gillan, Roger Glover und Ian Paice im Geschäft. Die später dazugekommenen Steve Morse und Don Airey ergänzen seit Jahren diese erfolgreiche Truppe. Steve Morse, mit 62 der Jüngste in der Band, zählt immerhin auch schon seit 1994 als festes Mitglied dazu. Don Airey, der den leider viel zu früh verstorbenen Jon Lord (R.I.P) ersetzte, ist seit 2001 dabei, und so ist diese Formation dann die MarkVIII Besetzung und in dieser Form sehr erfolgreich. Zwar trauern viele der legendären MarkII Besetzung mit Ritchie Blackmore und Jon Lord nach, aber die Entwicklung der Band zeigt, es geht auch anders und das gut. Kracher wie Highway Star, Speed King oder Smoke On The Water können nur einmal geschrieben werden, und so gilt es für den treuen Fan, sich auch mit den neuen Sachen auseinanderzusetzen. Bereits das 2013 erschienene Album Now What!? führte bereits wieder zu einer druckvolleren Produktion, die der hervorragende Produzent Bob Ezrin zu verantworten hatte. Er weiß, wie er die Musiker beeinflussen konnte und kann, um ein Nummer 1 Album zu produzieren. Mit InFinite wird das wieder gelingen, denn die bereits im Vorfeld erschienenen Auskopplungen Time For Badlam und All I Got Is You deuten es beeindruckend an.

Nun zur vorliegenden Platte. Time For Bedlam fängt schon mal sehr ungewöhnlich an. Eine verfremdete Ian Gillan Stimme auf sphärischen Klängen eröffnet diese an sich schnelle Nummer. Steve Morse bleibt mit seinem Gitarrenspiel zunächst im Hintergrund. Don Airey steuert passende Hammond-Orgel-Tupfer dazu. Ian Paice liefert wie immer mit Roger Glover die stabilen Grundfeste, auf der sich dann ein klasse Orgel-Solo emportürmt. Ein stimmiger Song, der den Weg ins Live Set finden wird. Der Schluss des Liedes nimmt die Anfangssequenz auf. Fulminanter Auftakt. Kein Wunder, dass dieser Song schon als Single veröffentlicht wurde. Er verspricht ein gutes Album. Song zwei, Hip Boots, ist eine Midtempo-Nummer. Wieder fällt Don Airey’s Keyboardspiel auf. Er gibt auch diesem Song eine typische Deep Purple Note, die ja bereits in früheren Zeiten durch die Hammond-Orgel berühmt geworden ist. Das obligatorische Gitarren-Solo passt gut in diesen Track. Im Film zur Entstehungsgeschichte dieses Werkes, wurden tolle Aufnahmen aus dem Studio gezeigt, bei dem genau das aufgenommen wurde. Auch dieser Film darf wärmstens empfohlen werden, zeigt er doch Deep Purple von einer ganz anderen Seite. Ich hatte die Ehre bei der Vorstellung des Streifens in Düsseldorf dabei gewesen zu sein, und durfte Roger Glover und Ian Paice persönlich treffen.

Es geht weiter mit einem schönen getragenen Gitarren-Intro zu All I Got Is You, der zweiten Singleauskopplung. Dann aber geht es mächtig ab. Typischer Ian Gillan Gesang, der von Don Airey’s Keyboard/Moog-Synthesizer Einsatz untermalt wird. Es fällt auf, das Ian Gillan’s Stimme kraftvoll wie bei einem Mittdreißiger ist. Dazu kommt Roger Glover’s treibendes Bass-Spiel – so machen Songs Spaß. Natürlich darf auch Steve Morse sein Können zeigen, was er dann auch ausgiebig wahrnimmt. Jedem Deep Purple Fan kommen Tränen in die Augen. Das soll die letzte Platte gewesen sein? Bitte nicht. So eine kreative Phase darf nicht unterbrochen werden. One Night In Vegas, ein relativ kurzes Stück über eine Liebe in Vegas. Ein Stück, in dem man sich an eine Bar an diesen Ort versetzt glaubt. Das Stück ist anders gestrickt, und zeigt die unterschiedlichen Facetten der Band. Sie können auch etwas funky spielen. Natürlich zeigen die Musiker auch hier wieder mit gekonnten Einlagen, dass sie eine Rock Band sind. Das Lied selbst kommt mit einem kleinen Augenzwinkern um die Ecke, und zeigt die nicht immer so ernste Seite der fünf Gentlemen.

Der fünfte Song beginnt mit einem mächtigen Groove. Get Me Outta Here beginnt mit Ian Paice´s fetten Drum-Spiel. Dann setzt die Hammond Orgel ein und Ian Gillan’s Organ ertönt. Im Hintergrund immer die leicht schräge Orgel. Ab und an lässt sich Steve Morse hören und wartet auf seinen Einsatz, der auch hier nicht fehlt. Er ist ein guter Gitarrist, der sich toll in das Gesamtbild eingefügt hat. Er ist kein Ersatz für den bereits früh ausgestiegenen Ritchie Blackmore, sondern gibt andere Impulse, die aber seither stimmig wirken. Ein guter Song, der einen mitwippen lässt. Nicht so wie bei einem Pop Song, sondern eben so, wie es sich bei einem Rock Song gehört. Damit ist die Hälfte der Scheibe rum. Der nächste Titel beginnt mit einem akustischen Intro. Dann fängt Ian Gillan an zu singen, und es entwickelt sich zu einer klasse Ballade. Schöne Melodie, ab und an einen Slide auf der Klampfe.  Drums und Bass bleiben leicht verhalten im Hintergrund. Die leichte, chorale Untermalung lässt den Song sehr schön wirken. Dann wird es aber doch noch schneller. Der Mittelteil wird dann der Rockband gerecht. Das Keyboard kommt mit 70er Jahre Einflüssen daher. Das hab ich ähnlich schon mal bei Uriah Heep gehört. Dann der Schluss, wieder in die Ballade gehend. Vom Song Aufbau erinnert es etwas an Child in Time, ohne dass der Song vergleichbar wäre. Eventuell hätte es als reine Ballade mehr gewirkt. Aber der Titel The Surprising passt zu diesem Stück. Eine Überraschung halt.

Johnny’s Band erzählt die Geschichte eines Musikers. Er spielt überall, und auch im Radio ertönen seine Songs. Der Aufstieg und Untergang von Johnny wird musikalisch und textlich schön in Szene gesetzt. Der Orgeleinsatz  im Song lässt dieses Stück leicht und verspielt wirken, Gillan setzt seine Stimme auch hier wieder gekonnt ein. Seine markante Stimme kommt auf der gesamten Platte gut zum Ausdruck und verleiht den Songs Herz und Seele. Ein schönes Lied, das gesanglich auch gut auf die Bühne passen dürfte. Es ist in einer angenehm zu singenden Tonlage und schont die Stimmbänder. Dafür darf dann Steve Morse mal brillieren. On Top Of The World ist dann etwas sperriger. Die Breaks machen das Stück schwieriger, aber die im Hintergrund spielende Gitarre hält es zusammen. Die Soli von Steve Morse und Don Airey geben dem Stück dann aber doch noch den Hard Rock Charakter. Der Sprechgesang zum Ende des Stückes verfremdet es dann leider etwas. Das ist etwas schwächer als die Vorgänger, aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Vorletzter Titel, Birds Of Prey, zeigt wieder, dass die Herren sich nicht auf einen Typus Song versteifen. Sie lassen sich neue Dinge einfallen, und das macht jedes Purple Album unberechenbar. Steve Morse steuert auch hier seine Gedanken bei, wobei er auf dieser Platte leicht in den Hintergrund gerückt wird. Der Produzent, Bob Ezrin, lässt ihm zwar freie Hand und ermuntert ihn zu Improvisationen, aber wesentlich deutlicher kommt die Orgel auf der Scheibe zum Zuge. Trotzdem ist dieser Song einer der Besten dieses Werkes. Natürlich wartet jeder auf einen neuen Song a là Highway Star oder Fireball, aber das tut gar nicht Not. Diese Schaffensphase ist Geschichte, nur Live sind die Klassiker noch immer im Repertoire. Deep Purple komponieren neue Songs aus einer Idee heraus im Studio. Diese Art und Weise, neue Stücke zu kreieren, hat sich im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre etabliert, und so werden hoffentlich noch lange Songs geschrieben.

Die Platte neigt sich nun mit einem Doors Cover dem Ende entgegen. Der Roadhouse Blues beginnt mit Ian Paice´s kräftigen  Drums, die werden unterstützt von Roger Glover´s Bass, dann setzen eine Mundharmonika und das Piano ein. Dahinter die verhaltene Gitarre. Der Song ist eine schöne Interpretation des Klassikers. Ein guter und würdiger Abschluss.

Das aktuelle Videos zu All I Got Is You und Time For Bedlam :

 

Fazit: Eine gute Rockscheibe einer Institution, die seit 50 Jahren klasse Hard Rock produziert. Diese Scheibe knüpft an den Erfolg von Now What!? an, Bob Ezrin holt auch hier das Optimale aus der Band heraus. Natürlich sind es keine Übersongs, wie zu Machine Head oder in Rock Zeiten, aber die handwerkliche Leistung und die Spielfreude lassen an dieser Platte keine Zweifel aufkommen, dass es auch wieder eine Nummer Eins werden wird. Edelmetall dürfte es auch geben und somit ist alles richtig gemacht worden. Die sich anschließenden The Long Goodbye Tour suggeriert zwar, dass nach dieser Phase, Platte und Tour Schluss ist, aber es soll wohl nur etwas kürzer getreten werden. Da die Herren ja bereits fast alle in den Sechzigern bzw. Anfang Siebzig sind, sollen ausufernde Welttourneen der Vergangenheit angehören. Die körperlichen Anstrengungen einer Tournee sind eben nicht zu unterschätzen, aber da alle Vollblutmusiker sind, werden sie nicht so schnell aufhören. Trotzdem sei es jedem Deep Purple Jünger ans Herz gelegt, die sich bietende Chance zu nutzen und sie noch einmal Live in einer großen Halle oder auf einem Festival zu sehen, denn es könnte ein rares Gut werden. Zunächst gilt aber: erstmal die Scheibe hören, den Spaßfaktor genießen, dann Konzert(e) besuchen und abwarten, was da noch kommt. In diesem Sinne, Daumen hoch. Lohnenswert. Für Fans sowieso ein Muss. Jeder, der sagt, das ist ja nicht wie früher, dem sei gesagt, er ist ja auch nicht mehr wie vor vierzig Jahren.

Anspieltipps: Time For Bedlam, All I Got Is You, The Surprising und Birds Of Prey
Kay L.
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