Interview mit Oliver Schmid und Julian Larre von Lacrimas Profundere beim ROCKHARZ 2019

Selbst vergossene Tränen haben etwas zu sagen

Eventname: Interview mit Oliver Nikolas Schmid und  Julian Larre von Lacrimas Profundere beim ROCKHARZ 2019

Datum: 05.07.2019

Ort: Rockharz, Ballenstedt

Link: https://www.lacrimas.com/

Nach dem tollen Interview mir Raimund Ennenga von Nailed To Obscurity treffe ich mich mit Oliver Nikolas Schmid, dem letzten, noch aktiv bei Lacrimas Profundere spielenden Gründungsmitglied. Der bringt seinen Sänger Julian Larre mit, der erst letztes Jahr eingestiegen ist. Wir treffen uns erst einen Tag nach dem guten Auftritt von Lacrimas Profundere im Backstage Bereich. Auch hier finden wir ein Plätzchen, das einigermaßen ruhig ist.

Time For Metal / Kay

Hallo Oliver, erst mal vielen Dank, dass ihr es ermöglicht habt, mit euch hier beim ROCKHARZ ein Interview zu führen. Ich war ja schon ein wenig erstaunt, als ich irgendwann eine Facebook Einladung bekam und in deine Freundesliste aufgenommen werden sollte.

Lacrimas Profundere / Oliver (leicht erstaunt)

Echt? Das weiß ich gar nicht mehr so. Es gibt ja bereits zwei Accounts.

Time For Metal / Kay

Nun ja, wir sind seit Monaten befreundet und das hab ich dann auch zum Anlass genommen, mich näher mit Lacrimas Profundere zu beschäftigen.

Lacrimas Profundere / Oliver (noch erstaunter und lacht)

Erst durch Facebook bist du auf uns aufmerksam geworden?

Time For Metal / Kay

Ja, mehr oder minder. Gehört hatte ich den Namen schon öfters, euch aber mehr so in die Dark Rock/Gothik Ecke geschoben. Und ich bin eher der Hard Rocker oder softerer Metalhörer. Bei der Recherche hab ich dann auch die Übersetzung des Namens Lacrimas Profundere gefunden – es heißt übersetzt „Tränen vergießen“. Wie wird das Lacrimas Profundere richtig betont?

Lacrimas Profundere / Oliver

Da gibt es die abenteuerlichsten Aussprachen. Da es aus dem Lateinischen kommt, wird die Betonung auf das „i“ bei Lacrimas gelegt. Witzig ist es bei den Amerikanern, die sprechen das eben englisch aus „Läcreimäs Profandierie“. Ich wollte das vor 15 Jahren auch mal ändern, aber die Plattenfirma lies das nicht zu. Ich bereue auch heute noch den Tag, als mein Bruder (Anm. Christoph Schmid) ein Lateinbuch in die Finger bekommen hat.

Time For Metal / Kay

Was macht der jetzt? Er ist ja nicht mehr aktiv bei der Band.

Lacrimas Profundere / Oliver (erheitert)

Doch. Er steht nur nicht mehr auf der Bühne, aber schreibt fleißig Songs. Er ist nicht mehr wirklich produktiv, im Gegensatz zu mir. Ich bin produktiv, ich trinke zehn Stunden Bier.

Time For Metal / Kay

Ja, kann man machen…

Lacrimas Profundere / Oliver (Einwurf Oliver)

Muss man machen!

Time For Metal / Kay

….ich trinke ja auch gern Bier, aber das geht ja noch nicht, da ich ja noch arbeiten muss. Sonst kann ich das Interview nicht gut absolvieren, only my Englisch will be better, when i drink 😀

Lacrimas Profundere / Oliver / Julian (allgemeines Gelächter)

Oliver: Ja, das kenn ich. Man kann dann so schön Kauderwelsch reden. Versteht jeder.

Julian: Ja, das ist einfacher. Dann denkst du nicht darüber nach, was du sagen willst, sondern sagst es einfach.

Time For Metal / Kay

Oliver, du hast ja mit deinem Bruder zusammen die Band gegründet. Habt ihr am Anfang nicht Gothik gespielt?

Lacrimas Profundere / Oliver

Eigentlich haben wir am Anfang sehr hart gespielt. Mein Bruder hat zunächst ganz krass geschrien, so Napalm Death mäßig, das war eher Doom Death Metal. Die Veränderung zum Gothik kam dann erst später. Eigentlich finde ich es ganz geil, was wir damals gemacht haben. Das hat uns dann letztendlich 1989 den ersten Plattenvertrag bei Napalm Records verschafft. Das war auch früher anders. Ich habe bei Napalm angerufen, und die haben mich direkt zum Chef durchgestellt, da hab ich mich dann beworben. Ging damals alles noch, heute ist das undenkbar. Wir waren 15 Jahre da und haben nicht weiter nachgedacht. Die ganzen Veränderungen gingen einfach an uns vorüber. Heute ist das alles anders, auch mit den neuen Medien. Ich glaube ja, wenn die Musik den Leuten gefällt, dann gefällt sie ihnen, ganz egal, über welches Medium, und wenn es nicht gefällt, dann ist es auch egal, über welchen Dienst oder welches Medium das nicht gehört wird.

Time For Metal / Kay

Da passt ja die Frage zu, Spotify und Co., Fluch oder Segen?

Lacrimas Profundere / Oliver

Ich finde ja immer noch, es ist etwas Anderes, wenn du eine Schallplatte auflegst und dabei das Gefühl des Musikhörens aufkommt. Aber so kurz mal nebenbei, im Auto zum Beispiel ist das doch wesentlich einfacher. Mal eben Spotify an und einen Song hören oder ein Album.

Time For Metal / Kay

Das ist eben so, dass gerade Jüngere (an Julian gewandt) eher so das Letztere nutzen. Auch wenn der Trend zurück zu Vinyl geht.

Lacrimas Profundere / Julian

 Ja, das stimmt. Aber ich mag auch gerne Vinyl.

Lacrimas Profundere / Oliver

Das ist richtig, es gibt aber ein Problem. Da es nicht mehr so viele Presswerke gibt, die Vinylplatten herstellen können, das aber immer mehr wird, musst du vier Monate früher anfragen, wenn du eine Platte pressen lassen willst. Unsere neue Platte gibt’s auch als Vinyl-Edition und da hab ich vor Monaten unser Label informiert, dass die auch als Vinyl rauskommen soll.

Time For Metal / Kay

Julian, du kommst aus Finnland. Als ich das erste Mal deinen Namen las, dachte ich eher an einen Franzosen. Dank Wikipedia habe ich gesehen, dass du vorher in einer anderen Band gespielt hast.

Lacrimas Profundere / Julian

Das stimmt. Ich habe Familie in Frankreich, deshalb der so klingende Name.

Die Band ist mein Soloprojekt (Anm. LESSDMV) das ich auch immer noch habe.

Time For Metal / Kay

Ah ok, zurück zu eurem Auftritt von gestern. Das kam gut an und ihr seid auch ordentlich gefeiert worden. Dazu kam, dass Julian wie so ein Derwisch über die Bühne getobt ist und dann sogar in den Graben gekommen ist. Einmal durch und dann auf das Absperrgitter.

Lacrimas Profundere / Oliver

Das ist so sein Markenzeichen. Das macht der immer gern. Er hat mich gefragt, ob er das hier auch machen soll, und ich sag noch, das ist zu hoch.

Time For Metal / Kay

Da ist er eben hinten rum.

Lacrimas Profundere / Julian

Ja, das ist schon hoch, so drei Meter, da bin ich beim ersten mal hinten rum. Beim zweiten hab ich dann den Sprung von den Boxen gewagt. Muss nur aufpassen, dass ich mir nicht mein Bein breche.

Time For Metal / Kay

Die Bühnen sind dieses Jahr höher. Das ist für uns Fotografen etwas blöd, für die Zuschauer etwas besser. Aber du hast das genossen. Hab ein Bild, wie du Björn, den Fotografen im Rollstuhl ansingst. Das kam gut an. Wie habt ihr das Konzert empfunden? Ich hatte auch das Gefühl, dass es hier her passte.

Lacrimas Profundere / Oliver

Cool. Hat uns viel Spaß bereitet. Und durch die neue Platte haben wir uns breiter aufgestellt, was auch durch Julians Stimmspektrum möglich ist. Das haben wir schon im Studio gemerkt. Du musst nicht nachdenken, was ihm hingibst. Der macht einfach alles, was du ihm hingibst, hoch, tief, schreien, leise singen. Einfach viel. Und das Ergebnis kannst du im aktuellen Metal Hammer nachlesen, da sind wir mit Bleeding The Stars noch vor Sabaton und Volbeat Platte des Montas.

Time For Metal / Kay

Meinen Glückwunsch. Ich werde dazu mal ein Review schreiben. Ich habe mir schon die Box geholt. Da ist ja ein Stück eures alten Bühnenbanners drin. Hat das symbolischen Charakter. Abschneiden alter Zöpfe? Neue Wege finden?

Lacrimas Profundere / Oliver

Das ist auch ein guter Gedanke, aber vordergründig musst du den Fans heute was bieten, wenn du was auf den Markt bringst. Da kam ich auf den Gedanken das alte Banner zu zerschneiden. Das war eine Heidenarbeit. Ich habe mit meinem Vater auf der Garagenauffahrt alles klein geschnitten. Musste ja eine passende Größe haben. Das Banner war zwölf Jahre mit uns auf Tour. Wir waren in der Zeit in über dreißig Ländern auf der Welt und haben uns da eine gewisse Fanbase aufgebaut. Und denen geben wir dadurch auch was zurück.

Time For Metal / Kay

Das ist ein gutes Giveaway, etwas Persönliches, nicht nur einfach eine Doppel-CD und vielleicht ein Poster und ne Autogrammkarte. So gute Gimmicks, die auch einen Mehrwert beinhalten oder eben ausgefallene Sachen, wie z.B. der Papierschlüpfer bei Alice Coopers School’s Out Platte haben schon etwas. Vor allem sind die Auflagen davon nicht so groß und du hast was Besonderes.

Lacrimas Profundere / Oliver

Unsere Platte ist ja auch rot, blutrot und im Titel steht was mit Bleeding. Da wurde ich inspiriert durch den Gitarristen Gary Holt (Anm. Exodus und Slayer), der hat mal ein Sondermodell einer Gitarre bekommen, das rot lackiert war. In die Farbe wurde sein eigenes Blut untergemischt. Total abgefahren. Das hätte ich auch gern getan, in jede Box einen Tropfen eigenes Blut, wenn das irgendwie machbar gewesen wäre. Zwei Liter abgegeben und dann teilt es auf. Das ging natürlich nicht. Aber ich finde, wenn du was machst, dann sollte es besonders sein.

Time For Metal / Kay

Da komm ich auch gleich zur nächsten Frage. Ihr habt gestern nach dem Konzert eine Autogrammstunde gegeben. Was hält du von bezahlbaren Meet and Greet?

Lacrimas Profundere / Oliver

Nee, das machen wir nicht. Wir sind im Oktober in Russland. Da waren wir letztes Jahr auch und da haben sie mir das angeboten. Ich habe das abgelehnt und wenn sie das unbedingt wollen und davon den Auftritt abhängig machen, dann trete ich nicht auf. Für mich ist das Abzockerei. Jede Band soll das für sich entscheiden.

Time For Metal / Kay

Es gibt aber schon einige, die das machen. Ich finde das auch nicht gut, aber es gibt bei einigen schon eine Gegenleistung. Teilnahme am Soundcheck, einen speziellen Pass, Bilder und Plaudereien mit der Band. Aber wie du richtig sagst. Das muss jede Band für sich selbst entscheiden und der Fan muss wissen, ob er dafür Geld ausgibt oder nicht.

Lacrimas Profundere /Oliver

Meine Meinung dazu kennst du jetzt. Große Bands wie Sabaton oder auch hier auf dem Festival Amon Amarth können das nicht mehr, das würde den Rahmen sprengen und in der knappen Zeit einer Autogrammstunde kämen nicht alle dran. Also wir machen das nicht.

Time For Metal / Kay

Anderes Thema, ihr seid seit dem letzten Jahr nur noch zu dritt. Euer Sänger Roberto Vitacca hat bei seinem letzten Auftritt den Julian schon als neuen Sänger vorgestellt. War das eine einvernehmliche Trennung? Und auf der Bühne steht ihr zu fünft. Kommen die beiden beizeiten als feste Bandmitglieder dazu?

Lacrimas Profundere /Oliver

Das zeichnete sich schon länger ab. Er war mit der Musik nicht mehr zufrieden. Menschlich kamen wir gut miteinander aus, waren musikalisch aber auseinander. Aber zehn Jahre wischt du nicht so einfach weg. Deshalb hat es auch so lange gedauert, bis er dann gänzlich ausgestiegen ist. Es fiel uns beiden schwer, aber es ging dann nicht mehr. Und mit dem neuen Sänger haben wir einen mehr als nur guten Ersatz gefunden.

Lacrimas Profundere / Julian (breites Grinsen)

Danke

Time For Metal / Kay

Na so etwas, Deutsch geht ja doch.

Lacrimas Profundere / Oliver

Und die beiden anderen haben mit dem Album nicht so viel zu tun gehabt. So dachte ich mir, wir bleiben erst mal zu dritt, wie auch auf der neuen Platte und dann später werden sie involviert. Zunächst sind sie halt als Gastmusiker dabei.

Time For Metal / Kay

Mensch, da habt ihr mir ja schon alles beantwortet, was ich so wissen wollte. Was haltet ihr von Handys bei Konzerten? Ich spreche da den Vorfall bei einem Judas Priest Konzert an.

Lacrimas Profundere / Oliver

Da weiß man auch nicht so genau, was los war. Der Fan hatte bestimmt mit der Taschenlampen Funktion geblendet. Ich bin da auch nicht so ein Fan von, würde aber nie so weit gehen wie Slipknot und die Leute rauswerfen lassen. Aber warum gehe ich auf ein Konzert, wenn ich ständig Texte lese oder Ticker?

Time For Metal / Kay

Das frage ich mich auch manchmal. Aber so ist das mit der neuen Technik. Noch eine persönliche Frage, verdient ihr mit der Musik genügend Geld?

Lacrimas Profundere / Oliver

Nee, das reicht nicht aus. Ich habe da noch was anderes. Aber bei mir kommt dazu, dass ich Familie habe. Eine Frau drei Kinder und da brauchst schon eine gewisse Sicherheit, gerade was Krankenkasse betrifft.

Lacrimas Profundere / Julian

Bei Oliver ist das etwas anderes. Ich bin Vollblutmusiker und ungebunden. Ich habe ja noch meine andere Band und wir arbeiten viel. So brauch ich nicht viel und es reicht mir aus. Was die Zukunft bringt, muss man sehen. Das Leben ändert sich. Zunächst schaue ich nicht so auf‘s Geld. Wenn ich in der Lage wie der Oliver wäre, würde ich auch anders denken.

Time For Metal / Kay

Dann bedanke ich mich recht herzlich für die offenen Worte und die Zeit, die ihr mir zur Verfügung gestellt habt. Ich hätte gern noch ein Bild von uns dreien.

Damit endet das Interview mit Oliver Niklas Schmid und Julian Larre von Lacrimas Profundere. Ich habe zwei aufgeschlossene tolle Gesprächspartner erlebt, die viel und offen geplaudert haben. Das Abschlussbild ist dann auch noch gelungen.