Slayer – ein Nachruf

38 Jahre reuelos

Slayer. Eine Band, die auch szenefremden Personen ein Begriff ist und deren Logo mittlerweile Kleidungsstücke großer Modeketten ziert. Für viele Metalheads nur noch eine gelebte Parodie ihrer selbst, nach Aufs und Abs in den letzten Jahren und wenig erfolgreichen Alben. Doch auch eine Parodie ist in gewisser Weise ein Ritterschlag, denn wer nichts erreicht, zieht keine Neider an. So blicken wir zurück auf 38 Jahre Bandgeschichte und suchen an den Wurzeln den Stoff, der den Metal bereichert hat.

1981, Huntington Park, Kalifornien. Zwei junge Musiker beginnen ein neues Projekt, zwei weitere komplettieren die Band, die zunächst Coverversionen von Judas Priest und Iron Maiden spielt. Bald soll dies jedoch nicht mehr reichen. Schnell werden die Töne härter, der Rhythmus schneller – Slayer entwickeln ihren eigenen Sound, der sie damals schnell bekannt und beliebt macht. So veröffentlichten sie 1983 ihr Debüt Show No Mercy und gingen mit diesem Material 1984 auf ihre erste US-Tour. Der Erfolg wurde größer, ebenso wie die Menge an Fans, sodass 1985 das nächste Album Hell Awaits professioneller finanziert werden konnte, was man dem Werk anmerkt. Komplexer sind nicht nur die Texte, sondern auch das Songwriting ist ausgereifter und bedarf auf den Aufnahmen weniger Überarbeitung.

1986 kam es bei dem Versuch Reign In Blood (das dritte Studioalbum der Kalifornier) zu veröffentlichen, zu ersten, größeren Kontroversen. Sowohl das Coverart, als auch der Titel Angel Of Death, der sich mit KZ-Arzt Josef Mengele auseinandersetzt, waren Columbia Records zu heikel. Dies sollte sich für das Label als Fehler erweisen, denn der Langspieler, der zwischenzeitlich von Gaffen Records herausgebracht wurde, schaffte es tatsächlich sich im November 1992 eine Goldene Schallplatte zu verdienen. Nach und nach schafften es immer mehr Songs des Quartetts in die US-amerikanischen Charts und weitere Goldene Schallplatten folgten u.a. für South Of Heaven, welches 1988 erschien. In der Zwischenzeit tourten Slayer fleißig, jetzt sogar bis nach Europa, mit Größen wie Overkill und W.A.S.P. 

Den nächsten Meilenstein ihrer Karriere erreichte die Band im Jahre 1990, als sie für den Dreh ihres ersten Musikvideos kurz vor dem zweiten Golfkrieg noch nach Ägypten reiste. Vor den Pyramiden von Gizeh entstand der knapp sechsminütige Clip zu Seasons In The Abyss, dem Titeltrack zum gleichnamigen, fünften Studioalbum. Bis zu diesem Punkt in ihrer Geschichte produzierten Slayer innovatives Material, welches so besonders war, dass es bis heute an den ersten Tönen ganz klar als Slayer auszumachen ist. Diese Alben inspirierten tausende junger Musiker dazu, neue Wege zu gehen, härtere, schnellere Songs zu schreiben, sich nicht an das Bekannte zu halten. Diese Stücke sind es, an die ich selber denke, wenn jemand angibt, von der Band in seinem Schaffen angeregt worden zu sein.

Anfang des Jahres 1992 verließ Schlagzeuger Dave Lombardo die Band. Ein Einschnitt war dies definitiv, denn das 1994 erschienene Album Divine Intervention wurde tatsächlich zu einem Top-10-Album in den USA. Für eine Metalband aus meiner Sicht eine zwiespältige Ehrung, denn es beinhaltet eine gewisse Massentauglichkeit des Materials. Allgemein waren die 90er Jahre sehr chaotisch für alle Mitglieder, denn neben diversen Besetzungswechseln kam es zu Tourabsagen, verspäteten Veröffentlichungen und nicht zuletzt zu einer Anklage der Band wegen ihrer Texte. In der Geschichte des Metal gab und gibt es immer wieder den Vorwurf der Gewaltverherrlichung. Dieser Kelch sollte im Jahr 1996 auch an Slayer nicht vorübergehen. Der Freispruch von allen Vorwürfen erfolgte letztlich 2001. In diesem Chaos entstand auch das Diabolus In Musica Album, welches mit Elementen aus dem Nu Metal angereichert wurde. Es erreichte zwar eine recht hohe Platzierung in den Charts, wurde aber von den echten Fans nicht geschätzt. Für mich markiert dies einen „Point Of No Return“, denn auch, wenn das folgende, achte Album God Hates Us All wieder mehr an den ursprünglichen Stil anknüpft, ist ein Bruch zur alten Fanbase entstanden.

Die frühen 2000er taten der Band in ihrer Entwicklung genauso gut wie die 90er. Erneute Besetzungswechsel und Dramen zwischen den Bandmitgliedern dominieren nun die Berichterstattung über die Band. Es werden zwar neue Alben, DVDs und Singles produziert, doch ist deren Qualität nicht herausragend und die Schlammschlachten über Gehälter und Verträge überschatten Grammy Nominierungen und Touren. Ein Schuldiger musste gefunden werden und schnell waren sich die Fans einig, indem man auf Konzerten über das „Kerry King Solo Projekt“ tuschelte. Ein wenig Ruhe kehrte zum Ende des Jahrzehntes ein, als die Band World Painted Blood veröffentlichte und mit Metallica, Megadeth und Anthrax als The Big Four auf Tour ging.

Diese Ordnung sollte den alternden Thrashern leider nicht lange gegönnt sein, denn am 02.05.2013 starb überraschend Jeff Hannemann, Gitarrist und Gründungsmitglied, an Leberversagen. Da Hannemann bereits zuvor von Gary Holt live vertreten werden musste, waren sich alle über seinen Gesundheitszustand bewusst, trotzdem kam sein Tod unerwartet schnell und traf die gesamte Metalszene. Dieser Moment markiert im Nachhinein betrachtet den Anfang vom Ende der Band. Zwar wurde mit Repentless 2015 noch ein weiteres Album veröffentlicht und zwei weitere Touren mit Bands wie Anthrax und Carcass durchgezogen, aber man merkte allen Mitgliedern ihr Alter und Strapazen der letzten 35 Jahre an. Auch Sänger Tom Araya ist gesundheitlich angeschlagen und kann längst nicht mehr so performen wie früher. So kam am 22.01.2018 eine Nachricht, die mich melancholisch, aber glücklich gestimmt hat: Ende 2019 wollen Slayer ihre Karriere beenden. Sie spielten ihr letztes Konzert am 30.11.2019 in Inglewood im Los Angeles County, nahe dem Ort, wo 1981 alles seinen Anfang nahm.

Betrachten wir die Bandgeschichte in ihrer Gesamtheit, so kann man nicht leugnen, dass Slayer eine der einflussreichsten und kommerziell erfolgreichsten Metalbands aller Zeiten sind. Ich finde, es wird ihnen in keinem Fall gerecht, sie nur noch auf die letzten Jahre und Kerry King zu reduzieren, der mit seinen Eskapaden der Band zu eher fragwürdiger Bekanntheit verholfen hat. Ob Fan oder nicht, muss man akzeptieren, dass die Metalwelt heute ohne Slayer eine andere wäre. Kaum eine Band hat in ihren frühen Jahren einen so prägnanten Stil entwickeln können, der ihnen bis heute eindeutig zuzuordnen ist. Ein Ende mit Schrecken, nach vielen Höhen und Tiefen, Rausschmissen und Rückkehrern, aber zum Glück kein Schrecken ohne Ende. Dafür müssen wir als Gesamtheit der Metalfans den Hut vor den vier Jungs ziehen, die 1981 in Huntington Park die Idee hatten, musikalisch neue Wege zu beschreiten.