Simply Red am 11.07.2023 in der Kieler Wunderino Arena

Eine ausverkaufte Zeitreise mit der britischen Kultband

Event: Summer ´23

Band: Simply Red

Ort: Wunderino Arena, Kiel, Schleswig-Holstein

Datum: 11.07.2023

Kosten: Sitzplatz € 108 / € 98 / € 88 / € 78 / € 68; Stehplatz € 48

Zuschauer: geschätzt 7.000 (Ausverkauft)

Genre: Soul, Rock, Pop-Rock

Link: https://www.simplyred.com/

Setliste:

  1. Better With You
  2. Thrill Me
  3. Fake
  4. A New Flame
  5. Night Nurse
  6. Shades 22
  7. Holding Back The Years
  8. It’s Only Love Doing Its Thing
  9. Your Mirror
  10. Stars
  11. Sunrise
  12. Just Like You
  13. Come to My Aid
  14. Ain’t That A Lot Of Love
  15. Thinking of You
  16. Something Got Me Started
  17. Fairground
    Zugabe:
  18. Money’s Too Tight To Mention
  19. Nutbush City Limits (Ike & Tina Turner cover)
  20. If You Don’t Know Me By Now

Wer so alt ist wie ich, ist mit drei Fernseh- und zwei Radiosendern in der Jugendzeit aufgewachsen. Natürlich dudelte da den ganzen Tag Pop und Ähnliches aus dem Äther. Simply Red gehörten Mitte der 80er bis Mitte der 90er einfach immer dazu. Ihr letztes Konzert 1996 in der Kieler Ostseehalle ist mir noch in Erinnerung.

Simply Red in Kiel 2023; Quelle SHMF; Copyright Maike Keller

Das Schleswig-Holstein Musikfestival hat es geschafft, mit dem Themenschwerpunkt London die britische Band auf ihrer Summer ´23-Tour wieder in die Ostseehalle zu holen. Allerdings steht jetzt mit Wunderino-Arena ein anderer Name an der Außenwand. Als Beginn steht 19:30 Uhr auf dem Ticket. Bei für Kieler Verhältnissen ungewöhnlich heißen 29 Grad Außentemperatur ist die Halle bereits eine Stunde vor Beginn gut gefüllt und die Getränkestände umlagert. Das Publikum setzt sich, wen wundert es, zumeist aus den Jahrgängen 1960 bis 1970 zusammen. Als Special Guest auf der Tour sind ClockClock angekündigt. Das Mannheimer Elektropop-Trio ist heute allerdings nicht dabei, die Bühne ist schon für den Hauptact bereit. So startet die Veranstaltung dann auch verspätet um 20 Uhr, um den Abend zu strecken. Eigentlich hätten Simply Red erst um 21 Uhr spielen sollen, nun fehlen die 45 Minuten Stagetime der Supportband.

Simply Red spielen einen eigenen Stil, der sich aus Rock, Reggae, Soul und Funk zusammensetzt. Basierend auf der Haarfarbe des Sängers Mick Hucknall benannte er auch seine Band so. Einfach Rot. Die Band bestand schon immer aus wechselnden Musikern. Als einzige Ausnahme muss man Keyboarder und Saxofonist Ian Kirkham nennen. Er kam zwei Jahre nach Bandgründung und ist noch immer dabei.

Mick Hucknalls Haare sind immer noch rot. Zwar nicht mehr so leuchtend wie früher, aber immerhin. Mit dem Opener Better With You, Simply Reds neuester Single vom neuen Album Time, beweist er sofort seine Gesangsqualität. Stimmlich ist der mittlerweile 63-Jährige noch voll da. Die glasklare Stimmgewalt ist heute noch genauso brillant und präsent wie in den besten Jahren. Gespielt werden ausschließlich Singles aus dem Machwerk der Band zwischen 1985 und 2003 sowie einige nagelneue Songs. Bereits beim zweiten Song Thrill Me von 1991 beweist Ian Kirkham, dass nicht nur Mick Weltklasse ist, sondern auch in der sechsköpfigen Band das Know-how steckt. Sein Saxofonsolo hat es in sich. Es sind gerade einmal knapp 20 Minuten gespielt, da steht auch der Rest der Halle und der hartnäckigste Sitzenbleiber gibt seine „Ich hab‘ aber Sitzplatz bezahlt“-Meinung auf. It’s Only Love Doing Its Thing, das Barry White Cover von 1989, das gefühlt jeder in der Halle mitsingen kann, ist der Auslöser. Zwei Videowände an den Seiten und eine Menge buntes Licht sind der einzige Aufwand an Technik. Star ist die Band und das zeigt sie auch. Ob Hucknalls Mimik bei Your Mirror, bei der er sich selbst nicht ernst nimmt oder kurze Soloparts, bei denen er das Bandmitglied in den Vordergrund holt.

Simply Red in Kiel 2023; Quelle SHMF; Copyright Maike Keller

Selbst ein Trompetensolo bei Just Like You, einem Song aus dem neuen Album, wird vom Publikum gefeiert. Jeder versucht auf seinen paar Quadratzentimetern besonders zu den großen Hits wie Stars oder Come To My Aid zu tanzen und mitzusingen. Spätestens nach einer Stunde, bei dem 99er Homer Banks Cover Ain’t That A Lot Of Love ist alles am Feiern. Die Klimaanlage hat schon lange die Leistungsgrenze erreicht und zeigt keinerlei Wirkung mehr. Das dankbare Publikum feiert alle Songs ab, bevor mit den letzten Tönen von Fairground das Konzert nach 77 Minuten zu Ende scheint. Natürlich holt das Publikum die Band noch einmal aus den Katakomben. Money´s Too Tight (To Mention), das Valentine Brothers Cover von 1985, hatte ich schon gar nicht mehr auf der Pfanne. Die Überraschung folgt dann mit Nutbush City Limits. Nach dem Ike und Tina Turner Cover vergibt er einen Kuss und ein Dankeschön an die erst kürzlich verstorbene Queen of Rock ’n‘ Roll. In aller Ruhe filmt Mick dann erst einmal das Publikum im weiten Rund der Ostseehalle, Verzeihung, Wunderino Arena. „Wollt ihr noch einen?“, fragt er in Deutsch und bekommt natürlich die passende Antwort. Dass die Ballade If You Don’t Know Me By Now auch ein Cover ist, wussten wahrscheinlich die wenigsten. Harold Melvin & The Blue Notes zeichnen für die Originalversion verantwortlich, bevor Simply Red den Song 1989 zu einem Welterfolg machten. Heute singt die Halle den gesamten Text mit und gibt dem Konzert einen besonderen Ausklang.

Die Uhr zeigt 21:35 Uhr. Viel zu früh für einen denkwürdigen Konzertabend. Ich lasse mir die Setliste des Abends geben und entdecke dabei allerlei Prominenz der Landesregierung ebenso wie den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Kubicki in den vorderen Reihen. Während in der Halle die wenigen noch geöffneten Getränkestände mit Becherrücknahmen überfüllt sind, lässt es sich in der norddeutschen Sommerhitze in einem Biergarten deutlich besser aushalten. Zumal hier auch die Preise annehmbarer sind. Im Biergarten gegenüber wird heiß diskutiert: War die Stimme original oder hat die Technik nachgeholfen? So dermaßen rein und makellos ist über die Konzertdauer schon fast unwahrscheinlich.

Fazit: Auch wenn Simply Red nicht gerade Metal sind, war es schön, einen Ausflug der anderen Art in die Achtziger machen zu dürfen. Sie waren ein Stück Alltagskultur, bevor die Kutte mit AC/DC, Saxon oder Iron Maidon verziert wurde. Ich war nicht der Einzige an diesem Abend, der mit diesem Gedanken dabei war. Beim obligatorischen Rundgang durch den Umlauf der Halle traf ich viele, die man sonst auf den harten Konzerten findet. Mancher war vielleicht auch nur wegen seiner Frau da …