Eventname: eOne Heavy Live
Bands: Plague Years, Bodysnatcher, Enterprise Earth, Within The Ruins, The Contortionist
Datum: 03.04.2021
Kosten: 12,00 US-$
Genres: Thrash Metal, Death Metal, Hardcore, Deathcore, Progressive Metal, Djent
Veranstalter: eOneHeavy.live (https://www.facebook.com/eOneHeavy)
Als die Ankündigung für diesen Stream von eOne zum ersten Mal in meinem Newsfeed auftauchte, fiel mir zunächst mal der Name der einzigen Band ins Auge, die ich schon mal live erleben durfte, nämlich Within The Ruins. Das ist neben The Contortionist auch die einzige Band, die ich vom Line-Up überhaupt kenne. Auch den Moderator der Show, oder wie es im Englischen so schön heißt „Hosted by…“, nämlich Ethan Harrison von Great American Ghost, kenne ich nicht. Aber 12,00 US-$ finde ich nicht zu teuer, also gleich mal ein virtuelles Ticket bestellt. Da es dann noch mit der virtuellen Akkreditierung für Time For Metal klappt, gibt es jetzt diesen Bericht.
Bei der Umrechnung der Zeitangaben 3PM ET/12PM PT vertue ich mich dann um eine Stunde, so sitze ich also zu früh am Bildschirm und verfolge den Livechat. Wer ist wegen welcher Band dabei? Wer plant schon eine vollkommene Zerstörung der Wohnungseinrichtung? Viele müssen noch zur Arbeit oder schreiben noch von der Arbeit. Aber dann ist es um 21:00 Uhr so weit, Ethan taucht zum ersten Mal auf dem Bildschirm auf, hält seine Begrüßung aber erfreulich kurz und kündigt gleich die erste Band Plague Years an.
Plague Years gibt es noch gar nicht so lange, in 2016 wurde die Band aus Detroit gegründet. Bislang haben sie zwei EPs und im vergangenen Jahr ihr Debütalbum Circle Of Darkness veröffentlicht.
Aber so ganz unerfahren sind die fünf Jungs, die da jetzt auf der Bühne stehen und wortlos ihr Set starten, nicht. Gleich mit dem ersten Song Play The Victim, der auch das Album Circle Of Darkness einleitet, zeigen sie, wie sie sich den perfekten Crossover aus Thrash Metal und Death Metal vorstellen. Es wird laut und es wird schnell. Aber sie schrammeln nicht einfach durch. Es gibt unzählige Tempowechsel, und ab und zu findet man auch mal ein paar Hardcore-Einflüsse, insbesondere bei den fiesen Breakdowns. Auch mit sehr geilen Gitarrensoli können Plague Years aufwarten. Da zieht sich Sänger Tim, der in seinem Slayer-Longsleeve ganz schön ins Schwitzen kommt, dann auch mal ein wenig zurück und überlässt der Saitenfraktion den vorderen Teil der Bühne. Die besteht eigentlich nur aus Eric an der (Lead-)Gitarre und Rian am Bass, live ist noch Bubba an der Rhythmusgitarre dabei. Ob er auch bei den Aufnahmen zu Circle Of Darkness dabei war, weiß ich nicht, bei der Setliste beschränken sich Plague Years auf dieses Album und legen mit Songs wie Witness Hell oder Evil One nach. Leider ist diese sehr geile Show aber nach einer knappen halben Stunde zu Ende, und es gibt das erste Interview des Abends. Der Aussage, dass man Circle Of Darkness allen Fans von Sepultura empfehlen kann, kann ich mich nur anschließen. Und dass Metallica einstimmig als Lieblingsband genannt wird, überrascht auch nicht wirklich. Meine Lieblingsband ist das nicht, aber das Album Circle Of Darkness von Plague Years habe ich mir gleich zugelegt. Die erste Entdeckung des Abends.
Einen krassen Stilwechsel gibt es direkt danach, Bodysnatcher spielen keinen Crossover, sondern Hardcore/Beatdown. Auch sie starten auf der relativ dunkel gehaltenen Bühne gruß- und wortlos ihr Set. In 2014 gegründet, gab es schon einige Wechsel im Line-Up, und auch das Label hat man bereits gewechselt. Das letzte Album This Heavy Void aus Januar 2020 wurde noch über Stay Sick Recordings veröffentlicht, danach ging es zu Entertainment One Music, unter deren Fittichen im Dezember 2020 die erste Single Break The Cycle erschien. Es folgte Take Me To Hell, und zu beiden Songs wurden auch Videos gedreht. Sänger Kyle wartet mit krassen Growls auf, während Chris, der wohl fast das Schlagzeug zertrümmert, immer mal wieder Screams liefert. Die Songs werden nicht angesagt, aber Sprüche liefert Kyle so einige und bedient mit „Break that keyboard over your stupid head“ oder „Bedroom Mosh“ wahrscheinlich voll die Erwartungen der Fans. Meins ist das zugegebenermaßen nicht, aber Bodysnatcher liefern natürlich eine sehr coole Show, und Sänger Kyle bedankt sich auch mehrmals für den Support der Fans und des Labels. Sehr interessant ist dann das folgende Interview, in denen die Jungs erzählen, wie es teilweise während ihrer Touren zugeht und dass man sogar immer mal wieder in Fitnessstudios duscht. Nach der langen Zwangspause für Konzerte haben sie sich natürlich sehr gefreut, endlich mal wieder auf einer Bühne zu stehen. Und die Freude darüber, wie die Hörerzahlen auf Spotify nach dem Album This Heavy Void entwickelt haben (von ungefähr 20.000 auf mittlerweile über 145.000 monatliche Hörer), sieht man ihnen tatsächlich an.
Auf die beiden Bands, wegen denen ich mir das Ticket gekauft habe, muss ich weiter warten. Die Zeit bis dahin vergeht aber mit der sehr geilen Show von Enterprise Earth rasend schnell.
Jetzt ist Deathcore angesagt, und dass Enterprise Earth eigentlich im vergangenen Jahr als Support für Rings Of Saturn auch in Deutschland gespielt hätten, sagt so ziemlich alles über das, was in der nächsten halben Stunde auf der Bühne abgeht. Und bei den richtig geilen Growls und Screams, die Dan abliefert, wundert es mich nicht, dass er auch schon bei Infant Annihilator am Mikro stand. Er ist auch das einzige verbliebene Bandmitglied seit der Gründung im Jahr 2014. Trotz der vielen Wechsel im Line-Up waren Enterprise Earth aber regelmäßig mit neuen Songs am Start, zuletzt erschien im Juni 2020 die EP Foundation Of Bones. Auf der findet sich neben einem Cover des Lamb Of God-Songs Now You’ve Got Something To Die For und des Necrophagist-Songs Fermented Offal Discharge tatsächlich auch ein Akustiksong, der von ähnlichen Werken von Alice In Chains und The Contortionist beeinflusst wurde. Mit He Exists oder Scars Of The Past gibt es aber natürlich auch Songs vom vorherigen Album Luciferous aus 2019, das bei Loudwire in die Top50-Metalalben des Jahres Einzug hielt. Wie Enterprise Earth im folgenden Interview erzählen, haben sie nach den abgesagten Shows beschlossen, die freie Zeit mit dem Schreiben von neuen Songs zu füllen. Und beim Hören von alten Demos war dann spontan die Idee geboren, in Eigenregie eine EP zu veröffentlichen, um die Wartezeit auf das anstehende Album zu verkürzen. Die Aufnahmen dafür fanden, wie wahrscheinlich bei fast allen Bands, an unterschiedlichen Orten statt. Das neue Album soll auf eine Spielzeit von mehr als 60 Minuten kommen, mehr wolle man aber noch nicht verraten.
Um 23:00 Uhr steht dann mit Within The Ruins schon die vorletzte Band des Abends auf der Bühne. Seit dem Gründungsjahr 2003 gab es einige Wechsel im Bandgefüge, einzig Gitarrist Joe und Drummer Kevin sind seit der Gründung dabei. Zuletzt stieß Sänger Steve zur Band. Mit ihm habe ich Within The Ruins noch nicht live erlebt, aber gleich mit dem Opener Black Heart kann er überzeugen. Und neben den unüberhörbaren Einflüssen aus dem Deathcore wird es jetzt sehr progressiv, man könnte auch sagen, technisch höchst anspruchsvoll oder frickelig. Ich bin ja großer Schlagzeug-Fan, und natürlich spielt auch Kevin auf höchstem Niveau, aber was Joe und Bassist Paolo da mit den Saiten veranstalten, zieht heute auch immer wieder die Aufmerksamkeit der Kameras auf sich. Dabei findet Joe auch immer wieder die Zeit, mal kurz bei Kevin nach dem Rechten zu schauen, bevor er sich wieder an den vorderen Rand der Bühne begibt und sich in sein höchst komplexes Spiel vertieft. Währenddessen ist Steve nach der Begrüßung auch der Erste im heutigen Line-Up, der das virtuelle Publikum vor der Bühne mit einbezieht, uns zum Mitsingen auffordert oder einfach mal die Pommesgabel zeigt. Musikalisch greifen Within The Ruins mit Feeding Frenzy, Gods Amongst Men oder Death Of The Rockstar auf fast alle Alben zurück, nur das Debütalbum bleibt außen vor. Im anschließenden Interview erzählt Joe, dass nach dem Album Halfway Human aus 2017 die Single World Undone / Resurgence die Erste war, die nach dem Einstieg von Steve veröffentlicht wurde, und es danach an das Songwriting zum neuen Album ging. Man habe sich hier aber nicht unter Zeitdruck gesetzt, so hat der gesamte Prozess bis zur Veröffentlichung von Black Heart dann weitere zwei Jahre gedauert. Bedenken, dass das neue Album oder der neue Sänger nicht gut ankommen könnten, habe man nicht gehabt. Sehr anstrengend waren aber die Videoshootings zu Deliverance, Devil In Me und Black Heart, da diese drei Videos an einem Wochenende gedreht wurden.
Zu mittlerweile vorgerückter Stunde, es ist 23:45 Uhr, sind dann The Contortionist dran. Die stehen nicht auf der gleichen Bühne, wie die anderen vier Bands, da hätten die sechs Männer wahrscheinlich auch nur mit Mühe draufgepasst.
So bringen sie auch ihre eigene Lichtshow mit, wobei auch die vier anderen Bands richtig gut in Szene gesetzt wurden. Nach den Growls, Screams und Shouts, die bislang auf meine Ohren eingeprasselt sind, wird es jetzt vergleichsweise entspannt. Songs wie Early Grave von der 2019er EP Our Bones, Reimagined vom 2017er Album Clairvoyant oder das folgende Follow (ebenfalls von der 2019er EP Bones) erinnern mich denn auch eher an einen Mix aus Vola und (alten) Uneven Structure. Aber The Contortionist können auch anders, wie sie mit Geocentric Confusion vom 2012er Album Intrinsic oder Solipsis vom gleichen Album beweisen. Da zeigt Michael, dass er neben schönem Gesang auch growlen kann. Und so etwas wie Pop können The Contortionist auch, nämlich bei ihrer Coverversion vom Smashing Pumpkins-Song 1979. Da kommt dann auch eine Akustikgitarre zum Einsatz. Nachdem die vier vorangegangenen Bands jeweils nur ungefähr eine halbe Stunde Spielzeit hatten, dauert das großartige Set von The Contortionist eine ganze Stunde. In diesen sechzig Minuten gibt es einen sehr gelungenen Querschnitt aus den Alben Exoplanet (2010), Intrinsic (2012), Clairvoyant (2017) und Our Bones (2019), und im anschließenden Interview erzählt Sänger Michael, dass sie für die Setliste auf ihre bekanntesten Songs zurückgegriffen hätten. Streams seien für sie aber nichts Ungewöhnliches, da sie jede Woche mit unterschiedlichen Inhalten auf TwitchTV aktiv seien, um in Kontakt mit den Fans zu bleiben. Die Zahl der Besucher nehme allerdings stetig ab, und mittlerweile seien wohl nur noch die Die Hard-Fans dabei. Auf diesen Stream habe man sich sehr intensiv vorbereitet, denn man wollte die höchstmögliche Qualität für Bild und Ton, brauchte die richtige Ausrüstung, das richtige Soundsystem usw. Ich habe The Contortionist zwar noch nicht live erleben dürfen, aber für mich war das definitiv von Anfang bis Ende eine erstklassige Qualität.
Gegen 1:00 gibt es dann die Verabschiedung von Ethan, der sich bei allen Zuschauern und Supportern bedankt und natürlich auch bei denen, die diese Show möglich gemacht haben. Dem Dank kann ich mich nur anschließen. Das war in dieser konzertlosen Zeit ein großartiger Stream mit fünf Bands, die sich in unterschiedlichen Genres bewegen und dabei jeweils sehr hohe Maßstäbe anlegen. Und dass einige Zuschauer nach der Show im Livechat schrieben, sie würden für eine DVD oder BluRay dieser Show auch sehr gern noch einmal Geld ausgeben, kann ich verstehen. Würde ich auch.