Rage – Dong Moshbox Open Air am 01.08.2020 auf der Halde Norddeutschland

Wadenkrämpfe und Table Pits auf dem Dongberg

Eventname: Dong Moshbox Open Air

Headliner: Rage

Vorband: Crossplane

Ort: Halde Norddeutschland, Neukirchen-Vluyn

Datum: 01.08.2020

Kosten: 29,99 Euro

Genre: Heavy Metal, Power Metal, Speed Metal, Rock ’n‘ Roll

Besucher: 250 Besucher (ausverkauft)

Veranstalter: Dong Kultur e.V.

Link: https://www.dongopenair.de

Setlisten:

  1. Bring The Fire
  2. Brave New World
  3. In My Veins
  4. Take It Or Leave It
  5. The Battle In Me
  6. I Will Be King
  7. Rollin
  8. Demons
  9. Easy Lay
  10. Dance With The Devil

  1. True (inkl. Intro)
  2. Chasing The Twilight Zone
  3. Shadow Out Of Time
  4. The Price Of War
  5. End Of All Days
  6. My Way
  7. Nevermore
  8. Down
  9. Black In Mind
  10. Wings Of Rage
  11. From The Cradle To The Grave
  12. Let Them Rest In Peace
  13. Don’t Fear The Winter
  14. Straight To Hell
  15. Higher Than The Sky

Ein Konzert!?
Als am 21. Juli die Dong Open Air Veranstalter durchaus kurzfristig den Liveauftritt von Rage auf dem Dongberg, der Halde Norddeutschland ankündigten, erschien dies für mich fast surreal, jedoch war auch für mich sofort klar: Da muss ich hin! Endlich wieder ein Konzert, noch dazu unter freiem Himmel. Bedenken gab es meinerseits erst mal keine, zu verlockend waren die Aussicht und der Gedanke wieder Musik live unter Gleichgesinnten erleben zu können. Noch dazu handelt es sich bei Rage um einen meiner Alltime Faves, seit ich 1988 erstmals über den Song Don’t Fear The Winter auf das Perfect Man Album und die Band gestoßen bin. Und Rage waren es auch, die ich im Februar in der Bochumer Zeche als letzte Band auf der Bühne sehen konnte, bevor SARS-CoV-2 weltweit für das Drücken der Stopp-Taste sorgte. Als Support konnten die Veranstalter mit Crossplane eine weitere Ruhrpott Band verpflichten, die sicherlich auch alleine für ein ausverkauftes Amphitheater gesorgt hätte.

Mit drei Longplayern und einer EP im Gepäck, und der Erfahrung von zahlreichen Liveauftritten ziehen die vier Essener den Dongberg vom ersten Ton an mit ihrem räudigen Rock ’n‘ Roll in ihren Bann. Hier merkt man sofort, dass sowohl Band als auch Fans ausgehungert sind. Schon die erste kürzere Pause nach dem zweiten Song wird für Crossplane-Anfeuerungsrufe genutzt. Sänger und Gitarrist Celli hat die Meute fest im Griff, die ihm bereitwillig folgt, sei es seiner Aufforderung, die alkoholischen Getränke oder die Pommesgabeln zum Himmel zu recken. Vor The Battle In Me fordert er dann zum Aufstehen an den Tischen auf, natürlich nicht, ohne darauf hinzuweisen, dass gemäß der Hygieneauflagen an den Plätzen zu bleiben ist. Nächste Eskalationsstufe hier: Wenn schon alle aufgestanden sind, können die Leute auch zu I Will Be King Circle Pits um ihre Tische veranstalten. Da lässt man sich natürlich nicht lange bitten und es spielen sich abenteuerliche Bilder ab. Während Alex sich die Leads und Soli aus dem Handgelenk schüttelt, scheint Bassist Andrew ein nur noch operativ zu entfernendes Dauergrinsen aufgelegt zu haben. Rampensau Celli schafft es sogar, eine La-Ola-Welle zu organisieren. Drummer Mark muss dann allerdings der langen Pause etwas Tribut zollen und erleidet einen Wadenkrampf. Doch Hilfe naht schnell aus dem Publikum in Form einer mit Magnesium ausgestatteten Zuschauerin. Nach kurzer Unterbrechung kann es weitergehen und nach weiteren drei Songs entlassen Crossplane begeisterte 250 Leute in die kurze Umbaupause.

Fazit zu Crossplane: Geil! Rock ’n‘ Roll will never die – allerhöchstens mal durch eine Pandemie oder einen Wadenkrampf ausgebremst.

Was war das Anfang Mai für ein Schock für mich und sicherlich für auch fast alle anderen Rage Fans: Nach fünf Jahren und drei Alben verkündet Gitarrist Marcos das Ende seiner Tätigkeit bei der Band. Gerade schien man mit dem grandiosen Wings Of Rage und einer ebenso grandiosen Tour einen neuen Höhepunkt in der eigenen Historie erreicht zu haben, da steht – wieder einmal – ein personeller Wechsel an. Für Bandleader Peavey Wagner schien der Ausstieg aber nicht so überraschend wie für die Fans zu kommen, konnte er doch zeitnah mit Jean Bormann und Stefan Weber sogar zweifachen Ersatz und damit eine Rückkehr zum Quartett präsentieren. Stefan konnte man sogar schon bereits vor der Split Bekanntmachung im Rahmen der DaheimDabeiKonzerte als Ersatz sehen. Als Quartett präsentierte man sich dann das erste Mal im Video zur Neueinspielung von The Price Of War bzw. am Mittwoch vor dem heutigen Auftritt als Live-Konserve aus der Balver Höhle im Rahmen des Wacken World Wide.

Wie bei diesem Livestreamfestival, startet man heute mit True vom letzten Output. Und alter Falter: Mit zwei Gitarren und dem gewohnt unglaublich druckvollen Drumming von Lucky klingt das einfach hammermäßig fett. Der Sound ist übrigens, wie auch schon bei Crossplane, spitze. Respekt und Lob an den/die Soundtechniker! Es folgt mit Chasing The Twilight Zone direkt ein zweiter Song von Wings Of Rage, bevor sich Peavey mit den Worten „Was geht ihr Assis?“ erst mal nach dem Wohlbefinden der Anwesenden erkundigt. Anschließend geht es zurück in der Band Diskografie mit drei Songs (darunter auch die genannte Neueinspielung The Price Of War) aus den Quartettzeiten Mitte der 90er-Jahre von den Alben Black In Mind (1995) und End Of All Days (1996). Die „Dongmänners“ sind sichtlich begeistert und singen bzw. grölen lautstark mit. Nach My Way stellt Peavey dann die neuen Jungs vor, mit denen nach langer Zeit wieder alle Bandmitglieder samt aus dem Ruhrpott und in Person des Duisburgers Jean sogar nur einen Katzensprung von der Halde entfernt kommen. The Missing Link feiert heute seinen 27. Geburtstag und wird mit Nevermore live bedacht. Das anschließende Down ist ein Wunsch von Gitarrist Stefan. Als optischen Vergleich zieht Peavey den Musikantenstadl mit dem Anblick der Venue mit den Bänken und Tischen und fordert dann zu Black In Mind zu Table Pits auf. Jetzt wird es so ausgelassen und in meinen Augen zu distanzlos, dass ich mich auf einen Beobachtungsposten etwas abseits des Geschehens verziehe und dabei Zeuge eines unglaublichen Schaubildes werde: Hier werden nicht nur Kreise um die und auf den Festzeltgarnituren, nein es werden Runden komplett um das Amphitheater gedreht und sogar Purzelbäume geschlagen. Ein grandios faszinierendes Schaubild, was aber auch den Frontman, ohne dabei den Spielverderber spielen zu wollen, veranlasst, auf die Moshbox Gebrauchsanweisungen hinzuweisen um „es nicht zu versauen“. Bei der Abrissbirne Wings Of Rage wird Jeans Helikopter durch den bierklebrigen Bühnenboden behindert, das geforderte Kasalla wird natürlich trotzdem während From The Cradle To The Grave veranstaltet. Es folgt mit Let Them Rest In Peace ein weiterer Track von Wings Of Rage, bevor meine „Einstiegsdroge“ Don’t Fear The Winter das reguläre Set beendet. Aber ohne Zugabe geht es natürlich auch heute nicht und wer Rage kennt, der weiß, welche Songs noch fehlen. Da hätten wir Straight To Hell, durch dessen Verwendung im Bully Herbig Film Der Schuh Des Manitu die Herner in Deutschland weltbekannt wurden und der seit Jahren und auch heute wieder krönende Abschluss einer Rage Show Higher Than The Sky.

Fazit zu Rage: So sehr ich das letzte Line-Up und Marcos‚ Gitarrenspiel (und auch die Ronny James Dio-Einlagen) schätze, die zwei Gitarristen stehen der Band sicht- und hörbar gut zu Gesicht, können mich vollumfänglich überzeugen und haben heute – natürlich auch aufgrund der Umstände – für einen unvergesslichen Abend gesorgt.

Ein wahnsinnig geiler Abend auf dem Dongberg mit zwei fantastischen Bands und einem enthusiastischen Publikum. Allen Beteiligten merkte man die Glückseligkeit nach der langen Abstinenz an. Aber man konnte auch beobachten – so toll dies auch alles zu erleben und anzusehen war – dass diese Glückseligkeit in Verbindung mit dem Alkoholkonsum die Leute dazu verleitet, Abstands- und Hygienegebote zumindest aufzuweichen. Da wird noch viel Disziplin von uns allen in Zukunft gefordert, um weitere solche oder gar größere Veranstaltungen zu ermöglichen.

Beide Auftritte kann man übrigens fast vollständig in ordentlicher Qualität auf YouTube finden.