Rose Tattoo und The Wild am 04.08.2019 im Z7 in Pratteln

Nice Boys Don`t Play Rock 'n' Roll

Event: Rose Tattoo European Tour 2019

Headliner: Rose Tattoo

Vorband: The Wild

Ort: Konzertfabrik Z7, Kraftwerkstr. 7, 4133 Pratteln, Schweiz

Datum: 04.08.2019

Kosten: 55,00 CHF AK

Besucher: ca. 900

Genre: Hard Rock, Rock ’n‘ Roll, Street Rock, Blues Rock

Veranstalter: Konzertfabrik Z7 http://www.z-7.ch

Link: https://www.facebook.com/events/1946279305494133/

Die australischen Rock ’n‘ Roll Ikonen Rose Tattoo sind zurück in Europa und haben zum 40-jährigen Jubiläum ihr selbst betiteltes Debütalbum mit im Gepäck. Nur ein Jahr nach ihrem letzten Auftritt stehen die Down Under Boys erneut auf der Z7 Bühne im schweizerischen Pratteln, um mit ihrem dreckigen, kompromisslosen Rock ’n‘ Roll die Tatts Gemeinde zu beglücken. Als Support fungieren zum wiederholten Male The Wild aus Kanada. Grund genug, ein weiteres Mal den Weg über die Grenze anzutreten. Bei meiner Ankunft passend zum Einlass um 19:00 Uhr, ist noch nicht allzu viel los, doch da die Australier in der Schweiz recht beliebt sind, bin ich überzeugt, da geht heute noch einiges.

Mit wenigen Minuten Verspätung geht es dann auch um kurz nach 20:00 Uhr los und ich muss zugeben, ich kenne The Wild eigentlich bisher nur vom Namen her. Somit ist meine Erwartungshaltung im Vorfeld nicht so wahnsinnig hoch, eben eine weitere unbedeutende Supportband, die das Publikum ein wenig auf Betriebstemperatur bringen soll. Offenbar sehen das recht viele aus dem heutigen Publikum so, denn vor der Bühne versammeln sich zunächst vielleicht 150 Leute, während sich der Rest abwartend bei Smalltalk vor den Toren aufhält. Definitiv ein Fehler, denn schon mit dem ersten Song ist schnell klar, man muss die Kanadier nicht kennen, aber wer sie live auf der Bühne erlebt, wird sie lieben. Die vierköpfige Band um Gitarrist und Sänger Dylan Villain gibt von Beginn an Vollgas und das betrifft nicht nur die harten Rock ’n‘ Roll Songs mit Fuck Off Mentalität, sondern die Band explodiert förmlich auf der Bühne. Kräftig, rotzend, treibend geht es zur Sache – eine musikalische Gewalttat. Mit brutalster Gewalt werden Songs wie z.B. Road House, Banger, Six Hundred Sixty Six und Party `Til You`re Dead unter das feiernde Volk gehauen. So ganz nebenbei wird mal eben eine Buddel Jägermeister gekillt, hau wech die Kacke! „We are wild and we are fucking crazy!“ so stellt sich die Band vor und das trifft den Nagel auf den Kopf. Leider bin ich mit der Band gar nicht vertraut, doch die Bandeinflüsse liegen mit AC/DC, Motörhead, Rose Tattoo, Airborne und ZZ Top klar auf der Hand, dazu eine Prise Punk à la Ramones und The Sex Pistols und eine Portion Metal. Whiskey getränkter Blues Rock trifft auf Punk und Metal. Fucking Rock ’n‘ Roll – die Band spielt ihn nicht nur, sondern lebt ihn auf der Bühne! Straighte Riffs treffen auf groovige Rhythmen und gehen direkt ins Bein. Verfeinert wird das Ganze dann noch mit ein paar leckeren Soli von Gitarrist Villain, doch die treibende Kraft ist Reese Lightning an der Schießbude, der wie ein Wilder auf die Felle eindrischt. Im Gegensatz zu vielen anderen Konzerten, wo leider sehr oft Support und Hauptact so gar nicht zusammenpassen, passt es heute musikalisch wie die bekannte Faust auf`s Auge. Nach und nach zieht es immer mehr Zuschauer hinein vor die Bühne und garantiert niemand hat es bereut. Wären heute nicht gerade Rose Tattoo der Hauptact des Abends, so würden die kanadischen Rabauken sicherlich so manch anderem Headliner den Rang abspielen. Doch die Jungs können auch anders als nur Vollgas Rock ’n‘ Roll, denn der eine oder andere Song vermittelt deutlich mehr Blues Feeling, wobei die Gitarren stark im Vordergrund stehen. Nach gut 45 Minuten ist Schluss, doch selten habe ich eine „weitere unbedeutende Supportband“ so agil und überzeugend erlebt, die Jungs werde ich definitiv im Auge behalten.

Danach ist das Publikum bestens aufgeheizt und bereit für die australischen Haudegen von Rose Tattoo, die gegen 21:20 Uhr die Bühne entern und mit Bad Boy For Love in ihr Set einsteigen. Zwischenzeitlich ist es eng vor der Bühne geworden und fast niemand mehr steht draußen vor dem Tor, obwohl dieses weit geöffnet ist und man das Konzert auch von dort verfolgen könnte. Das unterstreicht, welch hohen Stellenwert die Australier hier in der Schweiz innehaben, denn das niemand mehr draußen steht, habe ich hier so auch noch nicht erlebt. Kult-Figur Angry Anderson erscheint in einer alten Latzhose und sieht fast so aus, als würde er gerade von seinem anderen Job auf dem Bau kommen, doch so kennt man ihn ja. Auch der mittlerweile 72-Jährige kommt mit `ner Budel in der Hand und nimmt erst mal einen ordentlichen Schluck, was vom Publikum laut bejubelt wird, bevor er dann zum Mikro greift. Man muss ja schließlich Prioritäten setzen. Das Publikum ist von Anfang an völlig euphorisch bei der Sache und feiert den Rock ’n‘ Roll Opa und seine Band, die heute aus Dai Pritchard (Slide-Guitar), Bob Spencer (Guitar), Jackie James Barnes (Drums) und neben Angry noch aus einer weiteren australischen Kult-Legende besteht, Mark Evans (Bass), der von 1975 bis 1977 an der Seite von Bon Scott für drei Alben bei AC/DC spielte. Das selbst betitelte Debütalbum von 1978, das je nach Region auch als Rock ’n‘ Roll Outlaw oder Rock ’n‘ Roll Outlaws veröffentlicht wurde, feierte sein 40-jähriges und somit steht die Setlist heute auch ganz im Zeichen des Erstlings. Das erste wirkliche Highlight folgt dann auch schon früh mit One Of The Boys, welches lauthals mitgegrölt wird. Die große Action geht hier auf der Bühne natürlich nicht mehr ab, mal abgesehen davon, dass der alternde Frontmann dauernd auf der Bühne rumrotzt, doch den Bühnen-Derwisch erwartet auch niemand mehr von Angry Anderson. Stattdessen überzeugt man mit Routine und cooler Professionalität und natürlich dem typischen Rocksound des australischen Outbacks, ohne Schnörkel und Brimborium. Dem stark tätowierten Glatzenträger merkt man in jedem Moment an, dass er seine Musik, trotz all der Schicksalsschläge, liebt und auch lebt. Übrigens, wer den bösen australischen Oldie bisher noch nicht musikalisch kennenlernen durfte, sofern das möglich ist, der kennt ihn vielleicht noch als Schauspieler, z.B. aus der Rolle als Ironbar, dem Handlanger von Rock/Pop-Ikone Tina Turner in Mad Max III – Jenseits der Donnerkuppel (1985). Spätestens mit Rock ’n‘ Roll Outlaw, welches später von keiner geringeren als Helen Schneider gecovert und in Rock ’n‘ Roll Gypsy umbenannt wurde, steht die Konzertfabrik dann Kopf und die Putzfrauen, die dann später die Schweiß- und Bierpfützen wegwischen müssen, tun mir jetzt schon leid. Etwas mehr Blues kommt dann mit The Butcher And Fast Eddie ins Spiel, mit welchem man aber den Druck keinesfalls rausnimmt. Von Rock ’n‘ Roll Is King bis zur Bikerhymne We Can`t Be Beaten lässt die Setlist kaum noch Wünsche offen, doch mit Nice Boys im Finale bleibt natürlich immer noch Luft nach oben. Danach wird das Publikum in die warme Sommernacht entlassen, doch der Abend wird noch einige Zeit in Erinnerung bleiben. Schade, dass diese Art Konzerte leider langsam ausstirbt.