Event: Holy Moses – The Final Reign Tour als Teil des Alarm!-Revival
Band: Holy Moses
Vorbands: Warpath, Moshquito
Ort: Club Seitenstraße Zwickau
Datum: 18.11.2023
Zuschauer: ca. 500 Gäste
Genre: Thrash Metal
Links: http://www.facebook.com/official.holy.moseshttps://www.warpath-germany.com/https://www.facebook.com/Moshquitoband
Abschiedstourneen sind immer etwas Großartiges. Fans der Abschied nehmenden Band sehen so etwas grundsätzlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge und schon von Haus aus sind solche Konzerte immer behaftet mit viel Wehmut, aber auch Nostalgie. Auf der Final Reign-Tour von Holy Moses ist das nicht anders und doch hat der Stopp im Zwickauer Club Seilerstraße noch mal das gewisse Extra. Als Roland Ritter, allen in Zwickau als Bogo bekannt, am 15.11.1992 im Rahmen des Rock-Life e.V sein erstes Konzert veranstaltete, standen schon Holy Moses und Warpath auf dem Billing. Zum zehnjährigen Jubiläum waren Holy Moses im Club Alarm! ebenfalls am Start. Leider ist der legendäre und deutschlandweit beliebte Liveclub mittlerweile Geschichte und aufgrund der widrigen Umstände zu Seuchenzeiten war das 30-Jährige nicht machbar und so verschob man den runden Geburtstag einfach um ein Jahr. Da am 14. April dieses Jahres das finale Album Invisible Queens erschienen ist, lag es nahe, diese Tour mit besagtem Jubiläum zu verbinden. Aus gleichen Gründen um ein Jahr verschoben hat sich das 40-jährige Bandjubiläum der dienstältesten Metalband der ehemaligen DDR Moshquito, die sich seinerzeit als Argus gegründet hatten, sich auflösten, neu gründeten, zwischenzeitlich als Axiom firmierten und nun härter denn je wieder als Moshquito dem Deaththrash frönen. Und genau diese drei Dinge werden heut gefeiert: Die Farewell-Tour einer großartigen, verdienten Thrash-Kapelle und zwei Jubiläen ostdeutscher Metalgeschichte! In Vorfreude auf einen geilen Abend und nichts ahnend laufe ich von meiner Bahnhaltestelle hoch zum Club Seilerstraße, es ist ziemlich kalt, aber Metaller sind hart im Nehmen. Völlig anders, aber mindestens genauso kalt trifft mich nach dem Betreten des Innenhofes eine fette Überraschung: Über dem noch verschlossenen Clubeingang prangt das originale Eingangsschild des alten Club Alarm! Wie geil ist das denn bitte! Mir läuft die Gänsehaut über den ganzen Körper, und das mit Sicherheit nicht von den Außentemperaturen. Geiler Move von Bogo, einen so schon auf diese denkwürdige Nacht einzustimmen.
Als sich die Türen pünktlich 20:00 Uhr öffnen, drängen die bereits zahlreich Wartenden in den Club. Ich versorge mich mit einem Getränk und nehme die Merchstände der Bands in Augenschein. Danach plaudere ich mit einigen Bekannten, die ebenfalls ungeduldig auf die Shows warten. Dann ist es endlich so weit: Das Licht im Saal verdunkelt sich, und unter frenetischem Jubel betreten Moshquito die Bühne. Bereits mit den ersten Takten zeigen die Jungs um André „Rudi“ Nebel, dass heut keine Gefangenen gemacht werden. Trotz der eher knapp bemessenen Zeit, die den Deaththrashern als Opener zur Verfügung steht, werden uns hier in Hochgeschwindigkeit ein Hit nach dem anderen aus allen vier Dekaden serviert. Einen super Querschnitt durch die Geschichte des DDR-Metal-Hochadels kann man sich im Übrigen auf der aktuellen Compilation Four Decades Of Inferno geben, die vor kurzem bei German Democratic Recording erschienen ist. Allerdings spiegelt dieses Doppelalbum nicht mal ansatzweise das Feeling wider, dass ich heut Abend vor der Bühne genieße. Seine Helden aus der Region und deren Geschichte live und in Höchstform live erleben zu dürfen, kann ich nur als magisch bezeichnen.
Dass Umbaupausen in der „Seile“ immer zügig und höchst professionell durchgezogen werden, ist für mich ja mittlerweile nichts Neues mehr, dass die Zeit allerdings gerade mal für eine Toilettenpause und den Akkuwechsel reicht, ist mir dann doch neu. Das Saallicht fährt bereits wieder runter, die Spots erhellen marginal die Bühne, das Warpath-Quintett entert die Bühne und ihr typischer dreckiger Thrash Metal bröselt unheilvoll aus den Boxen. Habt ihr die Jungs schon mal live erlebt? Teutonenthrash hat ja in den meisten Fällen etwas absolut Unverwechselbares, aber meiner bescheidenen Meinung nach unterscheidet sich der Stil der Hamburger Jungs massiv von den Genrekollegen aus dem Rest des Landes und ist damit schon ein Stück weit was Besonderes. Aber man hört immer noch deutlich, dass von der ursprünglichen Gründungsbesetzung nur noch Frontröhre Dirk „Digger“ Weiss übrig ist. Alle anderen haben sich aber über die Jahre seit dem Relaunch der Band bestens in die Kriegsmaschine eingefügt und laufen heute zu absoluter Höchstform auf. Sehr zu meiner Freude kommen Titel aus allen Schaffensphasen zum Einsatz und die Truppe schafft es mehrfach, einem die Rübe abzuschrauben. Ich hoffe inständig, dass ich Warpath heut nicht zum letzten Mal erleben durfte, denn das hier hat sich definitiv gelohnt.
Der Saal hat sich wahnsinnig gut gefüllt und daher verlasse ich meinen Platz in der ersten Reihe jetzt nicht mehr. Schon jetzt überkommt mich etwas Wehmut. Holy Moses habe ich in den letzten Jahren verhältnismäßig häufig gesehen, aber der Gedanke, dass es heut zum letzten Mal sein wird, schlägt mit einem Mal heftig zu.
Als dann Frontshouterin Sabina Classen wie ein kleiner Wirbelwind auf die Bühne stürmt, sind die trüben Gedanken wie weggeblasen. Ein fantastisches Set deutscher Thrash Metal-History füllt den Abend. Scharenweise werden Fäuste und Pommesgabeln gereckt und Köpfe kreisen en gros nebst zugehöriger Haarpracht, wo diese überhaupt noch vorhanden ist. Der Altersdurchschnitt ist heut relativ hoch und entsprechend licht sind dann auch die Frisuren. Zwischen den Songs gibt Sabinchen die eine oder andere Anekdote zum Besten. Holy Moses haben seit den Wendejahren eine doch recht besondere Verbindung in die östlichen Bundesländer. Schmunzeln muss ich, als sie von einem Gig Anfang der 90er in Karl-Marx-Stadt berichtet. Offensichtlich war man, als der Tourbus die Stadtgrenze passierte, gerade dabei, das Ortseingangsschild zu demontieren und als die Band später die Stadt verließ, prangte an besagter Stelle dort ein Schild mit der Aufschrift Chemnitz. Das ist echt ein bisschen erlebte Wende. Auch von den legendären Gigs in Zwickau, unter anderem im Club Alarm! weiß sie zu berichten und was es für ein magischer Moment war, als sie am Eingang das alte Signet erblickte. Ich denke schon, dass das kein anbiederndes Geschwafel von ihr ist, Sabina habe ich schon vor einigen Jahren als absolut echt kennengelernt. Als Digger von Warpath später für eine Nummer als Gastsänger auf die Bühne kommt, ist der Jubel natürlich groß. Irgendwann ist halt aber alles Schöne mal vorbei und Frau Classen kündigt den Zugabenteil an, betont aber gleich, dass sie es sich spart, erst von der Bühne zu gehen, sich feiern zu lassen, um dann erst wiederzukehren, also läuft es eigentlich beinahe nahtlos weiter. Für den Abschlusssong werden dann einige Mädels samt Bier aus dem Publikum auf die Bühne gebeten und für uns endet ein absolut denkwürdiger Abend natürlich mit dem Dead Kennedys-Gassenhauer To Druck To Fuck. Absolut episch. Danke Sabina, du wirst immer die Queen of Thrash Metal für mich bleiben!
Setlist
- Def Con II Panic
- SSP (Secret Service Project)
- Near Dark
- Invisible Queen
- Cult Of The Machine
- World Chaos
- Nothing For My Mum
- Reborn Dogs
- Welcome To The Real World
- Master Of Disaster
- Jungle Of Lies
- Hellblond
- Finished With The Dogs
- Life’s Destroyer
- Walpurgisnight
- Current Of Death To Drunk To Fuck
Wie immer plaudere ich im Anschluss noch mit ein paar Freunden bei einem Absacker und mache mich dann – Kopf und Metal Heart voller guter Erinnerungen – auf den Weg zum Nachtbus, den es ja dankenswerter Weise an Wochenenden noch gibt.