Euroblast Festival vom 29.09. bis 01.10.2023 in der Essigfabrik in Köln

Everything is gonna be alright!

Festivalname: Euroblast Festival

Bands: Leprous, The Ocean, Voyager, This Will Destroy You, Artificial Language, Disillusion, Einar Solberg, Feather Mountain, Gggolddd, Heart Of A Coward, Hypno5e, Mankind, Monosphere, Primaterra, The Hirsch Effekt, The Omnific, Tiberius, Ice Sealed Eyes, R3VO, E.N.D, Sheer Cerebral Power, Northern Lights, Lucrecia, Ghost Iris, A Kew’s Tag, The City Is Ours, Sextrow, Playgrounded, Earthside, Future Static, Bipolar Architecture, Allt, Atlas

Ort: Essigfabrik, Siegburger Straße 110, 50679 Köln

Datum: 29.09. – 01.10.2023

Kosten: 3-Tages-Festival-Ticket 129 €, Tagestickets: 49,00 €

Genre: Progressive Metal, Post Metal, Technical Death Metal, Progressive Death Metal, Djent

Veranstalter: Euroblast Collective Schneider & Sprich GbR

Link: https://tickets.euroblast.net

Das Euroblast Festival in Köln ist nach wie vor eine Institution im Bereich des Progressive Metal und ist auch dieses Jahr wieder ein ganz besonderes Erlebnis. Zum zweiten Mal in Folge war es in letzter Minute ausverkauft, und die Euroblast Family versammelt sich erneut in der Essigfabrik zum 15-jährigen Jubiläum. Dieses Jahr sogar auf einem erweiterten Festivalgelände mit Blick bis auf den Rhein und den Dom selbst.

Das Euroblast zeichnet sich auch durch die gemütliche Atmosphäre und die Nähe aus. Fans und Bands befinden sich gemeinsam auf dem Gelände der Essigfabrik, tauschen sich aus, genießen den köstlichen Kuchen von Le Petit Asshole, der täglich mit aktuellen Band-Designs versehen ist, und bewundern gegenseitig ihre musikalischen Fähigkeiten auf und neben der Bühne. Neben dem Kuchen gibt es als kulinarisches Highlight auch einen senegalesischen Essensstand, der alle begeistert. Die Vielfalt der Musik ist ein zentraler Bestandteil des Festivals. Neben den Hauptacts auf der Hauptbühne erhalten auch Newcomer die Gelegenheit, sich auf der zweiten Bühne zu präsentieren, selbst wenn sie noch keine internationalen Erfolge vorweisen können. Eine Band wird sogar ihr allererstes Konzert überhaupt beim Euroblast spielen.

Im Vorfeld des Festivals waren leider bereits traurige Nachrichten über die Absage der australischen Band und Euroblast-Veteranen Voyager bekannt geworden. Sänger Danny, der achtplatzierte des letzten Eurovision Song-Contests, erkrankte an Krebs, sodass alle anstehenden Termine in Europa abgesagt werden mussten. Bestürzt von den Nachrichten verkündet jedoch Leprous-Sänger Einar Solberg, dass Leprous neben ihrem geplanten Auftritt auch als Ersatz für Voyager spielen. Dabei wird der Auftritt am Festivalsamstag der neuen und der Auftritt am Sonntag der alten Ära von Leprous gewidmet. Solberg, der mit seinem Soloprojekt ebenfalls am Sonntag auftritt, hat damit planmäßig nur eine Band Pause bis zum Auftritt der alten Ära mit Leprous.

Im Profil der Time For Metal Instagram-Seite gibt es ein Story-Highlight über das gesamte Festivalwochenende.

Tag 1

Der Festival-Freitag beginnt um 16:00 Uhr mit dem Einlass, und um 17:00 Uhr startet bereits die erste Band auf der Mainstage. Disillusion, die Prog-Veteranen aus Leipzig, eröffnen das Festival mit einer eindrucksvollen Performance. Ihr Repertoire reicht von ruhigen Tönen mit Akustikgitarre bis zu kraftvoll verzerrten Klängen, stets begleitet von klarem Gesang. Die Band bietet ein beeindruckendes Spektrum, das von energiegeladenem Strobo-Einsatz bis zu ausgefeilten Rhythmuswechseln reicht. Dabei erinnern sie an eine Mischung aus Depeche Mode mit deutschen Texten, ausgedehnten Gitarrensoli und dreistimmigem Gesang.

Disillusion beim Euroblast 2023

Die erste Band auf der Secondstage im Keller der Essigfabrik sind Mankind aus Belgien, die schon mit einem imposanten dreistimmigen Intro beginnen und mich maßlos begeistern. Die Musik ist emotional und wechselt zwischen hart und zerbrechlich, nimmt mich aber komplett mit. Heute ist auch ihr erstes Album Last Of Us erschienen, und ich freue mich darauf, es nach dem Festival in Ruhe anzuhören. Beim Soundtechniker erkundige ich mich noch, was bei Mankind alles aus der Konserve, also vom Band kommt. Es stellt sich jedoch heraus, dass bis auf ein paar Hintergrundgesänge tatsächlich alles live gespielt wird, was mich noch mehr beeindruckt. Ich denke, wir werden noch viel von Mankind hören.

Weiter geht es auf der Mainstage mit Gggolddd, die ich beim ArcTangent Festival in England schon sehen durfte. Leider waren sie auch da schon nicht mein Fall, auch wenn ich sie auf Platte ganz gut finde. Aber Gggolddd wäre definitiv der Soundtrack der Wahl für einen Drogentrip. Danach begrüßt John, einer der Festivalgründer, die Euroblast Family herzlich, bevor auf der Secondstage Sheer Cerebral Power die Bühne betreten. Bei der Band aus München handelt es sich um gestandene Musiker, und man merkt, wie lange sie schon in der Prog-Musikszene aktiv sind. Ihre Musik kommt mir vor wie klassischer Progressive Rock, wenn man das so sagen kann. Der Sänger beeindruckt vor allem mit seiner hohen Kopfstimme und trägt zwischendurch zur Belustigung aller aus einem großen Buch vor und verkündet: „I hope you all believe in sheer cerebral power“. Dem komme ich gerne nach. Zur Freude des Publikums werden gratis T-Shirts am Ende des Konzertes in die Menge geworfen mit der Bedingung, dass alle, die ein Shirt bekommen, etwas an Ärzte ohne Grenzen spenden.

Sheer Cerebral Power auf dem Euroblast 2023

Mit This Will Destroy You kommt auf der Mainstage die erste instrumentale Band des Abends. Auch hier wird zwischen intensiven und ruhigen Momenten gewechselt. Ice Sealed Eyes spielen als Nächstes auf der Secondstage, und ich hatte schon beim Kuchenstand ihr beeindruckendes Kuchendesign begutachtet. Sie sind wirklich ein krönender Abschluss auf der Secondstage und reißen alles ab, was jetzt noch steht. Ihre Musik erinnert mich als Erstes ein wenig an Shokran und endlich sehe ich den ersten Dingwall-Bass des Tages. Es ist wirklich ein absolutes Spektakel, das mit dem ersten Circle Pit des Tages und einem Moshpit entsprechend gefeiert wird. Musikalisch bezeichnen sich Ice Sealed Eyes ebenfalls aus Belgien als Newcore und schließen damit an Bands wie Northlane oder Loathe an. Schließlich spielen The Ocean, die Headliner des ersten Festivaltages auf der Mainstage. Ich sehe diese Band jetzt schon das dritte Mal, und es ist jedes Mal ein Fest, auch wenn ich dieses Mal vor lauter Nebel wieder Probleme habe, die Band überhaupt zu sehen. Das Berliner Kollektiv beeindruckt wieder mit seinem abwechslungsreichen Post-Metal-Set, das von einer perfekt synchronisierten Lichtshow begleitet wird.

Tag 2

Am Festival-Samstag bin ich rechtzeitig da, um mir um 13:20 Uhr den Opener Northern Lights aus Frankreich auf der Secondstage anzusehen. Auf Platte konnten sie mich im Vorfeld zwar nicht begeistern, aber hier klingen sie mit ihrem Modern Metal gar nicht schlecht und legen für die frühe Uhrzeit eine energiegeladene Show hin, die das Publikum bewegt.

Weiter geht es mit einem meiner im Vorfeld schon gehypten Favoriten: Lucrecia aus Kalifornien. Sie präsentierten ihren einzigartigen Mix aus Anime, Game-Musik, Metalcore und Prog und hinterlassen einen bleibenden Eindruck mit den Clean Vocals und Screams von Frontfrau Suki Hyde.

Lucrecia auf dem Euroblast2023

Auf der Sidestage geht es weiter mit dem dreistimmigen Gesang von Tiberius aus England. Während einer der Gitarristen gefühlt die meiste Zeit im Publikum verbringt, die Leute komisch anstarrt und dabei eigenartige Tanzbewegungen macht, bin ich irgendwie unangenehm berührt und versuche seinem verschwitzten Oberkörper auszuweichen. Als sie einen ihrer Songs als Iron Maiden Rip off ankündigen, höre ich die Parallelen. Gut sind Tiberius, da besteht keine Frage, und ich verstehe die Begeisterung der Leute, aber die Dynamik der Band untereinander und das Gesamtkonzept sind nicht meins.

Dafür freue ich mich jetzt auf Feather Mountain auf der Mainstage. Die Bühne ist mit neuen stehenden LED-Röhren und Blumen dekoriert, und ich fühle mich in einen Feenwald versetzt. Dabei helfen auch die Legolas-ähnliche Statur und die wallenden blonden Haare des Gitarristen, die bei jeder Gelegenheit eindrucksvoll durch die Luft fliegen. Feather Mountain aus Dänemark fallen nicht nur durch den präzisesten dreistimmigen Gesang, den ich seit langem auf einer Bühne vernommen habe, auf, sondern auch durch den zweiten Dingwall-Bass des Festivals. Auch in den Gesprächen nach dem Auftritt höre ich überall die Begeisterung über Feather Mountain und kann nur absolut zustimmen – sie sind meine Favoriten bisher.

Feather Mountain auf dem Euroblast 2023

Nach einer Pause sehe ich als Nächstes Ghost Iris auf der Mainstage, die aber irgendwie seit dem letzten Mal, als ich sie gesehen habe, ihr Image zu coolen, bösen Jungs mit schusssicheren Westen und Sonnenbrillen geändert haben. Irgendwie überzeugt mich das nicht.

Heart Of A Coward sind gern gesehene Gäste beim Euroblast und machen auch richtig Spaß. Mich wurmt nur wirklich jedes Mal, dass der Sänger einfach keine geraden Töne singen kann, aber immerhin kann er sehr gut schreien.

Mein nächstes Highlight sind The Hirsch Effekt, die ich leider noch nie live gesehen habe. Die drei studierten Musiker haben kürzlich ihr neues Album Urian veröffentlicht und spielen einige Songs der Platte. Das Licht ist perfekt auf die Show abgestimmt und alle drei singen parallel zu ihrem Instrument. Das Schlagzeug steht zum ersten Mal auf diesem Festival auf der Bühnenseite, sodass alle in einer Reihe stehen. Die angekündigte Tour nächstes Jahr werde ich definitiv auch besuchen.

Nach einer kurzen Pause sehe ich dann endlich Leprous mit ihrem neuen Ära-Set. Dass ich die Band auf Platte mag, hatte ich schon vorher festgestellt, aber live ist das einfach unbeschreiblich und ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand nicht feiert. Das kann einfach alles, was Musik für mich können soll.

Danach bin ich allerdings todmüde und verpasse leider die Shows von Monosphere und den krönenden Party-Abschluss des Abends, die Glam-Rock-Band Sextrow aus Köln.

Tag 3

Der Festivalsonntag ist zweifellos der musikalisch härteste Tag des Euroblast Festivals. Atlas aus Finnland eröffnen die Mainstage und bringen mit ihrem Northcore-Sound eine geballte Ladung Energie auf die Bühne. Der Drummer betritt allein die Bühne und beginnt die Show mit einem Spotlight auf seinem Schlagzeug. Die anderen Mitglieder stoßen dazu, spielen mit Blickkontakt zueinander, und es entsteht ein besonderer Moment der Gemeinsamkeit, den man bei Bands selten sieht. Der Gesang erinnert zwischendurch an nordische Gesänge, die sich dann in kraftvolles Geschrei verwandeln und im nächsten Part wieder in tiefen, klaren Gesang übergehen – Gänsehautmomente. Dabei glänzt der Sänger nicht nur in den Tiefen, auch die hohen Töne kommen richtig gut zur Geltung. Wieder sehen wir einen Dingwall auf der Bühne. Ich bin vollends begeistert.

Nach diesem starken Auftritt folgt direkt der nächste. Allt stellten sich letztes Jahr schon als absolute Monster heraus und sind nun völlig zu Recht auf der Mainstage, wo sie alles auseinandernehmen. Dazu gibt es auch die erste Wall of Death des Tages. Danach begebe ich mich zur Secondstage zu E.N.D, doch das ist mir einfach zu heftig, also widme ich mich der Nahrungsaufnahme und dem Kuchen des Tages.

Leprous Kuchen beim Euroblast 2023

Weiter geht es auf der Mainstage mit Hypno5e, die auch schon des Öfteren beim Euroblast zu sehen waren. Für mich glänzen sie neben der atmosphärischen Stimmung vor allem durch ein sehr virtuoses Schlagzeugspiel. Danach gehe ich mit großer Erwartung in den Keller zur Secondstage zu Future Static. Die Australier haben sowohl eine Frau am Leadgesang als auch am Bass und bei den Backing Vocals. Besonders die Sängerin hat eine unbeschreibliche Energie und so bringen Future Static den Kellerraum zum Toben. Ein besonderes Highlight ist auch das Cover des spanischen Pop-Songs Gasolina, das mir in der gescreamten Metalversion komischerweise viel besser gefällt.

Nach dieser begeisternden Performance geht es zu den hochgelobten Earthside aus Australien. Die Band zeichnet sich neben der virtuosen Komposition ihrer Songs auch durch das Fehlen des Leadgesangs aus. Für ihre Songs wurden andere Sänger engagiert, darunter auch der Sänger von Tesseract. Live kommt der Gesang aus der Konserve und wird über die LED-Wände im Hintergrund auch mit dem Musikvideo hinterlegt, auf dem der Sänger zu sehen ist. Das Konzert beginnt fast 20 Minuten später, weil das technische Setup für ein Festival offenbar zu aufwendig ist und dem FOH-Techniker steht der Schweiß auf der Stirn. Besonders beeindruckt bin ich von der Performance des Keyboarders.

Nach Earthside folgt das Euroblast Family-Foto, bei dem alle helfenden Hände auf die Mainstage kommen. Besonders emotional wird es, als die ganze Halle den Refrain des Songs Promise von den ausgefallenen Voyager singt, um Sänger Danny eine gute Genesung zu wünschen. Band-Managerin Lulu Davis ist ebenfalls auf der Bühne und nimmt die guten Wünsche entgegen. Später bestätigt ein Instagram-Post von Danny die Freude, die unser Gesang bei ihm ausgelöst hat.

Euroblast Family 2023

Nachdem ich gestern schon so von der Leprous-Performance beeindruckt war, freue ich mich sehr über die Solo-Performance von Sänger Einar Solberg. Doch bevor es mit dem Set aus der alten Ära von Leprous weitergeht, betreten die Bass-Virtuosen von The Omnific die Secondstage als krönender Abschluss des Festivals. Dabei erhält der Begriff Drum and Bass für mich völlig neue Dimensionen und die beiden Bassisten räumen meinen persönlichen Dingwall-Preis für den besten Bass ab. Außerdem beschleicht mich das Gefühl, dass niemand Gitarren in Bands benötigt, wenn man einfach zwei Bässe haben kann.

Völlig geflasht muss ich jetzt trotzdem noch weiter zu Leprous auf die Mainstage. Als eine vielleicht unpopuläre Meinung empfinde ich das Set aus der alten Ära gestern irgendwie mehr nach meinem Geschmack, auch wenn es wieder unglaublich viel Spaß macht, diese von vielen als beste Progressive Band betitelte Gruppe von Musikern live zu sehen. Als krönender Abschluss folgt noch die legendäre Afterparty des Euroblast mit DJ Rémi Gallego von The Algorithm auf der Secondstage, doch meine innere Oma muss nach diesen ereignisreichen drei Tagen einfach ins Bett.

Wieder einmal war das Euroblast in jeder Hinsicht etwas Besonderes und Wunderschönes. Ich freue mich jetzt schon darauf, die Euroblast Family nächstes Jahr in Köln wiederzusehen.