Earth Ship – Hollowed

“Hollowed – Die Vertonung eines Berliner Winters“

Artist: Earth Ship

Herkunft: Berlin, Deutschland

Album: Hollowed

Spiellänge: 54:03 Minuten (in der Bonus-Version)

Genre: Sludge, Stoner Rock, Doom Metal

Release: 24. Juni 2016

Label: Napalm Records

Link: http://www.wearetheearthship.com/

Bandmitglieder:

Gesang und Gitarre – Jan Oberg
Gitarre – Marcel Schulz
Bassgitarre – Sabine Oberg
Schlagzeug und Gesang – Florian Häuser

Tracklist:

  1. Reduced To Ashes
  2. Hollowed
  3. Valley Of Thorns
  4. Conjured
  5. Monolith
  6. In Fire’s Light
  7. In The Arms Of Medusa
  8. Castle Of Sorrow
  9. Safeguard Of Death
  10. Red Leaves
  11. The Edge Of Time

Earth Ship - Hollowed

Hollowed ist das nunmehr vierte Full Length-Album der vier Berliner, die ihre Alben bis zuletzt via Pelagic Records veröffentlichten, das so illustre Acts wie die großartigen Klone, God is an Astronaut oder The Ocean vorweisen kann. Der gemeinsame Heimathafen verwundert jedoch kaum, zieht man in Betracht, dass Sänger und Gitarrist Jan Oberg in den frühen Tagen von The Ocean dort an den Drums saß und Gesangsparts beigesteuert hat.

Doch genug zur Historie. Blicken wir nach vorne: Die aktuelle Platte erscheint nun erstmals bei dem österreichischen Label Napalm Records (u. a. Adept, Jinjer, Coal Chamber) und könnte dadurch einem deutlichen breiteren Publikum zugänglich werden. Und auch beim Artwork hat man mit der gelungenen Kollaboration von Johnny Doe, einem Grafik Designer und Illustrator aus Berlin und Dawid „Maschine“ Piprek, einem ebenfalls in Berlin arbeitenden Tätowierer ein extrem glückliches Händchen. Als Fan von Alex CF (u. a. Lightbearer, Archivist, Fall of Efrara) bin ich persönlich aber auch extrem anfällig für solch detailverliebte Handzeichnungen.

Kommen wir zum Akustischen: Der Opener Reduced To Ashes rollt langsam und reduziert an und fällt nach kurzer Eingewöhnungsphase extrem schwermütig und wuchtig über den Hörer her. Ab hier wird die weitere Marschroute der nachfolgenden Songs definiert: Satter Groove, mehrstimmige Melodiegesänge, verzerrter Bass, lyrisch-nihilistischer Tiefgang und rhythmisch spannende Phrasierungen, die gekonnt davor bewahren, im Tiefton-Morast zu versumpfen. Das Eingangsriff weist thematisch sogar leichte Analogien zum Intro von Peripherys Icarus Lives! auf.

Der Titeltrack Hollowed ist ein Bollwerk, eine Wand mit einem kleinen melodisch lichtbringenden Refrain-Fenster, durch das man das grüne Gras auf der anderen Seite erahnen kann. Bei Conjured angekommen erlebe ich einen Flashback. Melodisch sowohl durch die Gitarrenarbeit wie auch den Gesang winkt hier kompositorisch eine spannende Symbiose aus Alice in Chains und Kyuss. Layne Staley hätte sich sicher gefreut.

Auch Monolith ist schwer, sehr schwer. Die Strophenparts bremsen den Hörer durch ihre abrupten Betonungen, ein kurzer, Freejazz-gleicher Break durchbricht die Last der Schwere wie ein Schwarm aufgescheuchter Vögel, tiefe Growls, die verhallt beinahe Black-Metal-Charakter erreichen… Ein schwer zu greifendes Konstrukt. The world ceases to exist, singt Jan und diese Stimmung spiegelt der Song recht gut wieder.

Beim durch Shuffle-Beats getriebenen In The Arms Of Medusa erweitert man den Sound der Becken trickreich und passend zur Story um ein Klangelement, das wie ein Hammerschlag auf einen Amboss scheint. Schmiedet man hier gar das Schwert für die Textzeile Cut me open, make me bleed oder die Enthauptung des schlangenbehaarten Wesens der antiken Mythologie? Egal, denn dieser treibende und streitlustige, Stoner-beeinflusste Song lässt jeden unachtsamen Hörer eh zu Stein erstarren.

Safeguard Of Death erinnert gesanglich an alte Black Sabbath-Nummern. Bei Youtube findet ihr ein (Fanmade?) Video, das aufgrund seiner radikalen Bilder aus Splatterfilmen, Selbstmord-Reportagen, Drogenkonsum, Unfällen und Kriegsdokumentationen gepaart mit Heile Welt-Szenen amerikanischer Propaganda-/Werbe-Videos den Stempel Doppel-NSFW verdient. Castle of Sorrow ist die schnellste Nummer der Platte und spielt gekonnt mit einer The Haunted-ähnlichen, verschobenen Betonung im Viertelschlag-Beat der Bridge.

Mit dem fast sieben Minuten langen Epos The Edge Of Time, das in einem langgezogenen Ritardando gipfelt, schließt die reguläre Version der Platte. Wer Gefallen an Hollowed gefunden hat, dem sei die Bonus-Edition mit den zusätzlichen Songs Blood Candy und der akustischen und ziemlich guten Version von The Edge Of Time ans Herz gelegt.

Kleiner Tipp für Vinyl-Sammler: Das Album ist auch als 180g Golden Vinyl Gatefold-Version verfügbar, die auf nur 200 Stück limitiert ist!

Ohne Earth Ship ihre musikalische Eigenständigkeit absprechen zu wollen, kommen Fans von Bands wie Kylesa, Black Tusk, Mastodon, Crowbar, Kyuss und Alice in Chains hier vollends auf ihre Kosten.

 

Fazit: Hollowed macht keine gute Laune, aber Spaß. Man merkt, dass hier Hirnschmalz und Herzblut in die Komposition gesteckt und Gitarrenparts nicht nach Schema „0-0-0-13“ geschrieben wurden. Dass man die Endzeit-Lyrics vielleicht nicht ganz so bierernst nehmen sollte, lässt ein Pressefoto vermuten, auf dem der Vierer den Betrachter mit einem Lächeln grüßt. Auffällig ist die gute Produktion, die für dieses Genre nicht unbedingt typisch ist, den Sound aber extrem gut definiert und Feinheiten erkennen lässt. Auch durch die terzierte bzw. variierende zweite Gesangsstimme hebt sich Hollowed von ähnlichen Bands des Genres gekonnt ab. Man grölt sich hier nicht stumpf durch die Textzeilen, sondern bedient die Stimmung des jeweiligen Songs sinnvoll. Variantenreich und durchdacht, ohne dabei mit zuviel Progressivität ein akustisches Chaos aufzubauen reihen sich hier 11 Songs, die alleine und im Verbund funktionieren aneinander. Wenn man will, findet man sicher auch einige Kritikpunkte wie zum Beispiel der recht Seattle-lastige Gesang, dessen Melodien für den einen oder anderen mehr Eigenständigkeit vertragen könnten. Hollowed ist dennoch ein rundes und charakterstarkes Werk, das sich international nicht zu verstecken braucht.

Anspieltipps: Conjured, Reduced To Ashes, Hollowed, In The Arms Of Medusa
Kay L.
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