Tribulation – Where The Gloom Becomes Sound

Schlagen ein neues melancholisches Kapitel auf, um ihre eigenen Köpfe wie Rammböcke durch die Wand zu drücken

Artist: Tribulation

Herkunft: Arvika, Schweden

Album: Where The Gloom Becomes Sound

Spiellänge: 48:23 Minuten

Genre: Melodic Death Metal, Death Metal

Release: 29.01.2021

Label: Century Media Records

Link: https://www.tribulation.se/

Bandmitglieder:

Gesang, Bass – Johannes Andersson
Gitarre – Jonathan Hultén
Gitarre – Adam Zaars
Schlagzeug – Oscar Leander

Tracklist:

  1. In Remembrance
  2. Hour Of The Wolf
  3. Leviathans
  4. Dirge Of A Dying Soul
  5. Lethe
  6. Daughter Of The Djinn
  7. Elementals
  8. Inanna
  9. Funeral Pyre
  10. The Wilderness

Auf dieses Album warte ich persönlich tatsächlich schon länger. Down Below ist zwar gerade einmal gut drei Jahre alt, aber irgendwie braucht man neuen Stoff aus der Zauberschmiede Schwedens, wenn es darum geht, Death Metal in einen melodischen wie pechschwarzen wie mystischen Mantel zu wickeln. Tribulation gehen ihren ganz eigenen Weg. Progressive Melodien greifen in atmosphärische Elemente, die trotzdem tödlich die Bluthirnschranke passieren. Live immer wieder ein Killer – egal ob auf der großen Party.San Stage oder auf einer kleinen Bühne in der Region: Die Skandinavier machen einen Auftritt zum Manifest. Im Dezember der Schock: Jonathan Hultén wird das letzte Mal auf einem Langeisen der Truppe zu hören sein. Aus persönlichen Gründen hat der Hexer an den Saiten seinen Dienst quittiert und gibt auf Where The Gloom Becomes Sound einen fast 50 Minuten starken Abschied. Ersetzen wird Jonathan an der Gitarre Joseph Tholl, der auf den zehn Stücken noch keinen Platz gefunden hat. Ihrem Label bleiben sie treu und hissen abermals die Flagge von Century Media Records hoch in die Luft.

Langsam kriecht die Nässe empor. In Remembrance wurde nicht als einfaches Intro beschworen, in über sechs Minuten geht es nach dem langsam beginnenden Intermezzo ordentlich zur Sache. In dem Augenblick, in dem die Gitarren einsetzen, wird man regelrecht in den Sessel gedrückt. Fuck, Tribulation agieren noch bösartiger, teuflischer und zielstrebiger als eh schon bei den letzten beiden Werken. Zwischen The Children Of The Night und Down Below einen Favoriten ausmachen zu müssen, ist ein schweres Unterfangen. Ich will hier noch nicht alles verraten, aber Where The Gloom Becomes Sound zieht an beiden vorbei und geht unangefochten an die Spitze der Diskografie. In Remembrance durchdringt jedes Gewebe – dieses geschieht nicht übertrieben brutal, sondern mit einer Hinterlist, die Tribulation zu einem unberechenbaren Monster macht. Die rockigen Riffs greifen in vielseitige Gitarrenarbeit. Refrains können die vier Jungs aus Arvika und setzen diese als Waffe ein. Viele Headbangpassagen machen den Opener bereits zum Killer.

Was kann da noch kommen? Wie will der charismatische Sänger und Bassist Johannes Andersson das Niveau halten? Als Erstes mit Hour Of The Wolf. Wispernd dringen die Vocals aus den schweren Schatten in die Ohren. Schwermütig schrammen die komplexen Strukturen am Doom vorbei. Schwermütigkeit legt die Bewegungen lahm. Träge vom Cocktail aus melodiöser Gehirnwäsche und teuflischer Selbstzerstörung schleppt das Quartett den neuen Silberling auf die Siegesstraße. Zwei gute Songs machen noch kein episches Werk aus. Das stimmt, darum rappelt es mit Titel Nummer drei, Leviathans, gleich wieder im Karton. Bloß nichts anbrennen lassen. Angst davor müssen Adam Zaars an der zweiten Gitarre und  Schlagzeuger Oscar Leander weiß Gott nicht haben. Den roten Faden einmal gespannt, läuft es wie an einer Perlenkette. Die Hitdichte kann man als beängstigend betiteln. Das Abschütteln von auferlegten Tugenden hat Tribulation in den letzten Jahren wahrlich gutgetan. Keine Ketten können die Schweden halten. Völlig frei und losgelöst agieren sie in einer eigenen Liga, um einen emotionalen Death Metal zu manifestieren, den man nicht kopieren kann. Dirge Of A Dying Soul erinnert anfänglich an alte My Dying Bride Klangfolgen. Es bricht die Schale und es kommt ein nicht ganz so schwerer Hit aus der Büchse. Verstecken muss man ihn jedoch nicht – er bringt uns in die Zwischensequenz Lethe mit einem düsteren Klaviersound.

Ab in den Death & Roll mit Daughter Of The Djinn. Die Schlinge zieht den Hals zu. Erschlagende Rochaden greifen nach der Kehle. Tod, nichts als Tod sprudelt aus der Feder. Klebrig verteilt der leblose Körper die rote Lebensflüssigkeit, während Tribulation gnadenlos mit Elementals und Inanna weiterziehen. Erster geht in die Region Melancholia vom The Children Of The Night Langeisen. Stecker ziehen und noch einen Gang herunterschalten. Mit Inanna nehmen die Haudegen gleich zwei Gänge heraus. Kraftvolles Einschieben der Vocals von Johannes Andersson gehört zu seinem Steckenpferd, welches schamlos ausgenutzt für Gänsehaut sorgt. Es gibt keine Pause, Funeral Pyre setzt da an, wo die anderen Nummern aufhören. Ein flinkerer Ritt durch unwegsames Gelände bringt Tribulation nach neun Titeln dem Finale näher.

Gespenstische Stimmung zum Abschied sorgt für einen Paukenschlag. Ein Feuerwerk angekündigt kann The Wilderness den Anspruch zu 100 Prozent auf die Zielgerade lenken. Im Abschluss kombinieren Tribulation alles, was die Skandinavier einzigartig macht. Wer noch nie zugegriffen hat, muss dieses spätestens jetzt nachholen. Die Gitarren dringen bis zu Gott in die für viele Menschen heiligen Regionen, um ihm die Jungfrau Maria zu enteisen und den letzten Gnadenstoß zu geben.

Tribulation – Where The Gloom Becomes Sound
Fazit
Für mich das erste große Highlight im Musikkalender 2021. Tribulation bleiben ihrem Stiefel treu, können ihre gute Performance der letzten Alben bestätigen und zaubern eine schwarze Krone aus dem Sack, die sie nur zu genüsslich auf ihrem eigenen Haupt platzieren. Welche Schande, dass Jonathan Hultén in diesem Zeitpunkt des Erfolges die Band verlässt. Viel haben die Schweden dem vielseitigen Gitarristen zu verdanken. Das neue Tribulation Kapitel wurde krachend aufgeschlagen und die Zukunft, auch ohne Herrn Hultén könnte nicht rosiger aussehen. Während wir weiter leiden und die heißgeliebten Konzerte vermissen, bringt uns Where The Gloom Becomes Sound auf andere, nicht weniger düstere Gedanken!

Anspieltipps: In Remembrance und Leviathans
René W.
9.8
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