Artist: Heaven Shall Burn
Herkunft: Saalfeld/Saale, Deutschland
Album: Of Truth And Sacrifice
Spiellänge: 97:42 Minuten
Genre: Metalcore, Melodic Death Metal
Release: 20.03.2020
Label: Century Media Records/ Sony Music
Link: https://www.heavenshallburn.com/
Bandmitglieder:
Gesang –Marcus Bischoff
Gitarre – Mark Weichert
Gitarre – Alexander Dietz
Bassgitarre – Eric Bischoff
Schlagzeug – Christian Bass
Tracklisten:
CD 1
- March Of Retribution
- Thoughts And Prayers
- Eradicate
- Protector
- Übermacht
- My Heart And The Ocean
- Expatriate
- What War Means
- Terminate The Unconcern
- Ashes Of My Enemies
CD 2
- Children Of A Lesser God
- La Résistance
- The Sorrows Of Victory
- Stateless
- Tirpitz
- Truther
- Critical Mass
- Eagles Among Vultures
- Weakness Leaving My Heart
Bei der Masse an Alben, die Jahr für Jahr auf den Markt kommen, gibt es leider nicht so viele, auf dich ich mich als Musikjournalist noch persönlich freue. Doch wenn eine der eigenen Favoriten-Bands eine Doppel-CD veröffentlicht, dann ist es irgendwie fast so, als wäre Weihnachten, Ostern und mein Geburtstag an einem Tag. So ging es mir zuletzt so richtig mit dem Release von Revenance der Band Parkway Drive.
Durch eine ausgeklügelte, jedoch nicht übertriebene PR-Strategie, wie zum Beispiel dem Kinotermin am 19.02.2020, bei dem die der CD beiliegende Dokumentation auf großer Leinwand gezeigt wurde, durften Fans bereits ein wenig Blut lecken. Dann kamen bereits vielversprechende Single-Auskopplungen auf den Markt, die bewiesen haben, dass Heaven Shall Burn nach ihrer Pause nicht nur richtig Bock haben auf neue Musik, sondern auch an das in meinen Augen bis jetzt beste Album der Truppe Wanderer anzuschließen. Doch drei Singles sind ja nicht zwingend stellvertretend für neunzehn Songs, die das 2020er Release mit sich bringt.
Covertechnisch ist man zwar weg vom Islandmotiv des Vorgängers, aber optisch trotzdem sehr an der „Corporate Identity“ der Saalfelder Kapelle. So erinnert das neue Cover wieder mehr an das Kunstwerk, welches das 2013er Album Veto verzieren durfte. Doch ist das ansprechende Äußere von niemand anderem designed worden, als von Eliran Kantor, der bereits für Testament, My Dying Bride, Soulfly, Thy Art Is Murder, Iced Earth und vielen weiteren für das Coverartwork verantwortlich gewesen ist.
Melodisch mit einem eingängigen und netten Gitarrenriff beginnt Of Truth And Sacrifice ansprechend. Der Opener ist ansprechend genug, um nicht nur für das aktuelle Album, sondern auch für die kommenden Konzerte als Intro hinhalten zu können. Auch wenn der Übergang in den ersten Track Thoughts And Prayers nicht ganz nahtlos gelingt, gibt es in alter Heaven Shall Burn Manier ordentlich auf die Fresse. Melodisch, melodisch, melodisch – ich sitze hier mit schüttelndem Kopf und freue mich gerade darüber, dass man tragende Melodien und Death Metal noch immer in einem Satz schreiben kann.
Eradicate dürfte bereits den meisten Fans bekannt sein, da dieser Track als dritte Single auf den Markt gekommen ist. Bespielt mit einem Musikvideo des „Tarantino Afrikas“ Isaac Nabwana, welcher das Lied angeblich ohne große Vorgaben in Szene setzen durfte. Auch wenn mich persönlich die Samples, die nur im Video vorhanden sind, stören, ist der Eradicate ein sehr repräsentativer Track.
Protector wird in meinen Augen das nächste Endzeit oder Back Tears der Band werden. Eingängige und sehr melodische Riffs treffen auf eine Songstruktur, die Mitsinglaune verbreitet und das sogar ohne dabei die eigentliche Härte der Band zu reduzieren. Ein wenig anders geht es dann bei Uebermacht ab. So beginnt man mit einem sehr untypischen Elektropart, der auch von Rammstein hätte sein können, um dann groovig in typische Gefilde zurückzukehren. Besonders ist, dass man hier bestimmte Textpassagen in deutscher Sprache wiederfindet, was ja zum Beispiel bei Die Stürme Rufen Dich eingesetzt wurde, „damit die, die es angehen soll, auch verstehen“ (so Maik Weichert in unserem Interview vom 21.09.2016).
My Heart And The Ocean ist nicht nur als zweite Single dem Album entkoppelt worden, sondern bildet auch eines der emotionalsten Thematiken ab. Als quasi Hymne gegen Wilderei, hätte man den Track wohl auch Hunters Will Be Hunted Part II oder die Ocean-Version nennen können. Hier stellt man sich mit Sätzen wie „These criminals will hear our battle call“ klar auf und erklärt der Meereswilderei den Kampf.
Was ist das? Klavierklänge bei einem Heaven Shall Burn Lied? Naja, warum auch nicht, denn so atmosphärisch, wie Expatriate beginnt, geht der fast neunminütige Song auch weiter. Gemeinsam mit orchestraler Untermalung wechselt man fast schon zum Sprechgesang. Und während ich mit Gänsehaut den Instrumenten folge, wird klar, dass die Saalfelder Herren wirklich einiges in die Hand genommen haben müssen, um eine so geniale Produktion hinzulegen. Auf einer Melodic Death Metal/Metalcore Platte einem Orchester so viel Platz zu lassen, zeigt in meinen Augen Selbstbewusstsein und ein Zeichen davon, dass man nicht nur strikt den Genreschubladen folgen muss und dabei trotzdem vollkommen sich selbst treu bleiben kann.
Der Wechsel in den Death Metal von What War Means ist dann fast schon wie mit Anlauf durch die Wand. Da, wo mir die Klänge des Doublebass-Gewitters einen Wadenkrampf vom Zuhören bescheren, finde ich, dass wir es hier mit dem wahrscheinlich schwächsten Song des Albums zu tun haben – aber hey, das ist bei dem Aufgebot auch nicht schwer.
Melodischer wird es dann wieder im eigentlich letzten Song der ersten, um dann mit orchestraler Untermalung im Outro die erste CD abzuschließen. Wer jetzt aber meint, dass das nun für ein Release ausreicht, der hat wohl nicht bemerkt, dass Of Truth And Sacrifice nochmals fast so viel auf Lager hat, wie das, was wir bisher geboten bekommen haben.
Um nicht alle Tracks zu spoilern, gebe ich noch ein paar Dinge mit, die man sich auf jeden Fall geben sollte. Das Elektro Genre hält mit The Resistance bei Heaven Shall Burn Einzug, während Lord Of The Lost Sänger Chris Harms beim Track The Sorrows Of Victory alles ein wenig in die Gothic Richtung schieben darf und das ohne, dass die DNA der Thüringer dabei verfälscht wird. Hier darf man auch einen fast virtuosen Gitarrenpart feiern und sich darüber freuen, dass man trotz der 24 Jahren der Bandgeschichte noch immer oder gerade deswegen (?) so experimentierfreudig geblieben ist.
Der Melodic Death Metal Track Stateless könnte ohne Probleme nahtlos an Protector anschließen. Wobei die Songs Tirpitz und Truther auch den Death Metal Fan begeistern dürften. Wo Critical Mass schön thrashig bis groovig daherkommt, schließt das großteils instrumentale Weakness Leaving My Heart atmosphärisch und im Vergleich schon fast träge ab.
Tontechnisch ist alles qualitativ absolut lupenrein, doch ohne aalglatt oder gar weichgespült zu werden. Den etwas rotzigen Sound, den die Herren aus Thüringen seit Jahrzehnten auf ihre Platten bringen, ist auch auf Of Truth And Sacrifice allgegenwärtig und so fühlt man sich von der ersten Sekunde an so, als wäre diese Platte bereits seit vielen Jahren auf dem Markt und man hatte sie eigentlich nur im CD-Regal vergessen und zum Glück wieder in den Händen.