Agent Fresco – Destrier

“Ein überirdisch gutes Gesamtkunstwerk.“

Artist: Agent Fresco

Herkunft: Reykjavik, Island

Album: Destrier

Spiellänge: 52:24 Minuten

Genre: Progressive Rock

Release: 07.08.2015

Label: SPV / Long Branch Records

Link: https://www.facebook.com/agentfresco und http://www.agentfresco.is

Bandmitglieder:

Gesang – Arnór Dan Arnarson
Gitarre, Piano, Programmierungen – Þórarinn Guðnason
Bassgitarre, Kontrabass – Vignir Rafn Hilmarsson
Schlagzeug, Percussion – Hrafnkell Örn Guðjónsson

Tracklist:

  1. Let Them See Us
  2. Dark Water
  3. Pyre
  4. Destrier
  5. Wait For Me
  6. Howls
  7. The Autumn Red
  8. Citadel
  9. See Hell
  10. Let Fall The Curtain
  11. Bemoan
  12. Angst
  13. Death Rattle
  14. Mono No Aware

Agent Fresco - Destrier

Laut der Encyclopedia Metallum gibt es auf Island 58 aktive Metalbands, eine davon ist Agent Fresco. Bislang sind sie leider komplett an mir vorbeigegangen, und ich bin fast schon froh, dass sie seit ihrer Gründung nur ein Album veröffentlicht haben, nämlich A Long Time Listening aus dem Jahr 2010. Da brauche ich also nicht allzu lange, um die komplette Discographie gehört zu haben. 😀 Nachdem A Long Time Listening nur begeisterte Kritiken eingefahren hat und Agent Fresco auf diversen Festivals und Shows von allen für Ihre äußerst intensiven Shows mit Lob überhäuft wurden, ging man dann an die Vorbereitungen zum neuen Album.

Die Geschichte zu dem Album ist allerdings nicht schön. Vor einigen Jahren wurde Arnór Dan Arnarson körperlich angegriffen und trug ziemlich schwere Verletzungen davon. Er wollte den zurückgebliebenen Zorn und die Angst in den Songs verarbeiten, was ihn aber in einen Teufelskreis und zu psychischen Problemen führte, mit denen er immer noch kämpft. Auch der Titel des Albums Destrier hängt mit dieser Geschichte zusammen, denn ein Destrier war im Mittelalter ein Kriegspferd, das nur für die Schlacht gezüchtet wurde.

Zunächst einmal ein ganz dickes Kompliment an die Plattenfirma für den beigefügten „Waschzettel“ mit Infos zur Band und zum Album. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich diesen Text im Grunde komplett kopieren und in mein Review einfügen könnte! Der Text schafft das, was im Grunde unmöglich ist, nämlich ansatzweise zu beschreiben, was auf dem Album Destrier, das am 07.08.2015 erscheinen wird, passiert.

Das erste, was mir nach dem ohrenzerfetzenden Beginn von Let Them See Us auffällt, ist natürlich der Gesang von Arnór Dan Arnarson. Mich erinnert er ein ganz klein wenig an Beukes Willemse von der Band Livingston. Aber hier liegt noch eine so unendliche Melancholie und Sehnsucht im Gesang, dass ich nahezu das komplette Album regungslos unter meinen Kopfhörern zubringe, um ja keinen Ton zu verpassen. Es ist nämlich bei weitem nicht so, dass sich hier Hoffnungslosigkeit breit macht, im Gegenteil, das Herz weitet sich und der Blick wird klar. Jetzt aber genug Geschwafel!

Wie ich schon schrieb, ist es im Grunde unmöglich, auch nur ansatzweise zu beschreiben, welche Klangwelten Agent Fresco auf Destrier erschaffen. Mich erinnern sie in ihrer Kreativität sehr an ihre Landsmännin Björk, die ja auch keine Genregrenzen kennt. Eben noch rockig, dann sehr getragen, plötzlich ein kurzer Ausflug zum Jazz. In einem Moment wippt mein Fuß mit, ich bin kurz davor, mit den Fingern zu schnipsen. Und von jetzt auf gleich prasseln sämtliche Töne anscheinend völlig unkoordiniert auf mich ein. Das oben genannte Genre könnte man noch ergänzen um Post Rock, Alternative Rock, Djent und trifft es doch trotzdem nicht.

Die Songs erinnern mich irgendwie an die Stationen, die ein Fluss von der Quelle bis zur Mündung durchläuft (nein, ich rede jetzt nicht von Die Moldau von Friedrich Smetana, das war Musikunterricht Realschule). Erst ist es ein Rinnsal, das sich stetig verbreitert und zu einem schmalen Fluss wird. Der Fluss wird breiter, es kommen die ersten Windungen und auch Stromschnellen, vielleicht sogar ein Wasserfall, den das Wasser schäumend und Gischt produzierend herabstürzt. Dann geht es vielleicht sogar wieder ruhiger weiter, und irgendwann ist dann die Mündung erreicht, und das Wasser fließt in das große Meer. Manchmal ist die Oberfläche spiegelglatt, im Sturm türmen sich plötzlich meterhohe Wellen auf, die alles mit sich in die Tiefe reißen. Aber hier ist nichts Aggressives dabei, das ist einfach der Lauf der Welt, das Werden und Vergehen.

Den sehr kurzen Song Angst möchte ich noch besonders erwähnen, da er in herausragender Weise diesen Zwiespalt zwischen Angst und Zorn in Noten fasst. Zunächst das lähmende und verwirrende Gefühl der aufsteigenden Angst, die sich mit zunehmender Dauer langsam aber unaufhörlich in eine unbändige Wut verwandelt und dann in Raserei gipfelt. Hier hat die Instrumentalfraktion auch mal eine besondere Erwähnung verdient, die eine Glanzleistung abliefert. Wobei es sich mir ja sowieso nie erschließen wird, wie man so etwas komplexes, sich ständig Wandelndes überhaupt in Noten und Worte fassen, geschweige denn, dann auch noch vortragen kann. Ich kann nur immer wieder meinen imaginären Hut ziehen!

Fazit: Ich mag es gar nicht, wenn mir zu einem Album die Worte fehlen, um zu beschreiben, was ich da höre. Aber bei diesem Album muss ich es leider hinnehmen. Wer grundsätzlich schon mal gern Progressive Rock in all seinen alten und neuen Spielarten hört, dem kann ich dieses Meisterwerk nur wärmstens ans Herz legen. Hier gibt es tatsächlich noch was Neues zu entdecken und schönen Gesang gibt es auch auf die Ohren!

Anspieltipps: Tut Euch einen Gefallen, und hört das Album komplett durch!
Heike L.
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