Das Interview mit Triggerfinger am 23.11.2017 im Gebäude 9 in Köln während ihrer Colossus Tour

Artist: Triggerfinger

Herkunft: Antwerpen, Belgien

Genre: Alternativ Rock, Bluesrock, Avantgarde Rock

link: https://www.triggerfinger.net/

Bandmitglieder:

Gesang, Gitarre – Ruben Block
Bassgitarre – Paul Van Bruystegem
Schlagzeug – Mario Goossens

Heute Abend bin ich beim Konzert von Triggerfinger im Gebäude 9 in Köln und werde ein Review darüber machen. Für den Nachmittag wurde ein Interview für 15:50 Uhr im Veranstaltungsgebäude vor dem Soundcheck vereinbart. Kurz vor 15:50 Uhr bin ich dann vor dem Gebäude 9. Alles verschlossen. Vor dem Veranstaltungsort steht ein schwarzer Bus mit belgischem Kennzeichen. Also müssen Triggerfinger da sein, so vermute ich. Kaum den Gedanken abgeschlossen, klingelt mein Handy. Tourmanager Tom ist am anderen Ende und er fragt mich, wo ich sei. Vor der Tür sage ich. Noch im Gespräch kommt er raus, begrüßt mich und führt mich Backstage zu den drei Jungs von Triggerfinger, die bereits warten.
Draußen auf der Bühne wird auch schon etwas am Sound herumgebastelt. Tom fragt mich, wie ich das Interview machen möchte. Ich entgegne ihm: am liebsten auf Voicerecorder. Ok sagt er, dann sorgt er dafür, dass es nicht zu laut wird und wir uns unterhalten können.
Wir sitzen Backstage im Gebäude 9 an einem Tisch. Ich auf der einen Seite und Ruben, Mario und Paul auf der anderen Seite.

Time For Metal / Jürgen Simon

Hallo freut mich, mit euch heute ein Interview machen zu können. Colossus ist euer fünftes Album. Ist da ein Unterschied zu den anderen Alben? Was ist neu, was ist der Unterschied?

Triggerfinger / Ruben

Was denkst du?

Time For Metal / Jürgen Simon

Also ich denke, es ist ein klasse Album. Ich habe es mir angehört und habe für Time For Metal ein Review gemacht (9 von 10 Punkten). Ich denke, da ist mehr Sampling als in den anderen Alben.

Triggerfinger / Ruben

Ja genau. Wir haben die Instrumentierung etwas anders gemacht. Die Instrumente sind nicht so unterschiedlich jetzt, aber wir nutzen bei diesem Album Saxophon, Keyboard, Orgel. Für uns ist es wirklich schwierig zu sagen, was jetzt genau anders ist. Ja wir wollten was machen. Sagten uns jetzt aber nicht, das und das muss jetzt anders sein. Wir hatten eigentlich nur das Ergebnis vor Augen, was wir machen wollten. Für uns ist es schwierig zu sagen, was der Unterschied zu den anderen Alben ist.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja ich denke, eigentlich ist jedes Album von euch unterschiedlich, nicht immer alles nach dem gleichen Schema.

Triggerfinger / Ruben

Ja Jürgen, ganz genau so ist es. Absolut!

Time For Metal / Jürgen Simon

Ich kenne manche Bands, da klingt jedes Album gleich. Aber für mich klingt jedes Album von euch anders.

Triggerfinger / Ruben

Ja so ist es. Schön, dass du das sagst. Jeder von uns hatte halt verschiedene Optionen, was und wie wir es spielen wollten. Wir probten aber auch nicht zu viel. Wir diskutierten mit Mitchell (Anmerkung: Mitchell Froom / Produzent des Albums). Der sagte, dann probt nicht zu viel, lass es uns einfach tun.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ihr rockt die Clubs und die Festivals seit fast 20 Jahren. Wie ist es möglich das so lange Zeit zusammen zu tun?

Triggerfinger / Ruben

Das ist eine gute Frage!

Triggerfinger / Paul

Also die Jahre sind wirklich schnell vorbei gegangen. Irgendwie, als wenn du ins Bett gehst und am nächsten Morgen sind auf einmal 20 Jahre vorbei. Vor mir war da ja noch die ersten Jahre ein anderer Bassist.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja genau, das habe ich irgendwo gelesen, dass da zuerst noch ein anderer Bassspieler war und du Paul später erst dazu gekommen bist. Wann war das?

Triggerfinger / Paul 

Also die ersten drei Jahre war der andere Bassspieler da, dann bin ich dazu gekommen. Also sind es bei mir erst 17 Jahre. Es kommt mir so vor, als ob das erst gestern gewesen ist. Der Tag an dem Ruben mich gefragt hat, ob ich nicht Teil der Band werden möchte. Ich kann es gar nicht glauben, dass das schon so lange her ist. Wir arbeiten richtig hart, spielen viel zusammen. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Wir spielen 50 Konzerte und wir denken, jetzt ist die Tour zu Ende, aber da startet die nächste schon wieder. Das ist wirklich seltsam.

Time For Metal / Jürgen Simon

Fünf Studioalben und drei Livealben habt ihr bisher rausgebracht. Ihr seid bekannt als richtig gute geile Liveband. Ist ein neues Livealbum in Planung? Eventuell von dieser Tour? Das letzte Livealbum ist von 2011, also schon eine Weile her. Da müsste doch jetzt was kommen, oder?

Triggerfinger / Ruben

Wer weiß?

Triggerfinger / Mario

Wir haben so viel Material von Livegigs, das wir die letzten Jahre mitgeschnitten haben. Sodass wir 10 Livealben machen könnten. Wir haben uns auch schon Gedanken darüber gemacht. Auch in den letzten paar Tagen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Schneidet ihr jedes Livekonzert mit?

Triggerfinger / Ruben

Nein.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ich weiß, dass Frank Zappa früher wirklich jedes Konzert, das er gespielt hat, mitgeschnitten hat.

Triggerfinger / Ruben

Nein, nein. Das machen wir nicht. Er hatte bestimmt auch das Geld und das Budget dafür. Denke ich mal. Nein das haben wir aber nicht.

Triggerfinger / Mario

Am Ende dieser Tour haben wir 3 Shows in Amsterdam und 2 Shows in Brüssel. Das sind Veranstaltungsorte, wo man so was wie ein Livemitschnitt machen könnte und auch die Gelegenheit hätten so was zu machen. Schauen wir mal.

Time For Metal / Jürgen Simon

Was macht so den Unterschied, zwischen der Studioarbeit und Livegigs zu spielen?

Triggerfinger / Ruben

Du erstellst, machst die Songs im Studio. Für ein Livekonzert machst du natürlich auch die Songs. Aber die sind ja schon vorher entstanden und gemacht worden. Klar, du arrangierst sie anders, aber das Material ist schon da.

Da ist vor allem eine andere Dynamik im Studio. Du schaust nach Ideen, die du in die Musik einbringen kannst. Du schaust danach, was du in die Songs mit einbringen kannst. Live bringst du es dann nochmals raus, das Zusammenspiel muss klappen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wie lange braucht ihr zwischen der Aufnahme und es dann live auf Konzerten zu spielen?

Triggerfinger / Mario

Das Album zu machen dauert einen Monat oder auch zwei Monate. Dann wird es veröffentlicht und du beginnst mit dem Proben, damit du es auch live machen kannst. Du probst und probst und machst dir eine Setlist. Dann müssen die Songs zusammenpassen. Dann gehst du hin und nimmst Songs raus, dafür andere wieder rein. Manchmal veränderst du nur Details an den Songs. Dann bist du unterwegs, stellst beim Soundcheck oder nach dem Konzert fest, wir müssen die Setlist doch anders machen. Live zu spielen ist ein dauernder Prozess. Du versuchst immer wieder was Neues. Du tust es, oder stellst es um.

Time For Metal / Jürgen Simon

Spielt ihr nächstes Jahr Festivals, oder ist nach der Tour erst mal Schluss? Was plant ihr?

Triggerfinger / Mario

Nein, noch ist nicht Schluss mit dem Touren. Wir sind ja noch das Album am Promoten. Ende Januar geht es wieder auf Tour. Festivals sind noch nicht geplant. Aber du weißt nie, wie es kommt. Da kann hier und da auch mal ein Gig dazukommen. Aber warten wir mal ab, wie es läuft. Ganz vorplanen kannst du in dem Business nie.

Time For Metal / Jürgen Simon

Das letzte Album By Absence Of The Sun von 2014 war recht erfolgreich. Zum Beispiel Nummer 1 in den Niederlanden und in Belgien. Wie sieht es mit Colossus aus? Ist Colossus genauso erfolgreich, wie By Absence Of The Sun?

Triggerfinger / Ruben

Es ist ja noch nicht so lange raus. Ich denke, die Leute mögen es. Da gibt es auch eine Menge schöne Reviews zu dem Album.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja bei uns 9 von 10. Verkauft es sich gut?

Triggerfinger / Ruben

Ja schon. Aber du weißt, viele spielen es bei Spotify oder tauschen untereinander.

Time For Metal / Jürgen Simon

Wie sieht die Rock Szene in Belgien aus? Gibt es da eine gemeinsame Basis, oder steht da jeder für sich selbst?
Ich selbst kenne euch und noch ein paar andere sehr geile Bands. Zum Beispiel The Experimental Tropic Blues Band und Diablo Blvd. Diablo Blvd habe ich erst vor ein paar Wochen auch hier in Köln gesehen. Die waren großartig.

Triggerfinger / Ruben

Es ist nicht nur auf Rockmusik beschränkt. Da sind Rockbands, Rootsbands, Alternativbands, crazy Elektrobands, die tolle und verrückte Sachen machen. Wie zum Beispiel die Band von Geoffrey Burton, der heute Abend an der Gitarre mit uns spielt. Wie heißt die Band von ihm? Hong Kong Dong!
Ist wirklich interessant diese Leute zu kennen, mit ihnen was zu machen, sich zu unterhalten und auszutauschen.

Triggerfinger / Paul

Ja da gibt es so viele großartige Bands in so einem kleinen Land wie Belgien!

Time For Metal / Jürgen Simon

Wer von euch macht das Songwriting? Alle zusammen. Oder macht einer die Musik, einer die Lyrics …, oder macht einer das Songwriting und die anderen das Supervising? Oder macht ihr das alles zusammen?

Triggerfinger / Ruben

Ja die Beiden sind die Supervisoren. (Ruben, Paul und Mario lachen).
Also üblicherweise beginnt es mit mir. Wenn ich eine Songidee habe, mache ich ein Demo. Das schicke ich dann an meine Kollegen. Auch an den Produzenten vom Album. Die Rückmeldung ist wichtig. Ob man damit was machen kann. Es ist schon wichtig, wenn andere Leute drüber schauen und dir Feedback geben, was man anders machen könnte.

Time For Metal / Jürgen Simon

Bist du praktisch der Mastermind?

Triggerfinger / Ruben

Kann man so nicht sagen. Wir sind alle daran beteiligt, jeder hat seinen Anteil daran. Auch der Toningenieur und der Produzent sind beim Entstehen sehr wichtig.

Time For Metal / Jürgen Simon

Nun eine Frage, ich denke, die hört ihr immer wieder. Was denkt ihr, was das für eine Frage ist? Ja, es geht um I Follow River! Der Originalsong von Lykke Li war ja richtig erfolgreich. Aber ich denke, euer Cover von dem Song war noch erfolgreicher.
Zum Beispiel Nummer 1 in Belgien, Nummer 1 in den Niederlanden und Nummer 1 in Österreich (Lykke Li’s Song war dort die Nummer 2 hinter eurem Cover!).

Triggerfinger / Ruben

Ja, teilweise war er erfolgreicher, aber nicht überall. Kommt drauf an, in welchem Land!

Time For Metal / Jürgen Simon

Wie kam die Idee, dieses Cover zu machen?

Triggerfinger / Ruben

Wir hatten nicht vor, eine Single von dem Song zu machen oder so. Das war bei einer Radioshow. Wir sollten bei der Radioshow einen Popsong aus den Top 10 aussuchen und ihn live performen mit dem Equipment, was uns gerade zur Verfügung stand. Ja, dieser Song war in den Top 10. Wir dachten: Es ist ein cooler Song. Wir mussten das schnell machen. Ich hatte nur eine Akustikgitarre dabei und Paul einen Bass. Mario hatte kein Drumkit dabei. Wir hatten dann nur 15 Minuten alles zusammenzubringen, was wir für unsere Coverversion brauchten. So holten wir Kaffeetassen, Gläser, Messer; Phones und andere Sachen, um den Song auf unsere eigene Weise zu performen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Hattet ihr Kontakt mit dem Management von Lykke Li?

Triggerfinger / Paul

Ja einmal. Da hatten wir einen Gig in London. Da haben wir die Managerin an der Bar getroffen. Sie meinte: Lykke Li like it!

Time For Metal / Jürgen Simon

Vor ca. 2 Monaten hatte ich in Frankfurt ein Interview mit Alissa White-Gluz von Arch Enemy. Es ging darum, dass mittlerweile einige Bands Geld zusätzlich zum Eintrittspreis für ein Meet and Greet nehmen. Ich bin selbst ein großer Fan. Ich denke, es ist hart für viele echte Fans zusätzlich zum Eintrittspreis noch Geld für ein Meet and Greet zu zahlen. Arch Enemy zum Beispiel nehmen dafür 100 Euro zusätzlich zum Ticketpreis!

Triggerfinger / Mario

Was? 100 Euro zusätzlich zum Ticketpreis?

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja, 100 Euro zusätzlich zum Ticketpreis!

Triggerfinger / Paul (lacht)

Aber sie ist dann nackt!?

Time For Metal / Jürgen Simon (lacht auch)

Ja Paul, wenn sie dann nackt ist, ist es auch 100 Euro wert! Jetzt mal wieder ernsthaft. Andere Bands machen das mittlerweile auch. Ist das ein Weg, die Rock- oder Metalbands einschlagen / einschlagen sollten.

Triggerfinger / Mario

Ja nun, jeder sollte das machen, was er meint machen zu müssen. Ich hatte schon mal davon gehört, dass Metallica das machen und andere große Bands auch. Als Fan bezahlst du Geld für das Kaufen von mehr Merch. Das ist auch ein Geschäft. Muss jeder selbst wissen. Und die Fans müssen natürlich fähig sein das zu zahlen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Sie sagte mir: Das ist eine Option. Das musst du nicht machen. Aber wenn du das willst, dann zahlst du eben dafür. Dafür hast du aber eine Garantie, dass du mich triffst. Kiss nehmen 5000 Dollar dafür und es gibt Leute, die zahlen das auch.

Triggerfinger / Mario (lacht)

Naja, wenn es die Leute glücklich macht, dann sollen sie das machen.

Time For Metal / Jürgen Simon

Ja aber die wirklichen Fans kaufen die CDs und die T-Shirts und geben sowieso schon eine Menge Geld dafür aus Fan zu sein.

Triggerfinger / Ruben

Das ist es ja, wovon wir leben. Das ist auch toll, wenn die Fans unsere Sachen kaufen. Aber viele Leute kaufen halt keine CDs mehr. Sie streamen oder downloaden. Und uns bleibt dann nichts mehr. Das ist schon hart. Ich sage nicht, dass das (Geld für Meet and Greet zu nehmen) eine Lösung wäre. Aber ich verstehe schon, dass die Bands überlegen, womit sie noch Geld verdienen können. Du hast keine Vorstellung, was es kostet, ein Album zu produzieren und zu promoten. Das mit dem Streamen ist schon eine gute Idee. Es ist klasse, wenn du das ganze Rockarchiv unterwegs immer dabei haben kannst. Aber das ganze Bezahlsystem dafür ist nicht up to date. Ich verstehe schon, wenn andere Bands sich Überlegungen machen, wie sie andere Einkommensmöglichkeiten finden.
In keinem anderen Geschäftsbereich gibt es so was, dass du nicht dafür bezahlst, was du haben möchtest, oder für deine Arbeit nicht bezahlt wirst. Zum Beispiel wenn du in eine Bäckerei gehst und Brot oder Brötchen haben willst, dann hast du dafür zu zahlen, oder du bekommst die Ware nicht.
Dieses Streaming gibt dir die Illusion, dass du dafür bezahlst. Du bezahlst 10 Euro im Monat und hast dafür Zugriff auf alles. Aber da bleibt nichts für die Bands. Wir machen weiter Alben und lieben es auch. Das ist schon eine verdrehte Situation, wenn du darüber nachdenkst.

Time For Metal / Jürgen Simon

Also ich muss da auch für mich sprechen. Ich bin ein Musikfan und ich kaufe CDs und Vinyl. Habt ihr das neue Album in Vinyl dabei? Ich habe es ja bereits auf MP3, das brauchte ich, um das Review für Time For Metal zu machen. Ich würde aber gerne von euch jetzt hier auch die Vinylausgabe erstehen.

Triggerfinger / Ruben

Ja klar, wir haben natürlich auch das Vinyl dabei.

Time For Metal / Jürgen Simon

Dann würde ich es gerne haben. Ich habe hier noch ein paar ältere Sachen, die hätte ich gerne von euch signiert!

Triggerfinger / Ruben

Klar Jürgen, gib her. Das machen wir gerne.

Die Drei signieren mir noch die mitgebrachten Sachen. In der Zwischenzeit holt Mario das Vinyl von Colossus. Wow! In der blauen ltd. Edition. Das freut mich total. Bei den Sachen zum Signieren sind auch zwei Eintrittskarten vom Konzert mit Deep Purple und Gov’t Mule auf dem Bonner Kunstrasen dabei. Wir unterhalten uns noch kurz über das Konzert von 2013. Gleich müssen alle raus zum Soundcheck. Tourmanager Tom bietet mir an, dass ich auch gerne bis heute Abend zum Konzert Backstage bleiben kann. Ist sehr nett von ihm, aber es ist ja noch reichlich Zeit. Ich verabschiede mich von allen und bedanke mich für das Interview. Ebenso freue ich mich nachher auf das Konzert, das dann auch wirklich wahnsinnig gut wird.

Hier der Bericht zum Konzert.