Im Gespräch mit Nino Helfrich von Skull Tone Studios (Teil 3 von 4)

Wie sieht eine Aufnahmesituation aus?

Artist: Skull Tone Studios, Nino Helfrich

Herkunft: Norderstedt, Schleswig Holstein

Links: https://www.skulltonestudios.com/
https://www.facebook.com/skulltonestudios

Wie wichtig ist der Sound einer Platte?
Wir haben uns darüber unterhalten, wie der Sound einer EP bzw. Album entsteht und wie sich dieser Sound auf den Zuhörer auswirken könnte.
Wie kann sich eine Band auf diesen Prozess vorbereiten? Warum ist es wichtig, sich als Studio und Rezensent musikalisch aktuell zu halten?
Und warum Kommunikation auch im Studioalltag das A und O ist, erfahrt ihr im dritten Teil des Gesprächs zwischen Nino von Skull Tone Studios und Lommer von Time For Metal.

Time For Metal / Lommer:
Wie läuft das normalerweise so bei dir? Kommt da jemand zu dir mit fertigen DI Spuren und es folgt dann das Reampen, oder wie kann ich mir das vorstellen? Ich kenne noch den Studioalltag, dass erst Schlagzeug, dann Gitarren, Bass und dann zum Schluss der Gesang aufgenommen werden. Das sind dann „natürliche“ Prozesse, wie der Sound sich entwickelt. Das ist dann auch sehr interessant, wie läuft das so in etwa bei dir?

Fotocredit: Butzinella

Skull Tone Studio / Nino:
Das hängt sehr davon ab. Die Reihenfolge, wie du sie beschreibst, ist der Klassiker. Immer mehr Bands starten aber mit Gitarren und nehmen die Drums erst später auf.
Viele internationale Bands schicken die Spuren direkt zum Mischen und Mastern. Wenn eine Band eine Full Production machen möchte, mache ich auch das Recording mit ihr.
Was immer gut ist, ist, wenn eine Band sagt: „Wir melden uns rechtzeitig.“ Dann kann ich sie schon im Vorfeld betreuen, ihnen Feedback geben zu den DIs und ihr Tipps geben, wie sie die Vocals gut aufnehmen kann. Gitarren und Bass reampen ist bei mir immer mit im Mixing inbegriffen, weil ich die echten Amps und ein Engl Endorsment habe. Es wäre schade, diese Möglichkeiten nicht zu nutzen.
Und oft passt auch der Sound vom Recording nicht mehr in den Mix, wenn dann Drums und Bass dabei sind.
MIDI Drums überarbeite ich auch vorab. Normalerweise ist alles auf maximaler Lautstärke, exakt on the Grid, wenn Bands Midis schicken. Das klingt dann wie ein Maschinengewehr. Ich habe über viele Jahre gelernt, wie man die MIDIs so überarbeitet, dass sie menschlicher und natürlicher klingen.

Time For Metal / Lommer:
Ja, sehr geil!

Skull Tone Studio / Nino:
Wir haben zum Beispiel bei der Neopera Platte programmiert. Ich habe hier wochenlang mit dem Drummer gesessen und jeden Schlag mit ihm durchgesprochen: „Wie würdest du den Part spielen, würdest du hier nur den rechten Fuß benutzen? Ab wann benutzt du den linken Fuß? Wenn du hier mit der Hand bist, kommst du auch noch zum anderen Becken für den nächsten Part?“
Das ist sehr viel Arbeit, aber sehr lehrreich.
Zum Mix-Prozess bei einem Album: Beim ersten Song geht es darum, den Grundsound der Platte zu finden: Bass, Gitarre, Drums und Vocals. Ich bin dabei, hierfür ein Live-Streaming-System zu installieren, damit die Bands bei diesem Prozess live zuhören können.
Im Metal Bereich kann man das relativ gut übertragen auf die anderen Songs. Zumindest die Grundstruktur. Was ich im Anschluss bei jedem Song einzeln mache, ist extrem viel zu automatisieren und alles mit eigenen Effekten zu bearbeiten.
Jeden einzelnen Part. Zum Beispiel ein Kick Sound, der bleibt nicht immer gleich in einem dynamischen Song. Oder Vocal Effekte. Das sind nicht durchgehend die gleichen Reverbs und Dealays zu hören.
Der erste Song ist immer der anspruchsvollste, aber auch der spannendste, da er das Gesicht einer Platte ist.

Time For Metal / Lommer:
Das finde ich, ist halt auch wichtig und auch spannend, wenn die ganzen PlugIns aufeinander abgestimmt sind und den Songs Leben einhauchen.
Das ist so das Erste, womit man als Rezensent konfrontiert wird. Und wenn du eine Platte hast mit einem, ich sag jetzt mal relativ schlechten Sound, das ist schon so was wie eine Bewerbungsmappe, auf der vorne oder alles auf Diddl-Blättern geschrieben ist. Das kommt nicht wirklich gut an *grinst*.

Skull Tone Studio / Nino:
Na, wenn ich mal eine Gegenfrage stellen kann, wenn du jetzt ein Album hörst und rezensierst:
Du bist ja sehr erfahren, du kennst diese Musikrichtung, du hörst sofort: Was für eine Qualität hat es nach fünf Sekunden.
Wie wirkt sich das bei dir aus?
Weil ich gebe Bands oft den Rat, zum Beispiel nur eine EP zu machen anstelle einer LP. Bei einer LP bleibt oft kein Geld mehr zum promoten und niemand wird sich die anderen Songs anhören, wenn der Erste schon schlecht klingt.
Das ist eine Falle, in die sehr viele Bands reintappen. Qualität übertrifft Quantität.

Time For Metal / Lommer:
Eine Produktion muss natürlich schon irgendwie einen gewissen Standard haben.
Es kommt aber echt so ein bisschen drauf an, zum Beispiel man macht so atmosphärischen Black Metal oder so was wie, sagen, wir mal Gorguts, dann ist natürlich eine total durchgebügelte Produktion (nehmen wir als Beispiel Rings Of Saturn) vollkommen fehl am Platz. Man muss das ein bisschen aufeinander abpassen. Ich hatte jetzt zum Beispiel eine Platte, das war Groove Metal und die haben auch einen richtig schönen organischen Sound gehabt. Das war keine getriggerte Bass Drum oder so, und das klang alles so ein bisschen warm. Passt wirklich direkt drauf.
Man muss immer ein bisschen gucken. Wovon viele auch abgeschreckt sind: Ich bin ja leidenschaftlicher Brutal Death Metal Fan und wenn man sich so eine Platte wie zum Beispiel von Gorgasm oder Defeated Sanity anhört … da muss man auch schon ein Gehör für haben. Also ein erfahrener Hörer sein und das schreckt natürlich einige auch ab. Das ist halt nicht so ganz ohne.
Ich versuche so ein Rezensent zu sein: Ich gebe denen immer irgendwie noch mal eine Chance, aber man bekommt relativ schnell raus, ja, das ist so eine Platte, die nach Schema F produziert ist, und das ist mir ziemlich viel im Deathcore Bereich aufgefallen. Also das, was meistens ein bisschen moderner ist. Viele Platten klingen da sehr, sehr ähnlich. Und das ist ein bisschen schade, da dieses Trademark dann flöten geht. Also einen Sound, den man wirklich mit einer Band verbindet, denn alle wollen so klingen wie Band XY. Und da komm ich jetzt mal zu meiner Frage:
Angenommen, jetzt kommt eine Band zu dir und sagt: „Wir wollen jetzt klingen wie die 1-800 Vindication von Illdisposed. Mach uns so einen Sound!“
Machst du das oder sagst du denen dann: „Ganz ehrlich ihr klingt eher nach einer Obituary.“

Fotocredit: Butzinella

Skull Tone Studio / Nino:
Natürlich hat man irgendwann Erfahrungswerte. Ich würde weit vor dem Mix anfangen.
Als allererstes die Frage: Haben sie echte Drums aufgenommen, oder ist das getriggert?
Wie weit wurden die Spuren editiert, wie „perfekt“ sind sie?
Du kannst zum Beispiel bei Palm Mutes in einem Breakdown die Pausen komplett rausschneiden, wenn du eine Band extrem tight und clean haben willst. Anhand solcher Faktoren würde ich das von Anfang an in die gewünschte Richtung steuern.
Es ist gut, wenn eine Band eine Vorstellung hat, wie sie klingen möchte.
Tatsächlich ist der Sound aber in den Händen drin, auch bei einer Gitarre. Selbst bei Drummern ist das so. Setz mal zwei Drummer an das gleiche Drumset, die klingen unterschiedlich. Total abgefahren! Weil jeder anders draufhaut. Und bei einem Sänger gilt das sowieso. Du kannst also niemals 1 zu 1 kopieren.
Aber du kannst es schon in diese Richtung steuern und es ist sehr gut, wenn eine Band eine grobe Vorstellung hat. Das ist auch immer eine Frage, die ich sehr früh stelle: In was für eine Richtung die Soundästhetik gehen soll.

Time For Metal / Lommer:
Gibst du dann mal irgendwann auch Tipps? Gehen wir mal in den Bereich Produktion. Eine Band kommt zu dir und sagt: „Wir wollen jetzt klingen wie Band XY.“ Die haben dann für dich auch Beispiele und du hörst dir das an und machst dir Gedanken und dann merkst du so:
Da geht es eigentlich noch besser. Die Platte könnte dann immer noch ein bisschen mehr Druck vertragen.
Gibst du auch Tipps? Also dass du dann zum Beispiel einen Song zweimal anders mischt, um vielleicht noch ein paar Beispiel zu geben, oder ergibst du dich dem Willen der Musiker?

Skull Tone Studio / Nino:
Ich versuch das eigentlich im Vorfeld zu machen, bevor eine Band aufnimmt. Ich mache zu Beginn relativ lange Zoom Calls mit jeder Band, wenn es um eine EP oder LP geht. Dort planen wir die ganze Produktion und besprechen den Sound im Detail.
Ich kann auch nicht mit allen Bands arbeiten. Im Moment habe ich mehr Anfragen, als ich abarbeiten kann. Ein Stück weit muss man sich dann auch die Bands aussuchen.
Und die Bands, mit denen ich dann arbeite, da habe ich natürlich vorab reingehört und weiß, ob sie das anvisierte Genre treffen werden.

Time For Metal / Lommer:
Hattest du schon mal so schwierige Bands gehabt?
Also, bei denen du dir anfangs dachtest, das sind coole Dudes und dann vielleicht sind sie im Nachhinein eher Müll.
Wie geht man mit so was um? Denn man arbeitet ja relativ viel und eng zusammen.

Skull Tone Studio / Nino:
Das ist eine Frage der Kommunikation.
Eine Band bekommt von mir im Vorfeld genaue Infos zu Revisionen, Songlängen, Anlieferung der Spuren usw.
Unsere Grenze pro Song liegt beispielsweise bei fünf Minuten. Wenn eine Band nun Songs hat, die acht Minuten sind, wird das von Anfang an berücksichtigt.
Deshalb ist mir das so wichtig, mit den Bands im Vorfeld zu sprechen, weil man da viele Sachen klären kann.
Was natürlich nicht alle Musiker immer wissen, ist, was ist Mastering, was ist Mixing, was ist vielleicht sogar Editing. Bei Sängern kann es passieren, dass mal jemand bei einem Wort einzelne Buchstaben austauschen will….
Das ist tatsächlich schon passiert *lacht* Da muss man dann einfach kommunizieren und auch flexibel sein.

Time For Metal / Lommer:
Ja, klar, das muss man mit der Zeit erst mal lernen.
Ich habe jetzt noch mal so ein bisschen abseits eine Frage. Also es ist ja so, dass du sehr viel Zeit für dieses Studio investierst. Wie wirkt sich das bei dir so musikalisch aus? Hast du dann selber noch Bock, zu klampfen oder allgemein noch Gigs zu spielen?

Skull Tone Studio / Nino:
Ich habe ein sehr striktes Zeitmanagement, ansonsten ist es schwer, sich auf eine Sache zu fokussieren. Ich habe feste Tage zum Mischen, für Mails, zum Gitarre üben, einkaufen usw.
Ich müsste heute üben und habe es noch nicht geschafft *lacht*. Tatsächlich höre ich inzwischen wieder viel mehr Musik. Ich habe eine Verantwortung zu wissen, was gerade der heiße Scheiß im Metal ist.
Ob mir die Band gefällt oder nicht. Ich bin zum Beispiel nicht der größte Bring Me The Horizon Fan, aber es ist meine Aufgabe als Produzent, die neueste Platte von denen genau gehört zu haben.
Und das ist eigentlich sehr gut, dass man dahingehend ein bisschen gezwungen ist, sich alles anzuhören, weil man in viele Sachen reinhört, denen man sonst keine Chance gegeben hätte.
Und man findet dann viel geiles neues Zeug. Ich kann es nicht ganz verstehen, wenn jemand sagt: „Boah jetzt bloß keine Musik mehr hören, das habe ich schon acht Stunden heute gehabt.“ Deshalb muss man sich eine Musikrichtung aussuchen, die man auch wirklich mag. *grinst*

Time For Metal / Lommer:
Das finde ich ganz spannend, denn die Ansicht habe ich als Rezensent tatsächlich auch. Und zwar sich dann noch mal mit Sachen zu beschäftigen, wo man eigentlich nicht so drauf kommen würde. Da habe ich auch schon einige Perlen entdeckt.
Eine Zeit lang war ich so drauf: Ich finde das Logo doof oder der Name klingt scheiße, höre ich mir nicht an.
Dann hört man sich die Bands doch an und merkt: ok, das ist doch ganz schön geil *lacht*

Skull Tone Studio / Nino:
Ja, so eine gewisse Objektivität ist schon gut *lacht*.

Time For Metal / Lommer:
Eine Frage wollte ich noch mal zu der Produktion stellen. Sagen wir mal, du hast jetzt die ganzen Songs zugeschickt bekommen und wendest die Plugins an. Also, die Songs stehen jetzt so an sich.
Gibst du manchmal dann irgendwie auch noch mal deinen Senf dazu?
Von wegen: Hier nimm das noch mal so auf oder lass uns mal so ein bisschen die Parts tauschen?
Oder ist das so, dass du dann da sagst, das ist alles euer Ding, ich sag da nix zu, denn die Musiker haben sich ja etwas dabei gedacht.

Fotocredit: Butzinella

Skull Tone Studio / Nino:
Es gibt sone und solche Produzenten.
Du musst schon wissen, ob du in dem Moment der Mixing Engineer bist, der das aufpolieren soll, was er bekommt. In der Rolle kannst du nicht anfangen und einfach irgendwelche Parts ändern. Teilweise ist schon schwierig, wenn du anfängst, Effekte einzubauen. Da muss man wissen, in was für einer Musikrichtung man ist.
Du hast ja in manchen Stilen irgendwelche Reverse Snares, reverse Vocals etc., die da reinkommen. Oder Sub Drops und so. Manche Bands finden das geil, wenn du das mit einfügst. Und andere finden das furchtbar. Das ist auch wieder Kommunikation im Vorfeld, ob eine Band die Songs wirklich nur gemischt haben will.
Wenn man möchte, dass ich oder generell irgendein Produzent da eingreift, dann ergibt es Sinn, schon viel früher zusammenzuarbeiten. Schon bei den Aufnahmen.
Im Mixing hat Songwriting keinen Platz mehr.

Time For Metal / Lommer:
Das ist ganz spannend, weil ich mal im Studio vor langer Zeit gelernt habe, dass es manchmal gar nicht mal so schlecht ist, wenn von außen noch ein kleiner Input reinkommt.
So von wegen: „Spiel das mal so auf dem Bass oder reduziere das mal oder mach doch mal ein bisschen mehr.“
Da kommen dann auch Ideen, auf die man sonst gar nicht kommen würde. Das finde ich immer ganz interessant.

Skull Tone Studio / Nino:
Man hat es halt auch tausendmal im Proberaum gespielt und ist sehr nahe an den Songs. Das ist auch das Problem, wenn eine Band selbst mischt.
Ein externes Mastering ergibt immer Sinn, da eine externe Person mit einer Wahnsinns-Abhöre und Erfahrung noch mal drüber hört, eine Art Sicherheitsnetz ist.
Noch besser ist natürlich, wenn man extern Mixen und Mastern lässt, denn der Mixing Prozess ist ja keine rein technische Arbeit, sondern etwas Kreatives.
Du arbeitest zum Teil sehr instinktiv und das geht besser, wenn du die Sachen nicht auswendig kennst.
Ich habe zum Beispiel heute einen Song gemischt für meine eigene Soloplatte. Den habe ich seit drei bis vier Monaten aber nicht gehört, damit er wieder frisch ist. Weil man sonst genau in dieses Problem reinläuft.
Wie du sagst, bei Aufnahmen ist es oft eine Hilfe, wenn du einen externen Input bekommst.
Derjenige kennt die Songs nicht und ist auch nicht so festgefahren in den Demos. Bands tun sich oft schwer, sich von Parts trennen zu können oder auch von Sounds, obwohl es vielleicht noch geiler werden könnte.
Ist auch ein Lernprozess.

Time For Metal / Lommer:
Das stimmt *lacht*

Das war Teil drei von vier.