Sebastian Biesler im Interview zu Ghøstkid

Vom Callboy zum Ghøstkid

Artist: Ghøstkid

Herkunft: Berlin, Deutschland

Genre: Post Trancecore

Label: Century Media / Sony Music

Link: https://www.ghost-kid.de/

Bandmitglieder:

Gesang – Sebastian (Sushi) Biesler
Gitarre – Danny Güldener
Bassgitarre – Stanislaw Czywil
Schlagzeug – Steve Joakim

Time For Metal / Paul M:
Hi Sebastian,
erst mal vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, unseren Lesern einige Fragen zu deinem Soloprojekt Ghøstkid zu beantworten.

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Ja, Danke für die Einladung, es freut mich hier zu sein.

Time For Metal / Paul M:
Sebastian, du bist ja unter dem Namen Sushi bekannt.Bist du jetzt immer noch Sushi oder ist das der ehemalige Sänger von Eskimo Callboy und du hast deine Rolle zu Ghøstkid gewechselt? Und wenn dem so ist oder nicht, wie unterscheiden sich die zwei Personen?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Ja die Frage wird mir oft gestellt, und ich wünschte mir, ich könnte diese Frage auch mal jemandem beantworten. Eigentlich bin ich Ghøstkid, weil das Projekt das Soloprojekt Ghøstkid ist und das mein Künstlername hier ist. Aber ich habe auch nichts dagegen, wenn Leute mich weiterhin Sushi nennen, logischerweise geht Sebastian auch, ich differenziere da nicht mehr. Sushi ist vermutlich der bekannteste Spitzname. Die Rollen sind da nicht wirklich definiert, denn Ghøstkid ist ein Alter-Ego von mir und Sushi ist der kleine Partymacher. Aber beide Personen sind ein Teil von mir und machen mich aus.

Time For Metal / Paul M:
Du musstest ja zwangsweise Eskimo Callboy verlassen, weil du meintest, dass es für dich nicht beide Bands geben kann. Welche Gründe haben für dein neues Projekt gesprochen?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Mit Eskimo Callboy war ich einfach nicht ganz so glücklich und mit der Musik, die wir produziert haben, konnte ich mich auch nicht mehr richtig identifizieren. Dadurch kam dann der Drang, mal wieder etwas Eigenes produzieren zu wollen, was mich wieder mehr erfüllt. Bei Eskimo kam es mir dann nur noch vor wie ein Beruf, den ich ausübe. Der Hauptmotivator „Musik produzieren“ war nicht mehr gegeben und somit war es dann auch nicht mehr das Zuhause, das es mal war. Ghøstkid war dann das perfekte Projekt, welches mir den besten Ausgleich geboten hat. Auch wenn ich viel aufgeben musste, hoffe ich, dass ich das mit Ghøstkid irgendwann erreiche und damit dann auch auf einen längeren Zeitraum glücklich werden kann.

Photo Credits: Angela Regenbrecht

Time For Metal / Paul M:
Für mich ist Ghøstkid ein sehr stimmiges Album. Wie bist du genau vorgegangen bei der Produktion der Platte? Kamen die Ideen spontan oder wusstest du eigentlich im Voraus schon ganz genau, wie welcher Song klingen muss?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Als ich angefangen habe, Songs für Ghøstkid zu schreiben, habe ich gemerkt, dass mir das mehr bedeutet und dieser Prozess hat schon im Tourbus begonnen, als ich noch mit Eskimo Callboy unterwegs war. Ich hatte mir dann schon Song-Skizzen oder einen ganzen Song vorher ausgemalt und habe die dann mit der Band im Studio so ausgearbeitet und verfeinert, bis das Gefühl erreicht war, welches ich mir bei den Tracks vorgestellt hatte. Das Wichtigste dabei war, die Hauptkontrolle zu behalten, um voll und ganz dahinter stehen zu können. Obwohl der ganze Prozess sehr spontan erscheint, war es doch schon länger so geplant und das war sehr erleichternd.

Time For Metal / Paul M:
Ah, das klingt sehr interessant, da muss ich jetzt auch noch gleich weiter fragen, wie es zu den Features kam. Der Sprung zwischen Marcus von Heaven Shall Burn und Timmi von Trailerpark ist ja nicht grade klein. Und diese Gäste haben mich ebenso überrascht wie Milly und Jonny.

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Naja, ich bin ein sehr großer Fan von Features und zu dem Zeitpunkt hatte ich dann schon viele Songs geschrieben, bei denen ich mir dachte, hier muss ein Gastmusiker mit dazu. Denn du kannst zwar viel machen mit den vorhandenen Instrumenten und mit deiner eigenen Stimme, aber wenn ein Gastkünstler bei einem Song mitarbeitet und diesen mitvertont, dann bekommt der Song noch mal seine ganz eigene, besondere Stimmung. Das Ganze wird dann vor allem sehr interessant, wenn Musiker aus einem anderen Genre dabei sind, weil der Song hier von einer ganz anderen Perspektive betrachtet und interpretiert wird. Ich bin sehr froh, dass das Album auch von unkonventionellen Künstlern mitgestaltet wurde.

Time For Metal / Paul M:
Das ist dir auf jeden Fall gelungen, ich stell mir jetzt bloß die Frage, wie hat es This It Not Hollywood zweimal auf das Album geschafft? Gab es sonst keine andere Möglichkeit, die Gastmusiker unterzubringen?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Das erste Feature, was stand, war mit Timmi (Trailerpark) und es geht um die dunkle Seite des Showbusiness. Ich fand die Botschaft hinter dem Track so wichtig, dass ich es extrem wichtig fand, ein deutsches Feature auf diesem Song zu haben, bis mir aufgefallen ist, dass die Aussage auch von internationalem Wert ist. Daraufhin hat sich der Kontakt zu Hollywood Undead aufgetan. Jonny war ebenfalls begeistert von dem Song und ich hatte den Drang, ihn auch auf diesem Song zu haben. Die Dopplung des Songs kommt also daher, dass zwei Künstler aus unterschiedlichen Gruppen ihre ganz eigene Geschichte aus ihrem Musikgeschäft erzählen können und deshalb wurde der Song in zwei verschiedenen Versionen produziert. Ich wollte auch, dass beide Stimmen, beide Künstler gehört werden und es stand am Anfang die Frage im Raum, ob man nicht noch eine weitere Strophe schreibt, die dann von dem anderen Sänger vertont wird. Wenn ich ein Feature auf einem Song habe, dann soll jeder Künstler auch die Chance haben, im Rampenlicht zu stehen und sich präsentieren zu können, ohne dass es aussieht, als müsste man um den besten Platz auf dem Lied kämpfen. Dazu ist aber auch zu erwähnen, dass ich niemals einen Wettbewerb zwischen den beiden Song veranstalten wollte, weil beide Songs in sich selbst mit den eigenen Geschichten der Sänger geschlossen existieren können. Deshalb bekamen auch beide Songs ihr eigenes Video und wurden zur selben Zeit veröffentlicht.

Time For Metal / Paul M:
Die gesamte Idee ist in jeglicher Hinsicht sehr interessant und gut umgesetzt, da möchte ich auch nichts weiter dagegen sagen, weil deine Art, wie du über Gastmusiker denkst, hervorgehoben werden darf. Aber wir müssen jetzt bei dem Thema „Geschichte hinter den Songs“ bleiben. Ich empfinde das Album als sehr emotional. Mit welchen Gedanken bzw. Gefühlen verbindest du die Platte? Sind persönliche Ereignisse in dem Album wiederzufinden oder persönliche Meinungen zu einem Thema, die es wert waren, ausgedrückt zu werden?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Ja, schön, dass du es ansprichst, die ganze Platte ist im Grunde eine Reise durch meinen Kopf. Ich habe sehr viel geschrieben und erst später bemerkt, dass der Text aus dem tiefsten Unterbewusstsein entstanden ist und ich dann auch erst manche Texte oder Ereignisse verstanden habe. Und eigentlich jeder Song beschreibt eine vergangene Situation oder Gedanken, die mich in dieser Phase beschäftigt haben. Aber um das Ganze kurzzuhalten, die Platte ist ein winzig kleiner Teil von mir.

Time For Metal / Paul M:
Welcher Track ist dir am wichtigsten und aus welchen Beweggründen wurde er geschrieben?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Das ist total abgefahren, weil sich jeder seinen persönlichen Liebling auf der Platte raussucht. Ich finde das sehr cool, aber das war so nicht ganz gewollt. Es war so gedacht, dass jeder Track für sich alleine dastehen kann, und offen ist für jegliche Interpretationen. Aber ich möchte nicht sagen, dass ich ein Lieblingslied habe, ich würde eher sagen, dass You & I mein Fokustrack auf dem Album ist, weil dieser Song einen sehr emotionalen Wert für mich hat. Es geht hierbei um eine Person, die im Koma liegt, die man begleitet. Die Person steht mir sehr nahe und diese hatte einen schlimmen Unfall, lag deshalb im künstlichen Koma und obwohl die Person dir nicht antwortet, wenn du ihre Hand hältst und bei ihr bist, kommt es dir so vor, als würdet ihr diese schwierige Zeit zusammen durchstehen. Deswegen auch der Titel You & I, wenn ich mich allein durch diese Zeit geschoben hätte, dann wäre es nicht dasselbe gewesen, er war eine Zeit, die man zusammen überstanden hat, was in dem Video, denke ich, auch verdeutlicht wird. Deshalb verbinde ich mit dem Song auch viel und stelle ihn für mich selbst etwas mehr in den Fokus. Ich finde aber auch, dass der Track sowie das Musikvideo viele Symboliken haben, die auch wieder jeder für sich selbst interpretieren kann, was ich enorm wichtig finde – ich möchte niemandem vorgeben, was er zu denken hat.

Time For Metal / Paul M:
Obwohl Ghøstkid was Neues sein soll und es ja nicht Eskimo Callboy sein soll, finde ich, dass viele Callboy Elemente wiederzufinden sind. War das bewusst, eher aus Versehen oder hat es das einfach gebraucht, um deinen Stil zu kreieren?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Also ich finde es schwer, Ghøstkid einem speziellen Genre zuzuordnen. Ich finde, Eskimo Callboy Elemente sind kaum darin zu finden, aber viele Empfinden das ähnlich wie du. Die Standardaussage von mir ist dann, dass die Leute doch mal überprüfen sollen, ob es nicht einfach nur eine Stimme ist, die mit den Callboys assoziiert wird. Ich habe maßgeblich alle Sachen gesungen oder geschrien und ich denke, dass die meisten einfach alte Erinnerungen haben, und das wird vermutlich auch noch dauern, bis ich voll und ganz für jeden Ghøstkid bin und nicht mehr mit Eskimo Callboy verwechselt werde, was in dem Kontext jetzt auch vermutlich ein wenig doof klingt, weil meine Vergangenheit ist und bleibt nun mal Eskimo Callboy.

Time For Metal / Paul M:
Welche Art des Gesangs gefällt dir mehr, eher ein klarer, verständlicher Gesang oder dämonenartiges Geschreie?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Das ist mir prinzipiell egal, Spaß macht beides, aber es kommt hier einfach auf den Song drauf an. Wenn ein Lied keine Screams benötigt, dann bekommt er auch keine und ich such dann auch nicht passende Stellen, wo man schreien könnte, weil man es von mir kennt. Genauso ist das umgedreht, wenn ein Track die volle Energie benötigt, dann fang ich verständlicherweise nicht an, ruhig und gelassen vor mich hin zu musizieren, sondern stehe fest auf dem Boden und brülle in das Mikrofon. Es kommt einfach, wie es kommt. Es muss am Ende einfach passen und den Text ausdeuten und darf den Song dadurch nicht in falsche Richtungen schieben.

Time For Metal / Paul M:
Welche Bands haben dich auf der Reise des neuen Albums inspiriert?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Bring Me The Horizon sind für mich ein Vorbild, weil mich fasziniert, wie ihre Songs arrangiert sind und die Herangehensweise immer wieder variiert. Mir kommt es so vor, als würden sich Bring Me The Horizon jedes Mal neu interpretieren. Das Faszinierende dabei ist, dass man nie weiß, was einen bei einem neuen Song erwartet, da sehr viel ausprobiert wird. Dieses „nicht festlegen“ war unter anderem eine große Inspiration für mich. Neben der Band war aber auch Mailyn Manson ein großes Vorbild für mich und die Mischung aus den Bands macht es für mich aus. Kein Song ist aber speziell von einem Künstler inspiriert, es war mehr so ein Zusammenspiel von Situationen, Ideen und Ereignissen, die für meine Inspiration verantwortlichen waren.

Time For Metal / Paul M:
Das heißt, das nächste Album wird nicht mehr von Ghøstkid produziert, sondern von Mondchild oder Sunboy und wir dürfen gespannt bleiben, in welche Richtung das zweite Album gehen wird. Oder denkst du, dass du dein Genre schon gefunden hast?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Ja genau, warum denn auch nicht, das muss ich mir auf jeden Fall merken. Aber das ist schwer zu sagen, ich finde, ich habe meinen Sound gefunden. Für mich geht es jetzt mehr darum, wie ich den Klang, die Stimmung verfeinern kann. Das Grundgerüst ist jetzt gesetzt und darauf möchte ich in Zukunft gerne aufbauen. Es gibt viele verschiedene Methoden, dies zu tun, mit denen ich gerne experimentieren möchte.

Time For Metal / Paul M:
Beschreibe das Projekt Ghøstkid mit wenigen Worten.

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Das Ganze ist alles sehr persönlich geworden, auf jeden Fall sehr nah an mir dran, als Mensch, Künstler und so weiter. Insgesamt ist es sehr düster und rotzig und man kann dazu auch nicht mehr sagen – hört es euch einfach an.

Time For Metal / Paul M:
Das Cover, wie kam es zu diesem Gebiss?

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Also das hat mein Bassist (er ist Tätowierer) gezeichnet und ich wollte irgendetwas Symbolisches haben, was repräsentiert, was ich hier mache. Das Gebiss hat sich einfach gut angefühlt, genauso wie der Name Ghøstkid. Und das Zusammenspiel zwischen den beiden funktioniert in meinen Augen sehr gut und drückt genau das aus, was dahintersteckt. Ich denke auch, wenn man das Gebiss sieht, weiß man, dass es zu jedem Song auf der Platte passt.

Time For Metal / Paul M:
Der Hintergrund gefällt mir sehr, das zeigt schön auf, dass nicht alles kompliziert überdacht werden muss. Aber dann sind wir jetzt auch schon fertig. Sushi vielen Dank für das Interview, ich wünsch dir auf jeden Fall noch viel Erfolg mit deinem jungen Projekt und hoffe, man sieht in naher Zukunft auf irgendeiner Bühne den Ghøstkid live performen.

Ghøstkid / Sebastian Biesler:
Ja, vielen Dank, hat Spaß gemacht – Tschau.