Die Zukunft von Livekonzerten

Wie sieht es mit Gigs von „Mittelschicht-Bands“ aus?

Konzert abgesagt.

Tour verschoben.

Und alle sind unzufrieden …

Das ist das Bild, welches sich momentan in dem kulturellen Sektor abspielt.

Erst kam die coronabedingte Zwangspause und nun, wo theoretisch wieder alles gehen könnte, haben wir mit dem Ukraine-Krieg zu tun, die Inflation macht sich breit und Energiekosten sind exorbitant in die Höhe geschossen.

Ein Konzert zu besuchen ist nicht mehr wie in der Pre-Corona-Phase mal eben drin. Und das gilt nicht nur für Besucher, sondern auch für Veranstalter und Musiker.

Das Thema wurde nun schon häufiger erläutert und es gibt ein sehr schönes Statement der Band Mantar dazu (hier nachzulesen, Beitrag vom 15.08.2022) sowie eine hörenswerte Podcastfolge von Gear Of The Dark (hier nachzuhören).

Jetzt mag man sich als Leser und Leserin denken: Warum meint Lommer, noch seinen Senf dazugeben zu müssen? Das ist eine gute und legitime Frage.

Diverse Gespräche, in mündlicher und schriftlicher Form, haben mich zum Denken angeregt und mir sind selber viele neue Fragen gekommen, auf die ich (vielleicht) ein paar mögliche Antworten gefunden habe. Aber kurz zu meiner Person, damit ihr meine Gedanken und Argumente nachvollziehen könnt: Ich bin nicht nur Redakteur bei Time For Metal, sondern, wie ihr auch, ein Metalfan, begeisterter Konzert und Festivalbesucher und obendrauf auch Bassist in einer Death Metal Band (die Band heißt Critical Mess, wen es interessiert). Ich würde jetzt mal ganz wild behaupten, dass ich von allen Seiten Informationen habe.

Sowohl vor als auch auf der Bühne anzutreffen – Lommer

Das Problem ist klar und wurde jetzt schon häufiger genannt: Die VVK-Zahlen sind zu niedrig und es drohen Veranstaltern sowie Bands Kosten, auf denen diese sitzen bleiben. Denn nur das Licht in einem Club anzumachen kostet schon Geld: Sicherheitskräfte, Techniker, Bühnencrew, Tresenkräfte, Catering, Klo-Frau/Mann, und und und müssen alle für den Abend bezahlt werden. Da dann auf blauen Dunst auf Abendkasse zu setzen, ist oft ein gewagtes Spiel und Veranstalter können in der Regel auch gut abschätzen, wie gut die Abendkasse laufen wird.

Doch nicht nur Kosten für Veranstalter entstehen, für die Bands sieht es gleich aus. Nehmen wir mal an, man leiht sich einen Sprinter für 300-400 € (und ja, wenn man ein paar Hundert Kilometer fährt, ist das leider heutzutage die Realität), der dann gerne auch was in seinem Tank haben möchte, sind das schon die ersten Kosten, die auf eine Band zukommen. Bei einem Konzert, das 400 Kilometer entfernt ist, sind das schon mal mindestens 160 € an Spritkosten. Die Band hat also gleich schon Kosten von etwa 500 €.

Klar, man könnte mit Privatwagen fahren (sofern vorhanden, und bei einem Line-Up von fünf Personen brauch man auch eher zwei Autos) und/oder sich einen Anhänger mieten, um die Kosten zu drücken. Daraus resultierend darf man aber nicht vergessen, dass oft ein PKW nur auf eine Person zugelassen ist. Und 800 km zu fahren, vor allem die 400 km auf dem Rückweg, kann ganz schön anstrengend sein.

In dieser ganzen Rechnung sind keine Kosten für die Produktion von Merchandise oder Proberaummiete geflossen. Das heißt, dass eine Band (nehmen wir mal die Sprinter-Variante) mindestens 500 € Gage braucht, um auf null zu kommen. Das muss man als Veranstalter erst mal auftreiben. Bei drei Bands, wovon eine vielleicht ein lokaler Supporter ist und für „Sauf und Mampf“ spielt, sind das schon mal 1000 €, die man braucht. Nehmen wir dann mal einen Ticketpreis von 15 € an (also fünf Euro pro Band), sind schon mal mindesten 67 Personen nötig. Und da sind die anderen erwähnten Kosten noch nicht inklusive.

Das soll jetzt kein Gemecker sein, sondern soll nur ein stückweit eine Transparenz für die Kosten sein, die auf den Veranstalter und die Band zukommen. Hört hier einfach mal für mehr Infos bei dem Podcast rein. Simon und Hanno würden sich bestimmt freuen.

Gut, wir wissen nun alle, dass Konzerte Geld kosten. Und selbst kleinere Konzerte sind schon mit höheren Kosten verbunden, als man erst mal meinen mag. Wie kann es dann aber sein, dass teilweise riesige Shows stattfinden? Und auf der anderen Seite auch ganz kleine Do It Yourself (DIY) Konzerte?

Hier ist etwas Interessantes passiert, was ich gut beobachten konnte: Es gibt mittlerweile eine ganz krasse Schere zwischen „großen“ und „kleinen“ Bands, mit einer riesigen Grauzone dazwischen. Daraus entstehen natürlich auch die dementsprechenden Shows, die mit unterschiedlichen Mentalitäten arbeiten.

Während bei einem Machine Head Konzert alles ausgepackt wird, was geht, reicht der rotzigen Grindcore-Band aus Emden eine PA und ein paar alte Europaletten als Bühne.

Gibt es bald nur noch Stadionkonzerte?

Gage?
Ach, gib mir 50 Flocken und ’ne Kiste Bier. Ich will zocken!

Dass sich das allerdings nicht jeder Musiker leisten kann, sollte nun klar sein.

Was wäre also eine mögliche Lösung? Bisher sind wir als Zuschauer an Konzerte mit drei Bands gewöhnt. Das ist ja auch ganz nett. Zwei/drei Stunden Konzert gucken und danach entweder nach Hause oder weiter in die Kneipe nebenan (oder auf der Metalparty nach dem Konzert) sich noch schön den Arsch zuziehen. Ich persönlich glaube aber, dass es sich hierbei leider um ein Konzept handelt, welches wir uns zurzeit einfach nicht mehr leisten können.

Jedes Wochenende ein Konzert und manchmal sogar mehrere Veranstaltungen gleichzeitig sind aktuell nicht umsetzbar. Wie kann man das also lösen? Mein Gedanke wäre erst mal, dass sich Veranstalter vernetzen, um Konzerte besser abzusprechen. Es bringt niemandem was, wenn zwei Ultra Brutal Exotic Grindcore Konzerte gleichzeitig laufen. Leider sehe ich das, nicht ständig, aber immer wieder mal. An sich muss das ja nicht sein.

Eine weitere Lösung wäre, dass wir von dem Gedanken des „Drei-Band-Konzert-Abends“ weggehen und eher auf vier bis fünf Bands rumdenken sollten.

Hä? Das klappt nicht mit drei Bands, warum zur Hölle sollten wir dann mehr nehmen?

Ganz einfach: Die Kosten! Wenn man seltener, dafür aber größer veranstaltet, sind die Grundkosten geringer. Nur so der Gedanke: Wenn man zwei Konzerte veranstaltet, muss man auch zweimal den Club aufmachen. Somit hat man auch zweimal die Kosten dafür. Einen größeren Abend, einmal die Kosten.

Einen weiteren Vorteil bringt es auch mit sich, dass man als Veranstalter den Abend etwas abwechslungsreicher gestalten kann. So können Black Metal Fans und Symphonic Liebhaber theoretisch auf ein Konzert gehen (alles natürlich ein wenig überspitzt ausgedrückt).

An sich klingt das ja schon mal ganz geil, oder?

Na ja, leider gibt es auch wieder das Problem mit den Kosten: Man kann als Veranstalter nicht für einen fünf Band großen Abend den gleichen Eintrittspreis nehmen wie für drei Bands. Wäre das also die Lösung? Vielleicht. Zumindest wäre das auch schon mal ein Ansatz, sodass wieder was stattfindet.

Ansonsten sehe ich für die Mittelschicht des Metals in Zukunft schwarz, da sich Bands überlegen müssen, ob es sich lohnt, unter den Umständen wirklich weiterzumachen.

Ohne Frage. Es wird immer Bands geben, die auch unter solchen Umständen weitermachen werden. Jedoch muss dann auch klar sein, dass der Fokus dann nie im Leben auf reinem Musikmachen liegen kann, da andere Verpflichtungen in den Vordergrund rücken.

Damit rede ich jetzt nicht davon, dass man als Musiker*in nebenbei arbeiten muss (tatsächlich können die wenigsten von der Musik leben und brauchen ein „sicheres Einkommen“). Es geht vielmehr darum, dass man Aufgaben übernehmen muss, die man ggf. an Dritte abgeben könnte. Ob es sich dabei um die Steuererklärung handelt, Booking, Online-Shops oder sogar Promoarbeit (beispielsweise in Form von Social-Media-Posts) usw. Apropos Promoarbeit: Ich weiß jetzt nicht, wie es bei euch ist, aber bei mir rutschen tatsächlich schon seit einigen Monaten immer wieder mal Konzerte durch. Und damit sind auch größere Konzerte inkludiert. Also entweder liegt es an mir, und ich muss da was ändern, oder die Promoarbeit muss einen Wandel durchmachen.

Genug Konzepte gibt es ja, und in einer digitalen Welt von heute reicht es nicht mehr aus, einfach irgendwo ein Poster hinzuklatschen oder bei Facebook eine Veranstaltung zu erstellen. Zwar werden solche Anzeigen gesehen, ohne Frage, doch inwiefern sind diese dann auch gewinnbringend, wenn die potenzielle Kundschaft das Konzert in den nächsten paar Minuten wieder vergisst? (Kleine Anmerkung, in der Didaktik gibt es das Prinzip des „Catch and Hold“. Also einfangen und immer wieder Anreize geben, damit man bei der Sache bleibt.)

Somit könnte die potenzielle Kundschaft immer wieder auf mehreren Wegen (also Facebook-Posts, Newsletter von Clubs und und und) damit konfrontiert werden und die Vorverkäufe könnten steigen. Nur so eine Idee.

Was auch noch eine Idee wäre, ist, den größeren Ticket-Shops einfach mal den Rücken zu kehren (ja, Eventim, ich rede von dir!). Es ist zwar schön einfach, bei solchen Shops Karten zu verkaufen, doch sind diese selten wirklich User-freundlich. Ich spreche damit das Thema VVK-Gebühren an. Selten ist es so, dass die Tickets dann im VVK wirklich günstiger sind.
Manchmal sogar teurer als an der Abendkasse. Wenn dann das Konzert abgesagt werden muss, ist es so, dass die VVK Gebühren nicht zurück an den Kunden/die Kundin gezahlt werden. Da überlegt man schon als Fan, ob man es nicht drauf ankommen lässt. (Ich habe schon bei vielen Clubs gesehen, dass diese ihre eigenen VVK-Stellen haben, um autark zu sein. Das ist nur ein globales Problem, welches ich ansprechen wollte.)

Gear Of The Dark – Hörempfehlung!

Wie wir sehen: Es ist echt nicht einfach. Ich wollte mit diesem „Meinungskasten“ nur noch ein paar weitere Punkte beleuchten, die ich bisher noch nicht gelesen habe und die mir am Herzen liegen. Dieses Thema ist leider extrem komplex und ich könnte hier noch Stunden weitermachen. So habe ich zwar die ganz tolle Idee, statt zwei Konzerten, einen Konzertabend zu machen, um überhaupt wieder was zu machen. Doch lohnt sich dieses Konzept auch für die Clubs? Würden die da mitmachen, wenn noch weniger Veranstaltungen laufen? Auch das Thema des fehlenden Personals habe ich noch gar nicht beleuchtet. Was bringt es einem Club (vor allem größeren) ein Konzert zu veranstalten, wenn man keine Leute hat, die das Bier ausschenken?
Ich rieche hier auch eine potenzielle neue Studie für Dr. Nico Rose (er ist mir in der Vergangenheit mit dieser hier bekannt geworden). Bislang ist es nämlich ein recht emotionales Thema geworden. Da würden auch mal nackte Zahlen etwas mehr Licht in die Sache bringen.

Ihr seid auf jeden Fall eingeladen, eure Meinung zu den Punkten beizutragen und auch mitzudiskutieren. Vielleicht fallen da noch ein paar spannende Ideen raus. Worauf ich aber nicht eingehen werde, sind politische Themen – egal welcher Natur. In diesem Sinne!

Lommer Ende.