Kiss auf End Of The Road – World Tour am 13.06.2022 in Hamburg

Auch das Ende der Straße wird nicht in einem Jahr erreicht. Kiss verabschieden sich bereits seit 2019 von den Bühnen der Welt

Event: End Of The Road Tour

Bands: Kiss, The New Roses

Ort: Barclays Arena, Hamburg

Datum: 13.06.2022

Kosten: ab 93,45 Euro VVK

Genre: Rock ’n‘ Roll, Hard Rock

Besucher: ca 12.000

Veranstalter: Wizard Promotion, River Concerts

Links: https://www.kissonline.com/welcome
https://www.thenewroses.com/home.html

Setlisten:

  1. Nothing But Wild
  2. Gimme Your Love
  3. Life Ain’t Easy (For A Boy With Long Hair)
  4. It’s A Long Way
  5. Glory Road
  6. The Usual Suspects
  7. Down By The River
  8. Thirsty

  1. Detroit Rock City
  2. Shout It Out Loud
  3. Deuce
  4. War Machine
  5. Heaven’s On Fire
  6. I Love It Loud
  7. Say Yeah
  8. Cold Gin
  9. Guitar Solo
  10. Lick It Up
  11. Calling Dr. Love
  12. Tears Are Falling
  13. Psycho Circus
  14. Drum Solo
  15. 100,000 Years (Outro only)
  16. Bass Solo
  17. God Of Thunder
  18. Love Gun
  19. I Was Made For Loving You
  20. Black Diamond

Zugabe:

  1. Beth
  2. Do You Love Me
  3. Rock And Roll All Nite

Was für ein langer Abschied. Seit nunmehr dem 31. Januar 2019 sind Kiss dabei, sich von den Bühnen der Welt zu verabschieden. Was eigentlich innerhalb von zwei Jahren abgearbeitet hätte sein sollen, dauert noch an. Insgesamt 195 Shows sind es insgesamt, die zum Teil schon absolviert wurden. Was im Januar 2019 in Kanada begann, soll dann am 7. Oktober 2022 in den Staaten enden, obwohl Paul Stanley kürzlich in einem Interview sagte, dass es wohl erst Anfang 2023 endgültig vorbei sei. Das Abschlusskonzert soll demzufolge in New York stattfinden. Kiss sind eine der dienstältesten Hard Rock Bands und haben sich im Laufe ihrer Karriere öfter neu erfunden und in dem Zuge zu einer der lukrativsten Marken im Geschäft entwickelt. Des Öfteren drehte sich das Personalkarussell, auch wenn da jetzt seit 2004 Ruhe eingekehrt ist. Irgendwann soll aber Schluss sein und somit ist die Tour die Letzte der Band. Aber eins blieb ihnen immer gewiss, und das ist die treue Anhängerschaft ihrer Fans.

An diesem Montag findet also in der nicht gänzlich ausverkauften Barclays Arena das ausgefallene Konzert von 2020 statt. Gegenüber im Volksparkstadion wird fleißig für das Rammstein Konzert für die beiden folgenden Tage aufgebaut. Da werden gute 100.000 Zuschauer erwartet, was streng genommen das achtfache der Kiss-Zuschauer ausmacht. Trotzdem ist das nicht vergleichbar. Nun steht erst mal der heutige Abend im Zeichen von Kiss und so pilgern Tausende in die Halle und fast überall sind entsprechende Fanbekundungen zu sehen. Die Kiss-Kutten und oftmals knapp gewordenen T-Shirts spannen sich über viele Wohlstandsbäuche, die Haare sind meist kürzer und das Alter ist um einiges höher. Allerdings sind auch viele Sprösslinge dabei, die brav mit Ohrschützern und Kiss-Shirts bekleidet an der Hand von Papa oder Mama in die Halle gehen. Merch gibt es bereits vor der Location, sodass sich für einen gelungenen Abend das Tour-Shirt für ’nen 40er geholt werden kann. Schöne Erinnerung für Sammler, ansonsten schon recht happig. Der Einlass erfolgt problemlos. Fotopass und Einweisung werden professionell erledigt und so kann ich entspannt, mit ca. sieben Kollegen dem Abend entgegensehen. Sollten Kiss bei mir anklopfen und Bilder wollen, gerne …

Für etwas Verwirrung sorgt der Zeitplan. Zunächst sollte die Vorgruppe um 19:30 Uhr beginnen, dann wurde das auf 20:00 Uhr verlegt. Aber egal wann sie loslegen, Hauptsache ist, dass sie spielen dürfen. Immerhin sind sie persönlich vom Kiss Management als Vorband für Deutschland geladen worden. Das kommt schon fast einem Ritterschlag gleich, wenn die sympathischen Jungs um Frontmann Timmy Rough die Konzerte eröffnen dürfen. Wir werden also gegen 19:20 Uhr im Gänsemarsch durchs Publikum im Infield zum Heiligtum, dem Graben, geführt. Auch dort stehen die üblichen Verdächtigen und so trifft man mal wieder alte Bekannte der Sicherheitsbranche. Und wie soll es anders sein, auch am Absperrgitter erblicke ich den einen oder anderen Bekannten und so fühlt man sich doch gleich heimisch. Die Bühne wird von vier überlebensgroßen Statuen der vier Kiss Musiker eingerahmt und so thronen links und rechts Gene Simmons, Paul Stanley, Eric Singer und Tommy Thayer. Interessant, ein Mitarbeiter verteilt Plektren von Eric Singer, dem Schlagzeuger(?). Auf der breiten und tiefen Bühne haben dann die Rosen Platz für ihr Equipment und das sieht schon überschaubarer aus. Für guten Rock ’n‘ Roll braucht es aber nicht viel und so kommen die vier gut gelaunt auf die Bühne und beginnen mit Nothing Bit Wild, dem Titel ihrer aktuellen, wenn auch bereits zwei Jahren alten, gleichnamigen Platte. Und nun merkt man den Jungs ihre Professionalität an. Ob vor 450 Zuschauern letzte Woche in der Kieler Räucherei (Bericht hier) oder vor gut 10.000 Zuschauern in der großen Halle, sie machen keinen Unterschied. Zunächst wirken sie etwas verloren, aber das machen sie mit Spielfreude und Einsatz wett. Timmy versteht es auch hier, die Zuschauer zu fesseln und ihre Musik spricht für sich. So ist es kein Wunder, dass sie es in kurzer Zeit schaffen, die meisten zu begeistern. Für uns ist leider nach drei Songs Schluss, aber der Beifall, der bis in die hinteren Bereiche der Halle dringt, zeigt, dass sie auch hier punkten können. Mit Thirsty ist dann nach acht Songs bedauerlicherweise Feierabend. Wer eine gesamte Show der The New Roses sehen möchte, der sollte sich den Herbst vormerken, da wird die Rock ’n‘ Roll Show der Rosen als Headlinertour mit neuem Album zu sehen sein. Es lohnt sich bestimmt, und wer weiß, vielleicht sind sie irgendwann mal hier als Headliner vor Zigtausenden Fans. Die Rosen verdienen sich heute mal wieder mehr als nur freundliche Anerkennung. Sie machen das ganz souverän und spielen ihre Songs mit Leidenschaft und voller Energie. Das Publikum, viele ebenfalls mit geschminkten Gesichtern, geht sichtbar mit und lässt sich gerne von den vieren warmspielen. Klar, der heutige Abend steht nun mal im Zeichen des Rockzirkus von Kiss, aber auch The New Roses wissen zu begeistern und passen hervorragend vor den Headliner.

Da ich bereits 2019 in Berlin ihrer Show in der Waldbühne beiwohnen durfte, weiß ich, was kommt. Viel Rauch, Knall und Feuer werden auf uns einprasseln. Verantwortlich für das Spektakel zeichnen die gleichen Macher, die auch die Rammstein Pyro-Show entworfen haben und das bedeutet Hitze. Es folgt die typische Ansage, die vor jedem Konzert kommt: „You Wanted The Best, You Got The Best. The Hottest Band In The World, Kiss geht es nun auch gleich heiß los. Leider darf nur die ersten zwei Songs fotografiert werden, aber immerhin ist einiges an Lightshow dabei. Die Feuerwände sind bis in die hinteren Reihen spürbar und Paul, Gene und Tommy schweben auf Plattformen vom Hallendach. Detroit Rock City eröffnet standesgemäß und vom ersten Moment an haben sie das Publikum. Im Graben ist es eng ob der ganzen Fotografen, Kamerateams und Security Mitarbeitern, aber Bilder gehen, da die Herren sich in bester Pose an den Bühnenrand stellen. Glitzerklamotten, riesige, bestimmt total unbequeme Stiefel, Schminke und wilder Blick geben genau das, was alle hier wollen. Eric Singer thront hinter seiner gewaltigen Schießbude und immer wieder zucken Lichtfinger durch die Halle und über die Menge. Auf den großen Leinwänden werden die geschminkten Gesichter der Band eingefangen, und das faltenfrei, während Gene seine lange Zunge fast um den Mikroständer wickelt. Das ist ein Auftakt nach Maß und es verwundert kaum, dass es die meisten nicht auf den Stühlen hält. Direkt vor der Bühne ist etwas mehr Platz, denn die FOS-Tickets hatten ihren Preis. Paul begrüßt das Hamburger Publikum und das in Deutsch. Dass er etwas mehr kann als nur „Guten Abend Hamburg“ beweist er dann im Laufe des Konzertes immer wieder. Es geht fast nahtlos mit Shout It Out Loud weiter. Da wird bereits das erste Mal lauthals mitgesungen und Paul fordert die Hamburger. „Come On Hamburg“, kreischt er immer wieder ins Mikro. Nach den ersten beiden Songs müssen wir erst mal raus, denn fotografieren ist ab jetzt nicht mehr erlaubt und das Equipment muss aus der Halle. Zum Glück dürfen wir danach wieder rein und das grüne Bändchen erlaubt auch Front Of Stage Plätze. Aber besser sehen kann man von den Rängen und so verfolge ich von diversen Stellen das Geschehen. Viel Licht, gute Stimmung und ein Paul Stanley, der immer wieder seine Entertainerqualitäten beweist. Sei es um die Menge anzufeuern oder den Schweinehund ins Englische zu übersetzen – was Gene Simmons zumindest für die Show nicht versteht, sorgt für Erheiterung. Kollektives Mitsingen wird erneut bei Lick It Up versucht und später bei I Was Made For Loving You vervollkommnet. Bei dem Song steht Paul auf einer kleineren Bühne in der Mitte der Halle, zu der er über die Zuschauer an einem Ring hängend gezogen wurde. Davor hat er noch mal betont, dass es die letzte Tour sein wird und Kiss auch in Hamburg nicht wiederzusehen sein werden. Aber er verspricht wiederzukommen, falls Hamburg ihn rufen sollte und das wurde auch schon mal intensiv geübt. Was natürlich nicht fehlen darf, sind diverse Soli. Da darf sich Eric Singer genauso profilieren, wie die beiden Gitarristen zuvor. Nur ist sein Solo spektakulärer und so wird er mit seinem gesamten Kit in die Höhe gefahren. Es schließt sich das Outro von 1000,000 Years an, wobei der gesamte Track sicherlich auch gefallen hätte. Aber das macht nichts. Der nächste Solist ist dann Gene Simmons, der ebenfalls ein (druck)volles Solo hinlegt, dabei, wie sollte es auch anders sein, kommt das Blut spucken dazu und das wird schön groß auf der Leinwand gezeigt. Wohlige Schauer? Na ja, aber es ist nun mal Teil der gesamten Show und wird einfach erwartet. Ansonsten bieten die Herren einiges für das Geld, auch wenn die Show nach nicht mal zwei Stunden vorbei ist.

Trotzdem wird hier ein Rockspektakel allererster Güte zelebriert. Licht, Nebel. Feuerzungen, Fontänen aus Funken, Zunge, geschminkte Gesichter, riesige Plateaustiefel, Glitzer und Glimmer lassen vieles vergessen machen. So muss Rock ’n‘ Roll funktionieren und das Publikum ist begeistert. Wenn es mal musikalisch nicht ganz passt, dann macht die Pyrotechnik das mehr als wett. Songtechnisch ist ein bunter Strauß gesteckt, der von der ersten Scheibe über Destroyer, Sonic Boom oder auch Psycho Circus reicht. Immer wieder höre ich Laute der Verzückung neben mir, wenn ein neuer Song gespielt wird. Es gefällt schon den meisten. Viele stehen bereits auf den Rängen und überall wird getanzt, geschrien und mitgewippt. Nach Black Diamond ist dann erst mal Schluss, aber es gibt noch eine Zugabe. Der Block beginnt dann erwartungsgemäß mit Beth, wobei Eric Singer am Piano sitzt. Ein etwas ruhigerer Moment, der dann aber dem Fulminanten Platz macht. Es geht weiter mit Do You Love Me und das können die 12.000 nur mit Ja beantworten. Als letzten Song haben sie Rock ’n‘ Roll All Nite im Gepäck und damit verabschieden sich Kiss. Es wird noch mal alles aufgefahren. Links und rechts lassen sich Gene Simmons und Tommy Thayer auf Hebebühnen Richtung Hallendach hieven, während im Hintergrund die restlichen Pyros gezündet werden. Dann muss noch die Gitarre von Paul Stanley dran glauben und in bester Rocker Manier wird diese zertrümmert. Der gewaltige Konfettiregen lässt die Bühne fast verschwinden, wäre diese nicht von den in die Halle züngelnden Flammen hell erleuchtet. Dann ist endgültig Schluss. Paul, Eric, Gene und Tommy verabschieden sich von Hamburg und dann ist das Licht aus.

Das war ein spektakuläres Ereignis, obwohl an der einen oder anderen Stelle die Show die Musik übertönt. Das ist aber egal, denn es war ein schönes Ende. Den Herren sei ihr demnächst anstehendes Rentnerdasein gegönnt, denn immerhin sind die Musiker zusammen 262 Jahre alt. Ein großartiger unterhaltsamer Abend ist vorbei und nicht viele dürften sich ein Tränchen des Abschiedsschmerzes aus den Augenwinkeln wischen. Aber hey, es gibt ja noch Nachwuchs, der da in die zugegebenermaßen riesigen Plateausohlenabdrücke steigen kann.